Einigen sich Regierung, Opposition und Länder noch auf Maßnahmen gegen die ungeregelte Migration? An der Ampel werde es nicht scheitern, sagt der Kanzler. Aber die Differenzen mit der Union bleiben.
ZDF-SommerinterviewScholz zeigt sich in Migrationsdebatte kompromissbereit
Vor möglichen neuen Migrationsberatungen von Regierung, Opposition und Ländern geht Bundeskanzler Olaf Scholz auf die Union zu. Im ZDF-Sommerinterview griff er deren Forderung nach Kontrollen und Zurückweisungen an den Grenzen auf. „Wir haben schon Zurückweisungen an der Grenze, wir haben schon Grenzkontrollen, und ein effektives Grenzmanagement ist etwas, was wir gern weiter und auch mit Unterstützung der Opposition ausbauen wollen.“
Zuvor hatte der SPD-Politiker bei einem Bürgergespräch im brandenburgischen Teltow bereits gesagt: „An uns wird es nicht liegen, wenn es nicht klappt.“ Und: „Ich hoffe, dass es klappt, weil es gut wäre für die Gesellschaft und den Frieden.“
Scholz kündigt „gute Vorschläge“ an
Ein neues Migrationsgespräch ist für diesen Dienstag ins Auge gefasst. CDU-Chef Friedrich Merz hat allerdings erklärt, dass die Vertreter der Union daran nur teilnehmen werden, wenn die Ampel-Koalition sofortige Kontrollen und Zurückweisungen an den Grenzen zusagt. Dies tat Scholz im ZDF-Sommerinterview nicht direkt, er kündigte aber an: „Es wird gute Vorschläge geben, (...), die alle sich im Rahmen der europäischen Gesetze, der internationalen Verträge und unseres Grundgesetzes bewegen.“
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Ampel will Sicherheitsgesetz schnell verabschieden
Vor der neuen Gesprächsrunde legte die Koalition einen Gesetzentwurf zur Umsetzung ihres Sicherheitspaktes vor. „Wir haben geliefert“, sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) der Deutschen Presse-Agentur in Berlin mit Blick auf den Gesetzentwurf, der nur gut eine Woche nach der Ankündigung des Sicherheitspaketes fertig wurde. „Wir sorgen für mehr Schutz vor islamistischem Terror, striktere Abschiebungen von Gewalttätern, Messerverbote und Gesichtserkennung von Straftätern.“
Die Ampel-Koalition will das Gesetz, mit dem sie auf den islamistisch motivierten Terroranschlag von Solingen mit drei Toten und acht Verletzten reagiert, nun schnell durch den Bundestag bringen - und damit auch vor der Landtagswahl am 22. September in Brandenburg Handlungsfähigkeit signalisieren.
Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) hält eine erste Beratung im Bundestag schon in dieser Woche für möglich. „Jetzt liegt es in den Händen des Parlaments, all das schnell auf den Weg zu bringen“, sagte er. „Ich werbe weiter für hohes Tempo.“
Union fordert weitergehende Schritte
Die CDU/CSU-Opposition hatte bereits bei der Präsentation des Sicherheitspaketes Ende August deutlich gemacht, dass sie die geplanten Maßnahmen für unzureichend hält. Der stellvertretende Unions-Fraktionschef Jens Spahn beharrte im Deutschlandfunk jetzt nochmals auf Grenzkontrollen und Zurückweisungen. „Wir können und müssen unsere Grenze schützen“, sagte er. Dass Zurückweisungen an der Grenze möglich seien, sei im Grunde weitgehend unstrittig. „Es ist eine Frage des politischen Willens.“
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) forderte die Union am Rande eines Besuchs im griechischen Thessaloniki zu einem „soliden“ Kurs in der Migrationspolitik auf.
Söder will drastische Reduzierung der Asylzahlen
CSU-Chef Markus Söder sagte im „Bericht aus Berlin“ der ARD, mit den Forderungen der Union ließen sich die Flüchtlingszahlen „dramatisch und drastisch senken“. Die Zahl der Asylerstanträge müsse „deutlich auf weit unter 100.000 auf Dauer reduziert werden, weil wir tatsächlich überfordert sind“. Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner sagte dazu in derselben Sendung: „Die Zahl kann ich mir zu eigen machen.“
Steinmeier ruft Parteien zu Kompromissbereitschaft auf
Mit Blick auf diese möglicherweise entscheidende Woche für die Migrationsberatungen rief Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier alle Beteiligten zur Kompromissbereitschaft auf. Er verfolge die andauernden Migrationsgespräche mit der Erwartung einer Verständigung zwischen Regierung und größter Oppositionspartei, sagte er in Berlin.
„Ich bin überzeugt, dass es an den Parteien der demokratischen Mitte ist, Lösungen für Fragen zu erarbeiten, die viele Bürgerinnen und Bürger umtreiben“, betonte Steinmeier. „Es bedarf einer gesamtstaatlichen Anstrengung - über Parteigrenzen und staatliche Ebenen hinweg.“
Sicherheitspaket enthält Bündel von Maßnahmen
Die Ampel-Regierung will unter anderem die Leistungen für Asylbewerber streichen, für deren Verfahren ein anderer europäischer Staat zuständig ist und der einer Rücknahme der Betroffenen zustimmt. Sie will Flüchtlinge, die eine Straftat mit einer Waffe oder einem anderen gefährlichen Werkzeug begangen haben, einfacher ausweisen. Migranten, die Straftaten begehen, sollen leichter vom Schutz in Deutschland ausgeschlossen werden können. Seinen Schutzstatus soll auch verlieren, wer ohne einen triftigen Grund in sein Heimatland zurückkehrt, etwa für einen Urlaub.
Zur Erhöhung der Sicherheit ist vorgesehen, den Umgang mit Messern im öffentlichen Raum weiter einzuschränken. Ein generelles Messerverbot soll im Fernverkehr mit Bussen und Bahnen, auf Volksfesten und bei anderen Großveranstaltungen gelten. Zudem soll ein Verbot für Springmesser kommen - mit Ausnahmen zum Beispiel für Jäger.
Vorgesehen ist auch, die Befugnisse der Sicherheitsbehörden im Kampf gegen den Islamismus auszuweiten. So sollen Ermittlungsbehörden künftig öffentlich zugängliche Bilder biometrisch mit den Fotos von Tatverdächtigen oder gesuchten Personen abgleichen dürfen. Diese Gesichtserkennung soll das Identifizieren von gesuchten Personen erleichtern.
Einbringen des Gesetzentwurfes durch Fraktionen
Der Gesetzentwurf aus dem Innenministerium ging als Formulierungshilfe an die drei Ampel-Fraktionen. Diese übernehmen solche Formulierungshilfen üblicherweise und bringen sie dann als eigenen Gesetzentwurf in den Bundestag. Manchmal nehmen sie vorher noch Änderungen vor. Dieser Weg wird zur Beschleunigung des Verfahrens gewählt. Nach dem Grundgesetz müssen Vorlagen der Bundesregierung zunächst dem Bundesrat zugeleitet werden. Dieser Schritt entfällt bei Vorlagen von Fraktionen. (dpa)