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Anti-Deutschland-Wahlkampf in PolenSkurriler Streit um Deutschland-Fähnchen in polnischer TV-Show

Lesezeit 4 Minuten
ILLUSTRATION - Nach der Unterzeichnung des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen über die Zusammenarbeit der Polizei-, Grenz- und Zollbehörden durch den deutschen Botschafter in Polen und dem deutschen,- sowie den polnischen Innenministern, stehen am 15.05.2014 ein deutsches und eine polnisches Fähnchen auf dem Tisch der Unterzeichnung im Kulturhaus in Zgorzelec (Polen). Foto: Arno Burgi/dpa ++ +++ dpa-Bildfunk +++

Ein deutsches und eine polnisches Fähnchen auf einem Tisch. Im Wahlkampf in Polen kommt es zu vielen anti-deutschen Tönen. (Archivbild)

Deutschland ist ein großes Thema im polnischen Wahlkampf. Das sorgt für scharfe Worte an Kanzler Scholz – und absurde Szenen im TV.

Der Wahlkampf in Polen treibt immer schrillere Blüten: In einer TV-Talkshow versuchte nun der stellvertretende Klimaminister, Jacek Ozdoba, dem Oppositionsabgeordneten Robert Kropiwnicki ein deutsches Fähnchen auf den Schreibtisch zu stellen. Der Politiker-Kollege wollte die kleine Flagge jedoch nicht haben. Schließlich liefen die beiden Männer mehrfach hin und her und versuchten das Fähnchen jeweils beim Gegenüber unterzubringen.

Polen: Schriller Anti-Deutschland-Wahlkampf

Die Szene sorgt seitdem für viel Belustigung in den sozialen Netzwerken. Der Moderator des Senders TVP beendete das Schauspiel schließlich – und brachte die schwarzrotgoldene Flagge außer Sichtweite. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wird derweil eine „Einmischung“ in den Wahlkampf des Nachbarlands vorgeworfen.

Dort wird am 15. Oktober gewählt – und eine besondere Nähe zu Deutschland ist vor allem bei Politikern der rechtspopulistischen Regierungspartei PiS ein gebräuchlicher Vorwurf, um die politische Konkurrenz um die Wählergunst zu bringen.

„Ich werde eine Flagge für Sie aufstellen, damit Sie sich identifizieren können“, hatte der stellvertretende Klimaminister Ozdoba (PiS) bei seiner Aktion erklärt und Kropiwnicki von der liberalkonservativen Bürgerplattform „Oikophobie“ vorgeworfen, was so viel wie „Ablehnung der Heimat“ bedeuten soll.

Warme Worte für Deutschland – und prompt Kritik aus Polen

Es ist nicht das einzige Mal, dass Deutschland im polnischen Wahlkampf eine Rolle spielt. Als der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in der letzten Woche bei der UN-Generalversammlung einen ständigen Sitz für Berlin im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen forderte, kam prompt Widerspruch aus Warschau.

Aus polnischer Sicht sei der ukrainische Vorstoß „ziemlich seltsam“ und „eine große Enttäuschung“, sagte Verteidigungsminister Mariusz Blaszczak dem öffentlich-rechtlichen polnischen Rundfunk.

Polnischer Außenminister schießt gegen Olaf Scholz

Am Sonntagabend äußerte dann der polnische Außenminister Zbigniew Rau scharfe Kritik an Olaf Scholz, nachdem der Bundeskanzler Vorwürfe über einen Handel mit Schengen-Visa in Polen kommentiert hatte.

„Die jüngste Äußerung von Bundeskanzler Olaf Scholz verstößt gegen die Grundsätze der souveränen Gleichheit der Staaten, die die Grundlage gutnachbarlicher Beziehungen und freundschaftlicher Zusammenarbeit mit Polen sind“, erklärte Rau in scharfen Worten.

„Ich appelliere an den deutschen Bundeskanzler“

„Die Zuständigkeit des deutschen Bundeskanzlers betrifft offensichtlich nicht das laufende Verfahren in Polen“, monierte der Außenminister und warf Scholz zudem eine „Einmischung in den Wahlkampf“ in Polen vor. „Ich appelliere an den deutschen Bundeskanzler, die Souveränität Polens zu respektieren“, hieß es weiter.

Scholz hatte zuvor bei einer SPD-Wahlkampfveranstaltung in Bayern am Samstag die möglichen Unregelmäßigkeiten bei Visavergaben im Nachbarland kommentiert und Aufklärung in der Sache gefordert. Wer in Polen ankomme, müsse „dort registriert werden und dort ein Asylverfahren“ durchlaufen, sagte Scholz und kündigte Gespräche mit Warschau an.

Handel mit Schengen-Visa: Schwere Vorwürfe gegen polnische Regierung

Der PiS-Regierung wird vorgeworfen, in den letzten drei Jahren einen schwunghaften Handel mit Schengen-Visa betrieben zu haben. „Es ist einer der größten Skandale dieses Jahrhunderts“, hatte der polnische Oppositionsführer Donald Tusk von der Bürgerplattform kürzlich erklärt.

Polnische Konsulate in Asien und Afrika sollen zwischen 250.000 und 350.000 Arbeitsvisa ausgestellt haben – dabei sollen Schmiergelder an Schleuser und Regierungsbeamte geflossen sein. Im Zentrum der Vorwürfe stehen Außenminister Rau und sein mittlerweile entlassener Stellvertreter Piotr Wawrzyk.

PiS-Parteichef Jaroslaw Kaczynski wies die Vorwürfe unterdessen zurück, es habe sich „lediglich um einige hundert Visa“ gehandelt, erklärte der Politiker. EU-Innenkommissarin Ylva Johansson hatte bereits in der letzten Woche eine rückhaltlose Aufklärung der Vorwürfe von Polen gefordert. Die polnische Antikorruptionsbehörde CBA hat Ermittlungen aufgenommen. Drei Personen wurden bereits verhaftet.

Wahlkampf in Polen: „Vielleicht steht das V im Namen doch für Verschwörungstheorien“

Der Anti-Deutschland-Wahlkampf setzte sich am Montag unterdessen auch in den polnischen Medien fort. Eine Korrespondentin des staatlichen Senders TVP berichtete auf X, in Brüssel würde das Gerücht kursieren, dass Deutschland und Frankreich der Ukraine einen schnellen EU-Beitritt versprochen hätten, wenn Kiew im Gegenzug dabei helfe, die aktuelle Regierung in Warschau zu stürzen.

„Vielleicht steht das V im Namen des polnischen staatlichen Senders TVP wohl doch für Verschwörungstheorien – zumindest seit 2015“, kommentierte der Osteuropa-Experte Thomas Dudek die Behauptung auf X. Seit 2015 ist die Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) in Warschau an der Macht.