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MigrationspolitikScholz lädt Opposition zu Gesprächen ein – und verpasst Merz einen Dämpfer

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Friedrich Merz (r.) und Olaf Scholz im Bundestag (Archivbild). Der CDU-Chef hat dem Bundeskanzler eine Zusammenarbeit angeboten.

Friedrich Merz (r.) und Olaf Scholz im Bundestag (Archivbild). Der CDU-Chef hat dem Bundeskanzler eine Zusammenarbeit angeboten.

Der Kanzler geht auf die Opposition zu. Merz’ Forderungen erteilte Scholz aber eine indirekte Absage. Habeck kritisierte den CDU-Chef scharf.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat baldige Gespräche mit der Union und Vertretern der Länder über Änderungen in der Migrationspolitik angekündigt. „Die Bundesregierung wird die nun nötigen Entscheidungen sehr zeitnah mit Vertretern der Länder und von CDU, CSU eingehend erörtern – genauso wie Vorschläge, die aus diesen Reihen eingebracht werden“, sagte Scholz am Mittwoch in Berlin.

Es sei „ein gutes Signal, wenn die größte Oppositionspartei in einer solchen für unser Land wichtigen Frage ihre Zusammenarbeit in Aussicht gestellt hat“, sagte Scholz bei einer Pressekonferenz mit dem britischen Premierminister Keir Starmer in Berlin. Er fügte hinzu: „Diese Bereitschaft ist willkommen.“ Die Federführung werde dabei bei Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) liegen.

Scholz reagierte mit seiner Ankündigung auf den Terroranschlag von Solingen – und einen Tag, nachdem er Oppositionsführer Friedrich Merz zu einem Gespräch im Kanzleramt getroffen hatte. Scholz' Strategie dabei scheint mehrgleisig zu sein: Mit seiner Einladung zeigt er sich offen und konsensorientiert. Gleichzeitig jedoch deutet nichts darauf hin, dass er Merz' Forderungen in der Sache nachgibt.

Merz selbstbewusst nach Kanzler-Treffen zur Migration

Nach seinem Gespräch mit dem Bundeskanzler hatte sich der CDU-Chef am Dienstag zuversichtlich gezeigt: Scholz werde seiner Einschätzung nach das Angebot einer Zusammenarbeit nicht ausschlagen, verkündete Merz auf einer Pressekonferenz. Offenbar sieht er die SPD nach dem Terroranschlag von Solingen politisch so unter Druck, eine Kehrtwende beim Thema Asyl und Abschiebungen zu vollziehen, dass er sich selbstbewusst zeigte.

Das Gespräch mit Scholz im Kanzleramt war bereits vor der Bluttat vereinbart worden, stand nun aber unter völlig neuen Voraussetzungen. Merz war mit scharfen Worten („Dem Bundeskanzler entgleitet mittlerweile das eigene Land“) und einem Forderungskatalog gekommen, den er am Wochenende in seinem E-Mail-Newsletter „MerzMail“ erhoben hatte.

So will der CDU-Chef unter anderem einen generellen Aufnahmestopp von Flüchtlingen aus Syrien und Afghanistan durchsetzen. Asylsuchende sollten bereits an der deutschen Grenze zurückgewiesen werden. Abschiebungen solle es auch nach Syrien und Afghanistan geben, forderte Merz weiter.

Olaf Scholz erteilt Asyl-Forderungen von Merz indirekt eine Absage

Der Bundeskanzler erteilte diesen Forderungen allerdings bereits am Dienstagabend einen Dämpfer. Im ZDF-„heute journal“ sagte Scholz, es könne keine pauschale Ablehnung an Deutschlands Grenzen geben. Der Kanzler lobte im Gespräch mit Dunja Hayali generös die Bereitschaft der Union zur Zusammenarbeit – was sich in der Einladung an die Opposition sowie an die Länder am Mittwoch dann fortsetzte.

In der Sache aber betonte Scholz im ZDF, dass das Individualrecht auf Asyl bestehen bleibe. Alles andere sei in Anbetracht des Grundgesetzes und des internationalen Rechts gar nicht möglich.

Scholz mit versteckter Kritik an Merz

Bei einer Veranstaltung in Sachsen sagte Scholz laut „Spiegel“ zudem am Dienstagabend, es gebe zu viele „wilde Sprücheklopfer“, die „große Reden auf Marktplätzen“ hielten – viele verstanden das als Hinweis auf Merz. Aus dem Gespräch mit dem CDU-Chef wollte er aus „vertraulichen Gründen“ nichts berichten.

Inzwischen ruderte Merz unterdessen verbal wieder zurück und stellte in einem Schreiben an die Mitglieder des CDU-Bundesvorstands klar, man fordere keine Änderung des Asylrechts im Grundgesetz. Denn offenbar hatte es auch parteiintern Nachfragen gegeben, wie ein Aufnahmestopp denn rechtlich möglich sein soll.

Esken: SPD stimmt nicht gegen Grüne und FDP

SPD-Chefin Saskia Esken wies das Angebot von Merz am Mittwoch zurück. Es sei nicht denkbar, im Bundestag mit einer schwarz-roten Mehrheit Verschärfungen am Asylrecht durchzusetzen, so Esken. „Natürlich werden wir nicht an Grünen und FDP, unseren Koalitionspartnern, vorbei so eine Zusammenarbeit machen“, sagte Esken am Mittwoch im RBB-Inforadio. Grundsätzlich sei die SPD aber für Gespräche mit der Union über Änderungen bei der Migrationspolitik offen.

Während die SPD beteuert, sich nicht an den Koalitionspartnern vorbei auf eine Kooperation mit der Union einzulassen, kommen aus der FDP gänzlich andere Signale. Das mutet angesichts des Angebots von Merz an Scholz kurios an, spiegelt jedoch zum einen die Position der Parteien in Fragen der Migration wider und könnte auf erneuten Streit innerhalb der Ampel hindeuten.

FDP will mehr Härte gegenüber ausreisepflichtigen Asylsuchenden

So begrüßte der Chef der FDP-Bundestagsfraktion, Christian Dürr, den Vorstoß von Merz gegenüber den Funke-Zeitungen – und forderte noch weiter gehende Verschärfungen. „Viele Vorschläge von Herrn Merz im Bereich der Migration decken sich mit den Vorstellungen und Forderungen der FDP. Wir wollen aber noch weitergehen und ausreisepflichtigen Dublin-Flüchtlingen die Sozialleistungen entziehen“, sagte Dürr. Auch Parteichef Lindner äußerte sich ähnlich.

Ganz andere Töne kommen von den Grünen: Vizekanzler Robert Habeck warnte vor populistischen Forderungen und rief zu einer differenzierten Debatte über Migration und Innere Sicherheit auf. Die Weltsicht, dass „die Muslime“ einen Krieg gegen „den Westen“ führten, sei falsch – „und wir dürfen nicht in die Falle geraten, sie anzunehmen“.

Habeck greift Merz in scharfen Tönen an

Habeck räumte zwar ein, dass es sicherheitspolitisch „sehr viel zu tun“ gebe. Allerdings griff er Merz bei einer Veranstaltung am Mittwochabend auch scharf an. Die Erklärung einer „nationalen Notlage“, die Merz ebenfalls gefordert hatte, sei „unverantwortlich“, so Habeck. Mit der Erklärung einer Notlage könnte EU-Recht ausgehebelt und so Migranten zurückgewiesen werden, die zuerst in ein anderes EU-Land eingereist sind.

Habeck wies darauf hin, dass dies zu großen Verwerfungen in der EU führen würde und sprach von einem „falschen Vorschlag“. Weiter sagte der Bundeswirtschaftsminister: „Nun weiß ich nicht, ob es - wie soll ich sagen - Unwissen oder vielleicht auch fehlende europäische oder Regierungserfahrung ist oder ob es der Versuch ist, einfach mal einen rauszuhauen, um mal einen rauszuhauen.“

Der Effekt sei der Gleiche, im Raum stehe eine nicht einlösbare Forderung. „Man muss, wenn man Probleme lösen will, auch die Mittel für die Problemlösung vorher bedenken und nicht einfach eine Erwartungshaltung schüren, die dann wieder zur nächsten Enttäuschung führt.“ (mit dpa)