Berlin – Mehr Stellen, attraktivere Arbeitsbedingungen, Hilfen bei der Betreuung zu Hause: Mit einem Milliardenpaket will die große Koalition die Personalnot in der Pflege lindern. Der Bundestag beschloss am Freitag ein Gesetzesvorhaben von Gesundheitsminister Jens Spahn, das unter anderem 13.000 zusätzliche Stellen in der Altenpflege vorsieht. Damit werde das Versprechen an alle Pflegekräfte in Deutschland eingelöst, ihren Berufsalltag konkret zu verbessern, sagte der CDU-Politiker. In der Alten- und Krankenpflege sind rund 35 000 Stellen für Fachkräfte und Helfer unbesetzt.
Ab 1. Januar 2019 könnten Krankenhäuser und stationäre Einrichtungen neues Pflegepersonal einstellen, sagte Spahn. Das Gesetz sei „ein ganz wichtiges Zeichen für die Pflege“, aber auch nur ein Anfang. Weitere Schritte sollten folgen. Die SPD-Gesundheitspolitikerin Sabine Dittmar sprach von einem „guten Tag für die Pflege“.
Ein generelles Problem ist, neue Stellen tatsächlich zu besetzen. Seit Längerem wird daher auch dafür geworben, Teilzeitkräfte in volle Stellen zu bringen und Aussteiger zurückzugewinnen. Wesentliche Punkte des Programms:
Altenpflege
Damit in allen 13.000 Einrichtungen etwas ankommen kann, sollen auch 13.000 neue Stellen möglich gemacht werden. Wie viele es konkret sind, hängt von der Größe ab: Bei bis zu 40 Bewohnern soll es eine halbe Pflegestelle extra geben, bei 41 bis 80 eine Stelle, bei 81 bis 120 Bewohnern 1,5 Stellen und bei größeren Einrichtungen zwei Stellen. Bezahlen sollen dies die gesetzlichen Krankenkassen – ohne Beteiligung der Pflegebedürftigen, wie das Ministerium hervorhebt.
Krankenpflege
Für Krankenhäuser sollen Anreize kommen. So sollen die Krankenkassen jede aufgestockte Pflegestelle künftig komplett bezahlen. Tarifsteigerungen für Pflegekräfte bekommen die Kliniken bereits ab diesem Jahr ebenfalls voll von den Krankenkassen finanziert. Auch Auszubildenden-Vergütungen im ersten Jahr sollen die Krankenkassen künftig voll und nicht nur anteilig übernehmen.
Arbeitsbedingungen
Um den oft belastenden Arbeitsalltag zu entzerren, sollen sich Pflegekräfte weniger mit Bürokratie aufhalten müssen. Die Anschaffung digitaler Lösungen für Dokumentationen oder Abrechnungen soll mit bis zu 12 000 Euro bezuschusst werden. Für die betriebliche Gesundheitsförderung in Kliniken und Heimen gibt es 70 Millionen Euro pro Jahr zusätzlich. Da Pfleger oft Schicht-, Wochenend- und Nachtdienste machen, soll eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf gefördert werden.
Pflege zu Hause
Taxifahrten zum Arzt sollen für Pflegebedürftige ab Pflegegrad 3 und Menschen mit Behinderungen einfacher werden. Statt wie bisher erst eine Genehmigung der Krankenkasse einzuholen, sollen sie künftig mit der ärztlichen Verordnung als genehmigt gelten. Angehörige, die zur Kur in eine Reha-Klinik gehen wollen, sollen ein pflegebedürftiges Familienmitglied parallel in derselben Einrichtung betreuen lassen können. Die Kassen müssen künftig auch für ambulante Krankenpflegedienste Tariflöhne als wirtschaftlich akzeptieren.
Reaktionen
Der Sozialverband VdK nannte das Gesetz einen „ersten Schritt“, der aber nicht ausreiche. Gebraucht würden wesentlich mehr Pflegekräfte. Die FDP-Expertin Nicole Westig sagte im Bundestag: „Personal, das gestärkt werden soll, muss erst einmal vorhanden sein.“ Die Gewerkschaft Verdi erklärte, Protestd hätten die Personalnot zum Top-Thema gemacht. Mit dem neuen Gesetz springe die Politik aber zu kurz.
Sozialbeiträge
Spahn fordert über das Pflegepaket hinaus, dass Kinderlose deutlich mehr in die Pflege- und Rentenversicherung einzahlen als Eltern mit Kindern. DAs sei eine Frage der Gerechtigkeit. „Eltern ziehen künftige Beitragszahler groß und sichern das System so für die Zukunft.“
Spahn bezeichnete sich selbst als einen „Kinderlosen, der bereit ist, finanziell mehr zur Zukunftsfähigkeit des Systems beizutragen“, das in eine finanzielle Schieflage geraten sei. Eltern hingegen müssten abhängig von der Zahl ihrer Kinder von Einzahlungen in die Rentenkasse entlastet werden. Gleiches gelte für die Pflegeversicherung. Der Beitragssatz für diese liegt für Kinderlose bereits 0,25 Prozentpunkte höher als für Versicherte mit Kindern. Dieses Grundprinzip sei richtig und vorbildlich. „Aber auch da ginge mehr“, schrieb Spahn. (dpa/epd)