NRW plant, die Nationalität von Tatverdächtigen künftig öffentlich bekannt zu geben, um mehr Transparenz zu schaffen. Die Grünen gehen auf Distanz.
Erlass von ReulNRW nennt künftig Nationalitäten von Tatverdächtigen
NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) will die Nationalität von Tatverdächtigen künftig grundsätzlich öffentlich machen. Aktuell werde der Medienerlass für die Polizei in Nordrhein-Westfalen überarbeitet, erklärte ein Ministeriumssprecher am Montag auf Anfrage. Ziel sei es, die Nennung der Herkunft von zweifelsfrei identifizierten Tatverdächtigen klarer zu regeln. Es gehe dabei um mehr Transparenz.
„Die Nennung der Nationalität im Kontext einer Straftat ist erfahrungsgemäß auch immer häufiger Teil von journalistischen Nachfragen. Zudem will die Polizei NRW Spekulationen vorgreifen sowie dem Vorwurf, etwas verschweigen zu wollen, entgegentreten“, so Reuls Sprecher.
Bisher war es den Kreispolizeibehörden freigestellt, wie sie mit der Nennung der Nationalitäten von Tatverdächtigen umgehen. Eine Art Vetorecht behält auch weiterhin die Staatsanwaltschaft. Reul lässt seit Jahren durchblicken, dass er den Medienerlass der NRW-Polizei von 2011 für nicht mehr zeitgemäß hält. Im Einklang mit dem Pressekodex soll nach dieser Maßgabe die Zugehörigkeit von Verdächtigen zu ethnischen oder religiösen Minderheiten in der Regel nicht erwähnt werden - „es sei denn, es besteht ein begründetes öffentliches Interesse“.
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Reul: Ankündigung schon 2019
Erstmals nach den Düsseldorfer „Rheinbad“-Krawallen 2019, an denen vorwiegend Jugendliche mit Migrationshintergrund beteiligt waren, kündigte Reul mehr Transparenz an. Er wolle so „politischer Bauernfängerei“ von Rechtspopulisten begegnen. Ein neuer Medienerlass wurde damals in der schwarz-gelben Koalition jedoch von Justizminister Peter Biesenbach (CDU) und Vize-Regierungschef Joachim Stamp (FDP) ausgebremst.
Nun hat sich Reul innerhalb der schwarz-grünen Landesregierung offenbar durchgesetzt, auch wenn Grünen-Innenexpertin Julia Höller am Montag wenig begeistert reagierte: „Die bisherige Regelung, im Einzelfall über die Veröffentlichung der Nationalität zu entscheiden, halte ich weiterhin für klug“, sagte sie unserer Redaktion. Die Nationalität sei selten ausschlaggebend für eine Straftat. „Sollte sie es sein beziehungsweise gibt es ein höheres öffentliches Interesse, soll und kann sie schon heute genannt werden“, so Höller.
Lob kam derweil vom Landeschef der Jungen Union (JU), Kevin Gniosdorz: „Der Rechtspopulismus lebt von Verschwörungsmythen und Vorwürfen wie ,Lügenpresse„ oder dass die Regierung unliebsame Themen verschweige. Wer intransparent agiert, liefert ihnen dafür immer neue Nahrung.“ Es sei gut, dass Reul die Nennung der Nationalität einheitlich regele und nicht mehr dem einzelnen Polizisten aufbürde, so Gniosdorz. Als nächster Schritt sei es wichtig, bei Doppelstaatlern unter Tatverdächtigen alle Nationalitäten zu nennen, sagte der JU-Vorsitzende.
Nennung von Nationalitäten: Das sagt der Presserat
Auf Nachfrage der „Kölnischen Rundschau“ bezieht Manfred Protze vom Deutschen Presserat Stellung: Im Grunde handele es sich um eine Wiederbelebung der Debatte nach den Vorkommnissen in der Silvesternacht am Kölner Hauptbahnhof. „Wir sind nach wie vor überzeugt von unserer Linie, dass es die Pflicht der Medien ist, Tendenzen in der Berichterstattung zu verhindern, dass Nationalitäten oder Glaubensrichtungen für Straftaten Einzelner in Sippenhaft genommen werden.“ Dabei müsse jeder Fall einzeln bewertet werden, so Protze weiter. „Das öffentliche Interesse an Berichterstattungen darf keinesfalls mit der alltäglichen menschlichen Neugier verwechselt werden.“ Somit sei laut Auffassung des Presserates bei einfachem Ladendiebstahl im Normalfall kein öffentliches Interesse an der Nationalität gegeben. Anders sehe es zum Beispiel bei Fällen der organisierten Kriminalität aus.
Protze weist zudem auf neue Herausforderungen im Zeitalter der Sozialen Medien hin: „Weil Polizeistellen mittlerweile Informationen zu Kriminalfällen nicht nur an Redaktionen schicken, sondern auch im Netz verbreiten, gerät die Presse hier oft unter Erklärungsdruck. Leserinnen und Leser wollen wissen, warum Zeitungen Nationalitäten nicht nennen, obwohl sie in Social-Media-Kanälen zu lesen sind.“ Der Presserat empfehle daher Redaktionen, sich zu überlegen, ihre Vorgehensweise, Nationalitäten oder Religionszugehörigkeiten zu benennen oder nicht, regelmäßig zu thematisieren und zu erläutern.
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