Müncheberg – Das milde Winter-Wetter lockt die ersten Mücken ins Freie. Und die ausgehungerten Weibchen stechen, um Blut nachzutanken.
„Ab 6 bis 7 Grad tagsüber sind Stechmücken unterwegs, die auf Dachböden, in Kellern, Baumhöhlen oder in Brennholzstapeln überwintert haben”, sagte Doreen Werner, Biologin am Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) in Müncheberg bei Berlin.
Der Klimawandel macht sich laut Werner auch bei Mücken bemerkbar. Zur Eiablage und damit zur Vermehrung benötigten die weiblichen Tiere feuchte Brutplätze. „Die zwei vergangenen, trockenen Jahre waren arm an Stechmücken. Gerade Arten, die auf Überflutungsflächen brüten, hatten schlechte Karten”, sagte sie. Egal, wie viele Mücken die Winter überlebt hätten, entscheidend seien die Witterungsverhältnisse im Frühjahr.
Hausmücken würden meist im April mit der Eiablage beginnen. Trotz der jüngsten Niederschläge sind demnach auch aktuell kaum potenzielle Brutplätze wie Pfützen, gefüllte Regentonnen oder Blumenvasen zu finden. „Selbst Feldsölle und Waldtümpel sind zum Teil komplett ausgetrocknet, weil das Wasser sofort versickert.”
Diese Entwicklung sei alarmierend. „Auch wenn wir Menschen froh sind, wenn uns keine Mücken piesacken, sind sie doch wichtig als Nahrung für Vögel, Fledermäuse oder andere Insekten”, sagte die Expertin.
Das bestätigte auch Manuela Brecht vom Landesverband Brandenburg des Naturschutzbundes Deutschland (NABU). Libellen und auch Fische würden sich von Mückenlarven ernähren. Aufgrund der Trockenheit fehle diese Nahrungsquelle und bedinge unter anderem das Insektensterben.
Der Klimawandel führt offenbar zu einer weiteren, gefährlichen Entwicklung: Im vergangenen Jahr wurden nach Angaben des Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI) in Deutschland mehrere Menschen mit dem ursprünglich aus Afrika stammenden West-Nil-Virus infiziert.
„Als Überträger wurden heimische Stechmücken identifiziert. Sie saugen Blut sowohl bei Vögeln, als auch bei anderen Wirbeltieren und dem Menschen. So können sie das Virus von einer Spezies auf die andere übertragen”, erläuterte Biologin Werner. Die eigentliche Tierseuche, die vor allem Vögel befällt, habe zu Erkrankungen auch bei Menschen geführt. „Die Krankheit zeigt keine eindeutigen Symptome und kann von leichter Übelkeit und Kopfschmerzen über Fieber bis hin zu schweren neurologischen Schäden variieren”, sagte sie. Je wärmer es sei, umso schneller könne sich das Virus in der Mücke vermehren. „Wir gehen davon aus, dass sich das West-Nil-Virus über Mücken in diesem Jahr weiter in Deutschland ausbreitet”, sagte die Biologin, die eng mit Wissenschaftlern des FLI zusammenarbeitet.
In Hinblick auf die Klimaerwärmung werde die Thematik „Stechmücken als Krankheitsüberträger” zu einem dauerhaften Problem in Deutschland, schätzte sie. Eine Rolle spielten dabei auch exotische invasive Arten, die sich weiter ausbreiten und tropische Erreger wie Zika- oder Dengue-Virus übertragen könnten, sagte die Mückenexpertin.
Belege für eine weitere Etablierung dieser Arten liefere unter anderem der Mückenatlas, ein seit 2012 im Aufbau befindliches Internet-Portal zur Verbreitung von Mückenarten. Jeder kann in seinem Wohnbereich vorkommende Mücken einfangen und an das ZALF schicken. Dort wird die Art bestimmt und kartiert.
Die Asiatische Tigermücke etabliert sich demnach von Süden aus. Populationen in Bayern und Baden-Württemberg nehmen zu. Die Asiatische Buschmücke ist lediglich in Sachsen, Brandenburg Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein noch nicht angekommen. Und Aedes koreicus, auch Koreanische Buschmücke genannt, hat sich in Augsburg und Wiesbaden etabliert.
Im vergangenen Jahr haben Bürger mehr als 14.700 gefangene Exemplare nach Müncheberg geschickt. „Angesichts des eher mückenfeindlichen Wetters 2019 ist das beachtlich”, sagte Werner. Sie bestimmt derzeit die eingesandten Funde und trägt sie in den virtuellen Atlas ein. (dpa)