AboAbonnieren

MinisterpräsidentenkonferenzBund und Länder nach langem Streit einig bei Flüchtlingskosten

Lesezeit 3 Minuten
07.11.2023, Berlin: Bundeskanzler Olaf Scholz (M, SPD) äußert sich zusammen mit Boris Rhein (l, CDU), Ministerpräsident von Hessen, und Stephan Weil (SPD), Ministerpräsident von Niedersachsen, bei einer Pressekonferenz nach dem Bund-Länder-Gipfel im Bundeskanzleramt. Die Hauptthemen des Treffens der Bundesregierung mit der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) waren die stärkere Steuerung der Migration, die Finanzierung der Betreuung von Flüchtlingen, der Pakt für Planungsbeschleunigung und die Zukunft des Deutschlandtickets. Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Bundeskanzler Olaf Scholz (M, SPD) äußert sich zusammen mit Boris Rhein (l, CDU), Ministerpräsident von Hessen, und Stephan Weil (SPD), Ministerpräsident von Niedersachsen, bei einer Pressekonferenz nach dem Bund-Länder-Gipfel im Bundeskanzleramt.

Kanzler Olaf Scholz (SPD) gibt am frühen Dienstagmorgen in Berlin zum Abschluss der Ministerpräsidentenkonferenz eine Einigung bekannt.

Stundenlang haben Bund und Länder im Kanzleramt über den Kurs in der Migrationspolitik gerungen. Sie einigten sich in der Nacht zum Dienstag schließlich auf ein neues Finanzierungssystem zur Versorgung Geflüchteter und vereinbarten Leistungskürzungen für Asylbewerber. Die Beschlüsse des Migrationsgipfels von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und der 16 Ministerpräsidentinnen und -präsidenten im Überblick:

„Atmendes System“ zur Flüchtlingsfinanzierung

Anstatt jedes Jahr neu über die milliardenschwere Beteiligung des Bundes zu verhandeln, beschlossen beide Seiten nun eine Pauschale von 7500 Euro pro Geflüchtetem und Jahr. Dieses „atmende System“ trägt damit automatisch der Zahl der zu versorgenden Menschen Rechnung. Die Länder bezifferten den dadurch erwarteten Betrag im kommenden Jahr auf rund 3,5 Milliarden Euro pro Jahr. Sie hatten vor dem Treffen mit Kanzler Olaf Scholz (SPD) allerdings noch 10.000 Euro pro Flüchtling gefordert.

Leistungskürzungen für Asylbewerber

Asylbewerber sollen künftig sogenannte Analogleistungen in Höhe der Sätze der regulären Sozialhilfe erst nach 36 und nicht mehr nach 18 Monaten bekommen. Zudem sollen Leistungen wie Essen in staatlichen Unterkünften fortan auf Zahlungen angerechnet werden. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) schrieb im Online-Dienst X, vormals Twitter, dies könne zu Einsparungen in Höhe von einer Milliarde Euro führen. Dadurch würden „nicht nur Länder und Kommunen entlastet“. Es werde „auch die Anziehungskraft des deutschen Sozialstaats reduziert“.

Bezahlkarten statt Bargeld

Bund und Länder wollen für Geflüchtete Bezahlkarten einzuführen, mit sie Güter des täglichen Bedarfs bargeldlos einkaufen können. Dies würde Möglichkeiten für Asylbewerber einschränken, Geld zurück in ihre Heimatländer zu überweisen, was teils als Anreiz zur Flucht nach Deutschland gesehen wird. Die Länder sollen nun „bundeseinheitliche Mindeststandards“ für die Bezahlkarte ausarbeiten, der Bund will sie dabei unterstützen. Bis Ende Januar 2024 soll ein Modell zur Einführung stehen.

Gemeinnützige Arbeit

Möglichkeiten, Asylbewerber für gemeinnützige Arbeiten einzusetzen, sollen „in breiterem Maße genutzt werden“. Um dies einfacher zu machen, soll es eine Rechtsänderung geben. Denn bisher müssen die Behörden in solchen Fällen prüfen, dass diese Arbeiten „zusätzlich“ verrichtet werden - also sonst nicht oder nicht in diesem Umfang erfolgen können. Dieses Kriterium soll gestrichen werden.

Beschleunigung von Asylverfahren

Gemeinsames Ziel ist es laut Scholz, die Dauer von Asylverfahren auf sechs Monate samt Einspruch vor Gericht zu begrenzen. Laut Beschlusspapier soll der Anhörungstermin für Asylbewerber künftig „spätestens vier Wochen“ nach Antragsstellung erfolgen. Die behördliche Entscheidung über das Gesuch soll noch in der Erstaufnahmeeinrichtung erfolgen.

Prüfung von Asylverfahren in Drittstaaten

Vor allem die unionsgeführten Länder fordern, dass Asylverfahren künftig auch außerhalb Europas erfolgen sollen, etwa in Afrika. Scholz verwies hier erneut auf juristische Bedenken und auf Zweifel an der Umsetzbarkeit. Er sagte nun aber zu, diese Möglichkeit zu prüfen.

Mehr Abschiebungen durch Migrationsabkommen

Die Weigerung vieler Herkunftsländer, ihre Staatsangehörigen zurückzunehmen, sei „eine der größten Hürden“ für mehr Abschiebungen abgelehnter Asylbewerber, heißt es in dem Beschluss. Ziel müsse deshalb sein, mit solchen Ländern Migrationsabkommen zu schließen. Anreiz sollen dabei Angebote zur legalen Einwanderung von Arbeits- und Fachkräften sein. Die Gespräche über solche Vereinbarungen sollen nun „auf höchster Ebene intensiv vorangetrieben werden“. Die Bundesregierung will sich zudem dafür einsetzen, dass das EU-Türkei-Abkommen wiederbelebt wird.

Grenzkontrollen zu Nachbarländern

Die im Oktober eingeführten stationären Kontrollen an den Grenzen zu Polen, Tschechien und der Schweiz werden aufrechterhalten – laut Scholz „über lange Zeit“. Flüchtlinge, die aus anderen EU-Staaten nach Deutschland wollen, sollen möglichst direkt in diese zurückgeschickt werden. Deshalb sollen laut Beschluss Kontrollen bei Einverständnis des Nachbarstaats „bereits vor der deutschen Grenze durchgeführt und die dortigen Zurückweisungsmöglichkeiten genutzt“ werden. (afp)