Die Ampel bringt ihr großes Rentenpaket auf den Weg. Es geht um das Geld von Millionen Rentnern und Beschäftigten. Der Arbeitsminister warnt: Ohne Reform hätten die Ruheständler bald das Nachsehen.
RentenpaketWie die Regierung schwächelnde Renten verhindern will
Die Bundesregierung will die mehr als 21 Millionen Rentnerinnen und Rentner in Deutschland künftig vor einem Absinken ihrer Bezüge schützen. „Das werden wir verhindern, indem wir dafür sorgen, dass das Rentenniveau dauerhaft für alle Generation stabil bleibt“, sagte Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) vor der ersten Beratung der Rentenreform der Ampel-Koalition im Bundestag.
Ohne Reform und stabiles Rentenniveau würden die Rentnerinnen und Rentner im Vergleich zur arbeitenden Bevölkerung „ärmer werden“, sagte Heil der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Ein Schlagabtausch über den Gesetzentwurf von Heil sowie von Finanzminister Christian Lindner (FDP) wird bei der ersten Beratung im Bundestag an diesem Freitag erwartet. Die Opposition lehnt die Pläne in jetziger Form komplett ab. Der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion, Johannes Vogel, preschte zudem per Interview vor - die Reform sei aus seiner Sicht zu teuer. „So ist das Rentenpaket im Parlament noch nicht zustimmungsfähig“, sagte Vogel der „Bild“. Ursprünglich hatte Heil die Reform bereits für 2022 angekündigt.
Rentnern droht sinkende Kaufkraft
Nun wirbt Heil angesichts des Problemdrucks für seine Reform. Denn die geburtenstarken Babyboomer-Jahrgänge gehen nun in den Ruhestand und setzen die Rentenkasse unter Druck. „Wir müssen das entscheiden“, sagte der Minister. „Das ist wichtig nicht für die Koalition, sondern für die Menschen in Deutschland, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die Rentnerinnen und Rentner von heute und die von morgen.“ Durchsetzen wolle er die Reform, so Heil, „damit auch zukünftig die Rentenerhöhungen den Lohnerhöhungen folgen“.
Zuletzt sind die Renten in Deutschland zum 1. Juli um 4,57 Prozent gestiegen - erstmals seit Jahren spürbar über der Inflationsrate. Eine zuvor zum Beispiel 1500 Euro zählende Monatsrente wuchs um 68,55 Euro. Auch in den zwei Jahren zuvor gab es durchgängig teils deutlich über vier Prozent liegende Rentenzuwächse - davor hatten die Bezüge wegen der Corona-Krise stagniert. Auch für die nächsten Jahre werden Rentenerhöhungen vorhergesagt - laut jüngstem Rentenversicherungsbericht steigen die Bezüge bis 2037 um 43 Prozent. Heil erläuterte, ohne Stabilisierung des Rentenniveaus würde die Kaufkraft der Rentnerinnen und Rentner aber ab 2027 sinken.
FDP gegen steigende Beiträge
„Wir müssen jetzt dafür sorgen, dass wir die Weichen stellen, weit über diese Legislaturperiode hinaus“, sagte Heil. „Es geht ja tatsächlich um eine Richtungsentscheidung.“ Heil verspricht sich von der Reform „einen Beitrag zur Leistungsgerechtigkeit und gesellschaftlichen Stabilität“, wie er sagte. „Es geht nicht nur die 21 Millionen Rentnerinnen und Rentner von heute.“ Es gehe auch um die 35 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Land. Sie hätten nach einem Leben voller Arbeit eine anständige Rente verdient. Heil: „Damit kann man nicht spielen.“
Obwohl Heil die Pläne gemeinsam mit Lindner präsentiert hatte, schießt die FDP-Fraktion jetzt quer. Vogel argumentiert, das Rentenpaket lasse „die Beiträge für die arbeitende Mitte immer weiter steigen“. SPD-Chef Lars Klingbeil warnte die FDP vor einer Blockade. „Das, was wir verabredet haben, das muss kommen“, sagte Klingbeil der dpa. „Ich kann nicht ganz verstehen, dass die FDP-Fraktion sich jetzt gegen ihren eigenen Parteivorsitzenden auflehnt.“ Das in Geldfragen oft uneinige Ampelbündnis dürften angesichts der Größe der anfallenden Lasten für viele Leute hier auch viel Streitpotenzial für den nahen Bundestagswahlkampf vorfinden.
Reicht das Geld?
Heute liegt der Beitragssatz bei 18,6 Prozent des Einkommens. Ohne Reform soll er bis 2030 auf 20,2 und bis 2040 auf 21,3 Prozent steigen. Doch das Rentenniveau soll bei 48 Prozent gesichert werden, die Renten also weiter im Verhältnis zu den Löhnen im Land steigen. Eine Sicherung des Rentenniveaus allein ließe den Beitragssatz laut Gesetz bis 2040 sogar auf 22,6 Prozent steigen. Doch Heil verspricht: „Wir sorgen vor, dass die Beiträge in der zweiten Hälfte der 30er-Jahre nicht zu stark steigen.“
Hier kommt der von der FDP durchgesetzte Teil des Gesetzes zum Tragen: das Generationenkapital. Lindner spricht von einer „Zäsur in der deutschen Rentenpolitik, dass wir im Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung nun auch in Wertpapieren anlegen werden“. Die Regierung will dafür zwar Schulden aufnehmen, die aber nicht auf die Schuldenbremse angerechnet werden. Zunächst sollen 12 Milliarden Euro, in den kommenden Jahren jeweils etwas mehr in den Kapitalstock fließen, auch aus Vermögenswerten des Bunds. Auf mindestens 200 Milliarden Euro soll die Anlage bis Mitte der 2030er Jahre wachsen. Ab 2036 sollen im Schnitt zehn Milliarden Euro jährlich an die Rentenkasse ausgeschüttet werden. Mit den Zinsen aus dem Kapitalstock soll der Beitragssatz bis 2040 auf 22,3 Prozent gedrückt werden. Ein Beitragssatzpunkt bringt der Rentenkasse heute rund 18 Milliarden Euro im Jahr.
Doch reicht das Geld für die steigenden Lasten für die Rentenkasse? Die Renten-Ausgaben dürften bis 2045 von 372 auf 755 Milliarden Euro (ohne Reform) beziehungsweise 802 Milliarden Euro (mit Reform) klettern. Gleichzeitig steht Deutschland derzeit am Rand einer konjunkturellen Abwärtsspirale und vor großen Umwälzungen etwa durch die Digitalisierung. „Gerade, weil wir in stürmischen Zeiten leben, in Zeiten großer Veränderungen, ist es wichtig, der Gesellschaft Sicherheit zu geben“, sagte Heil. „Und das betrifft auch die gesetzliche Rente: Dass sich Arbeit lohnt, dass sich Lebensleistung lohnt, dass man im Alter, wenn man hart gearbeitet hat, anständige Rentenanwartschaften hat.“
Wie es mit der Rente weitergeht
Heil bringt das Beispiel einer Frau aus Sachsen, heute 49 Jahre alt. Wenn sie in den 40er Jahren in Rente geht, würde der unterschiedliche Effekt der Niveau-Stabilisierung oder eines Fallenlassen der Pläne einen Unterschied von 1100 Euro im Monat mehr oder weniger auf dem Konto der Sächsin ausmachen, rechnete er vor.
Und wie geht später es weiter mit der Rente? „Im Kern ist die entscheidende Frage zukünftig für die Stabilität der Renten, wie viele Menschen in Arbeit und Beschäftigung sind“, sagte Heil. Ausgebaut werden müssten flexible Übergänge in den Ruhestand mit mehr Menschen, die faktisch länger arbeiten, die Erwerbsbeteiligung von Frauen, die Förderung von Aus- und Weiterbildung sowie die Zuwanderung von Fachkräften. Nur das auf 67 Jahre steigende reguläre Rentenalter - soll laut Heil keinesfalls angetastet werden. (dpa)