AboAbonnieren

Merkels Alter EgoWas Ex-Büroleiterin Beate Baumann jetzt vorhat

Lesezeit 4 Minuten
Neuer Inhalt

Beate Baumann (l.) und die ehemalige Bundesklanzerin Angela Merkel (r.)

Berlin – Die Scheinwerfer waren stets auf Angela Merkel gerichtet. Meist bemerkte man die unscheinbare kleine Frau an ihrer Seite gar nicht. Selten genug war sie bei öffentlichen Auftritten in den 16 Jahren Amtszeit der Bundeskanzlerin persönlich zugegen. Doch die Osnabrückerin Beate Baumann galt, egal, wen man danach fragt, als zweitmächtigste Person im Staate – ohne dass sie je ein Mandat oder Regierungsamt erlangt hätte.

Als Merkel sich beim Großen Zapfenstreich mit einer letzten Rede als Kanzlerin verabschiedete, dankte sie ausdrücklich ihren engsten Mitarbeitern. Ihre Büroleiterin Beate Baumann dürfte sich besonders angesprochen gefühlt haben.

Neben Eva Christiansen Merkels wichtigste Beraterin

Gemeinsam zogen sie 2005 ins Kanzleramt, gemeinsam verließen sie es am Mittwoch, den 8. Dezember 2021. Angela Merkel und ihre Büroleiterin, das war und ist eine besondere Beziehung, und geht über das enge Verhältnis, das von Helmut Kohl und Gerhard Schröder zu ihren engsten Mitarbeiterinnen bekannt ist, noch hinaus. Baumann erdachte und plante Merkels Politik, sie prägte den Ton ihrer Regierungszeit.

Sie kritisierte die Kanzlerin, hielt ihr Ärger vom Leib, sie gehörte neben Medienberaterin Eva Christiansen zum engsten Kreis im Kanzleramt. Als „Girls Camp“ – zu deutsch: Mädchenlager – wurde das weibliche Team um Merkel gern bezeichnet, obwohl der Spott, der darin mitschwingt, der langen Amtszeit, die es ermöglichte, nicht angemessen scheint.

Das könnte Sie auch interessieren:

Dabei deutet am Anfang nichts darauf hin, dass das Duo Baumann und Merkel es gemeinsam ganz an die Spitze schafft. Beate Baumann wird 1963 in Osnabrück geboren und macht 1983 am Gymnasium Carolinum das Abitur. Weggefährten von damals beschreiben sie als „unauffällig, aber sehr intelligent“.

Sie studiert Anglistik und Germanistik, will Lehrerin werden. Der damalige Osnabrücker CDU-Kommunalpolitiker und spätere Bundespräsident Christian Wulff kann sie für die Junge Union gewinnen. Er wird es auch sein, der Baumann Merkel später als Mitarbeiterin empfiehlt. Baumann wird zuvor stellvertretende JU-Vorsitzende in Niedersachsen, weiter allerdings reicht ihre Parteikarriere nicht.

Baumann und Merkel ticken ähnlich

1992 sucht Merkel, gänzlich unbekannt und gerade als Familienministerin ins Kabinett Kohl berufen, eine Referentin. Nach einem zweistündigen persönlichen Kennenlerngespräch sagt Baumann kurz darauf zu – und weicht fortan nicht mehr von Merkels Seite. Sie habe anfangs aber nicht gedacht, dass das „etwas ganz Großes wird“, wie sie dem „Spiegel“ jetzt sagte.

Man kann sich vorstellen, warum die beiden Frauen sich auf Anhieb gut verstanden. Sie ticken wohl ähnlich. Der unprätentiöse Stil im Verzicht auf Mode und Schminke, den Merkel später ablegte, Baumann aber beibehielt, die sachliche, analytische Art im Denken, die Fähigkeit zur Härte, wenn es notwendig erscheint.

In der Union sprachen viele regelrecht ängstlich über Beate Baumann. Selbst ranghöhere Mitarbeiter im Kanzleramt als Baumann konnten bei ihr nicht einfach einen Termin bekommen. Man machte keinen Termin bei ihr – sie bat zum Termin, wenn sie es für notwendig hielt. Sie sei „die zweitmächtigste Frau im ganzen Regierungsladen“ gewesen, sagt eine langjährige CDU-Politikerin über sie. Manche Landesverbände sollen ihre Rolle als „strukturelle Amtsanmaßung“ empfunden haben.

Wie sie selbst ihre öffentliche Darstellung als eine Art Hausdrache der Kanzlerin empfunden hat, offenbarte sie kürzlich in einem der seltenen offiziellen Zitate von ihr: „Ja, es hat mich zum Teil sehr verletzt. Vor allem aber habe ich sehr darunter gelitten, dass sich meine Familie, besonders meine damals noch lebenden Eltern, Sorgen gemacht haben, warum so über mich geschrieben wurde.“

Die Devise: Kontrolle behalten, keine Schnellschüsse

Merkel konnte wohl auch deshalb so lange regieren, weil sie sicher sein konnte, dass aus ihrem engsten Kreis nichts nach außen drang. Und Baumann wird beschrieben als diejenige, die an ihrer Seite dafür sorgte, dass möglichst wenig Fehler passierten und nichts anbrannte. Über ihren Tisch gingen Gesetzesvorlagen und Anfragen. Lieber alles nochmal prüfen, keine Schnellschüsse aus der Hüfte, lautete ihre erfolgreiche Devise.

Es soll Baumann gewesen sein, die die Umweltministerin Angela Merkel, als sie bei einem UNO-Gipfel in Tränen ausbrach, anherrschte: „Jetzt reißen Sie sich mal zusammen.“ Wer es nach ganz oben schaffen will, braucht solche Leute an seiner Seite. Baumann und Merkel sind in all den Jahren beim Sie geblieben.

Und jetzt, da alles vorbei ist? Bleiben sie wohl ein Duo. Wie Baumann dem „Spiegel“ eröffnete, wollen die beiden zusammen ein Buch schreiben über Merkels Sicht auf die großen Krisen ihrer Amtszeit. Und dabei wollen sie sich – wie gehabt – auf sich selbst verlassen.

„Die Bundeskanzlerin und ich sind ganz sicher: Wenn wir dieses Buch machen sollten, dann machen wir es allein, also ohne Ghostwriter, ohne Historiker, ohne Journalisten.“ Merkel wird außerdem als Bundeskanzlerin a. D. ein Büro im Bundestag bekommen, mit neun Mitarbeitern. Medienberichten zufolge könnte Baumann es leiten. Wer sonst?