„Blanker Imperialismus“ von PutinScholz fordert harte Ahndung von Kriegsverbrechen
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New York – Bundeskanzler Olaf Scholz hat Russland vor den Vereinten Nationen „blanken Imperialismus“ vorgeworfen und der Ukraine weitere Unterstützung auch mit Waffen zugesichert. „(Präsident Wladimir) Putin wird seinen Krieg und seine imperialen Ambitionen nur aufgeben, wenn er erkennt: Er kann diesen Krieg nicht gewinnen“, sagte Scholz am Dienstagabend (Ortszeit) vor der UN-Vollversammlung in New York. „Er zerstört dadurch nicht nur die Ukraine, er ruiniert auch sein eigenes Land.“
Deshalb werde man keinen russischen „Diktatfrieden“ akzeptieren - und auch keine Scheinreferenden, betonte Scholz. Damit spielte er auf die von Separatisten geplanten Abstimmungen in mehreren ukrainischen Regionen an, die am Dienstag angekündigt worden waren. Es wird nun befürchtet, dass Russland wie 2014 im Fall der Halbinsel Krim auch diese Regionen annektieren könnte.
Scholz hatte die geplanten Abstimmungen bereits vor seiner Rede am Rande der Generaldebatte für völkerrechtswidrig erklärt. Es sei „ganz, ganz klar, dass diese Scheinreferenden nicht akzeptiert werden können, dass sie nicht gedeckt sind vom Völkerrecht und von den Verständigungen, die die Weltgemeinschaft gefunden hat“, sagte Scholz. „Das ist alles nur der Versuch einer imperialistischen Aggression, die dadurch verbrämt werden soll.“
Scholz hielt seine 16-minütige Rede überwiegend auf Deutsch, nur die ersten Sätze sprach er auf Englisch. Es war die erste eines Bundeskanzlers in der Generaldebatte der UN-Vollversammlung seit 15 Jahren. Scholz sprach als einer der letzten Redner am Dienstag erst gegen 20.30 Uhr Ortszeit, als der Saal der Generalversammlung nur noch zu etwa einem Fünftel gefüllt war. Auf den Plätzen der deutschen Delegation in der fünften Reihe nahm auch Außenministerin Annalena Baerbock Platz.
Am Mittwoch wird US-Präsident Joe Biden in der Generaldebatte sprechen. Außerdem wird der ukrainische Präsidenten Wolodymyr Selenskyj per Video zugeschaltet. Dafür hatte die UN-Vollversammlung in der vergangenen Woche per Abstimmung eine Ausnahmegenehmigung erteilt. Putin wird von seinem Außenminister Sergej Lawrow vertreten.
Scholz machte sich in seiner Rede auch für eine harte Ahndung russischer Kriegsverbrechen stark. „Hinsehen und handeln müssen wir, wenn Russland in Mariupol, Butscha oder Irpin Kriegsverbrechen begeht. Die Mörder werden wir zur Rechenschaft ziehen.“ Deutschland unterstütze den Internationalen Strafgerichtshof und die vom Menschenrechtsrat eingesetzte unabhängige Untersuchungskommission dabei mit aller Kraft. Putin selbst nannte Scholz in diesem Zusammenhang aber nicht.
Die Ukraine müsse in der Lage sein, Russlands Überfall abwehren zu können, sagte Scholz. „Wir unterstützen die Ukraine dabei mit aller Kraft: finanziell, wirtschaftlich, humanitär und auch mit Waffen.“ Kurz vor der Abreise des Kanzlers nach New York hatte die Bundesregierung weitere Waffen aus Bundeswehrbeständen zugesagt, darunter vier schwere Artilleriegeschütze vom Typ Panzerhaubitze 2000.
Scholz und Macron beklagen einhellig Rückkehr des Imperialismus
„Russlands Eroberungskrieg gegen die Ukraine ist durch nichts zu rechtfertigen. Präsident Putin führt ihn mit einem einzigen Ziel: sich der Ukraine zu bemächtigen“, sagte Scholz. Für das Agieren Russlands gebe es nur ein Wort: „Das ist blanker Imperialismus.“ Diese Rückkehr des Imperialismus sei nicht nur ein Desaster für Europa, sondern auch für die globale Friedensordnung.
Auch der französische Präsident Emmanuel Macron hatte zuvor in seiner Rede von einem Wiederaufleben des Imperialismus gesprochen. „Das, was wir seit dem 24. Februar erleben, ist eine Rückkehr zur Zeit der Imperialismen und der Kolonien“, sagte er. Dieser Imperialismus nehme „die Form einer territorialen Invasion an, angelehnt an einen hybriden und globalisierten Krieg, der den Energiepreis, die Lebensmittelsicherheit, die Atomsicherheit, den Zugang zu Informationen und die Bewegungen der Bevölkerung als Waffen der Spaltung und der Zerstörung verwendet“.
Mahnung an China: UN-Empfehlungen zu Uiguren umsetzen
Nur kurz ging der Kanzler in seiner Rede auf China ein. Er forderte Peking auf, die Empfehlungen des UN-Menschenrechtsbüros zur Lage der Uiguren in Xinjiang umzusetzen. „Das wäre ein Zeichen von Souveränität und Stärke. Und ein Garant für Veränderung zum Besseren.“.
Anfang September hatte das UN-Menschenrechtsbüro Anzeichen für Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Xinjiang beschrieben. Die Regierung in Peking reagierte mit Empörung auf die Veröffentlichung. In Xinjiang gibt es schon lange Spannungen zwischen den herrschenden Han-Chinesen und ethnischen Minderheiten. Uiguren beklagen kulturelle und religiöse Unterdrückung, während Peking uigurischen Gruppen Extremismus und Separatismus vorwirft.
Bewerbung um ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat erneuert
Scholz appellierte in seiner Rede eindringlich an die Weltgemeinschaft, die UN-Charta - das Regelwerk der Vereinten Nationen - zu schützen. „Diese Charta ist unsere kollektive Absage an eine regellose Welt.“
Der Kanzler forderte aber auch institutionelle Reformen und erneuerte die deutsche Bewerbung um einen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat. Deutschland sei bereit, größere Verantwortung zu übernehmen - zunächst als eines der zehn wechselnden Mitglieder in den Jahren 2027 und 2028, perspektivisch aber auch als ständiges Mitglied des Rats, sagte er. „Ich bitte Sie, unsere Kandidatur zu unterstützen - die Kandidatur eines Landes, das die Prinzipien der Vereinten Nationen achtet, das Zusammenarbeit anbietet und sucht.“
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Der Sicherheitsrat ist das wichtigste Gremium der Vereinten Nationen und für Konfliktlösung und Friedenssicherung zuständig. Ihm gehören 15 der 193 UN-Mitgliedstaaten an. Fünf Atommächte sind ständig dabei und haben Vetorecht bei allen Entscheidungen: die USA, China, Russland, Großbritannien und Frankreich. Einige der anderen 188 Mitgliedstaaten wechseln sich auf den anderen zehn Sitzen alle zwei Jahre ab.
Seit Jahren gilt das Gremium wegen gegenseitiger Blockaden der USA, Chinas und Russlands in zentralen Fragen als weitgehend handlungsunfähig. Und seit Jahrzehnten wird über eine grundlegende Reform des Sicherheitsrats diskutiert, ohne dass es Fortschritte gibt. (dpa)