Der Vatikan legt Vorschläge für ein neues Papstverständnis vor, die das katholische Oberhaupt zum Ehrenoberhaupt anderer christlicher Kirchen machen könnten. Ziel ist eine stärkere Einheit der Christen.
Positive ReaktionenVatikan macht Vorschläge für ein Papstamt für alle Kirchen
Der Vatikan hat Vorschläge für ein neues Verständnis des Papstamtes gemacht. Danach könnte das Oberhaupt der Katholiken künftig von anderen christlichen Kirchen als Ehrenoberhaupt akzeptiert werden. Die Vorschläge hatten der für die Ökumene zuständige Kurienkardinal Kurt Koch und der Generalsekretär der Weltbischofssynode, Kardinal Mario Grech, in Rom vorgestellt. Die ersten Reaktionen fielen überwiegend positiv aus.
Die unter dem Titel „Der Bischof von Rom“ gesammelten Orientierungen sind Ergebnis jahrzehntelanger theologischer Dialoge, die verschiedene Kirchen jeweils separat mit dem Vatikan geführt haben. Das Papier, das von Papst Franziskus genehmigt wurde, schlägt für die katholische Kirche weitreichende Änderungen vor. Ein neues Verständnis und eine andere Ausübung des Papstprimats sollen demnach „zur Wiederherstellung der Einheit der Christen beitragen“.
Die erste Änderung betrifft eine neue Lesart der Lehren des Ersten Vatikanischen Konzils. Dieses hatte 1870 die dogmatische Unfehlbarkeit des Kirchenoberhaupts verkündet. Zudem hatte es den Papst zum obersten Gesetzgeber und Richter der gesamten christlichen Kirche erklärt. Die damaligen Beschlüsse sollen nun, so das Papier, in die neuere Theologie integriert werden, die die Kirche nicht mehr als Monarchie, sondern als Gemeinschaft versteht. Zudem sollten sie dem „heutigen kulturellen und ökumenischen Kontext angepasst werden“.
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Regelmäßige Treffen der Konfessionen
Zum Zweiten fordert das Papier eine klare Trennung zwischen den unterschiedlichen Verantwortungsbereichen des Papstes. Dazu müsse er sein örtliches Bischofsamt in Rom sichtbarer ausüben. Auch müsse geklärt werden, inwiefern er als „Patriarch des Westens“ in bestimmten Fragen mit den Kirchen des Ostens auf einer Stufe stehen könne, während er in anderen den „Primat der Einheit in der Gemeinschaft der westlichen wie der östlichen Kirchen“ innehabe.
Der dritte Vorschlag betrifft die Verfassung der katholischen Kirche. Diese müsse im Inneren weiter in Richtung einer „Synodalität“, also einer gemeinsamen Beratung und Beschlussfassung, gehen. Dazu gehöre ein Nachdenken über die Autorität der nationalen Bischofskonferenzen und die Frage, welche Stellung diese künftig im Geflecht der Weltsynode und der Römischen Kurie einnehmen sollen.
Schließlich regt der Text eine neue globale Beratungsebene mit regelmäßigen Treffen der Kirchenführer unterschiedlicher Konfessionen an. Damit solle die bestehende Gemeinschaft unter ihnen vertieft und nach außen sichtbarer gemacht werden. Das Papier enthält auch Vorschläge zur künftigen ökumenischen Rolle des Papstes. So solle er konfessionsübergreifende Konzilien einberufen können. Bei Disziplinar- oder Lehrkonflikten könnte er die Rolle eines Mediators übernehmen.
Überwiegend positive Resonanz
Nach der Vorstellung des Dokuments sagte der Vertreter der Armenisch-Apostolischen Kirche in Rom, Erzbischof Khajag Barsamian, das Papier werde von jetzt an ein Referenzpunkt für alle Gespräche sein. Für die Kirche von England sprach der anglikanische Erzbischof Ian Ernest von einem großen Erfolg. Das Papier eröffne neue Perspektiven für die Beziehungen unter den Kirchen. Ein Sprecher der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) erklärte, es sei grundsätzlich zu begrüßen, dass der Vatikan das Papstamt „in stärker ökumenisch verbindender Weise“ denken wolle. Die katholischen Bischöfe Deutschlands würdigten den Text als „wichtigen Impuls für den ökumenischen Dialog“. Der Vorsitzende der Ökumenekommission der Bischofskonferenz, Gerhard Feige, erklärte, er erwarte „eine neue Dynamik“ für die ökumenische Diskussion.
Offen ist bislang allerdings, wie die vatikanischen Vorschläge kirchenrechtlich umgesetzt werden sollen. Der Papst könnte einige davon durch Kirchengesetze in Kraft setzen. Andere bedürften vermutlich der Zustimmung eines Dritten Vatikanischen Konzils. (kna)