In der Regierung gibt es Streit über die Haltung des Kanzlers zu geplanten neuen Russland-Sanktionen. Auch bei der Nato wundert man sich.
„Deutschland das neue Ungarn“Baerbock attackiert Kanzler und die Nato ist irritiert – Scholz bekommt scharfe Kritik
Innerhalb der Bundesregierung gibt es Streit über die deutsche Positionierung zu geplanten neuen Russland-Sanktion der EU. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur sieht das Auswärtige Amt Vorbehalte des Kanzleramts gegen das Sanktionspaket mittlerweile als problematisch und imageschädigend an. Hintergrund ist, dass Deutschland damit zuletzt alleine dastand.
Aus dem Auswärtigen Amt hieß es vor neuen Gesprächen an diesem Freitag in Brüssel, Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) habe in den vergangenen zwei Jahren intensiv daran gearbeitet, bei den europäischen Partnern verlorenes Vertrauen aufgrund der alten Russlandpolitik wiederherzustellen. Dieses Vertrauen dürfe nun nicht wieder verspielt werden.
Scholz’ Kurs sorgt für spitze Bemerkungen von Partnern: „Deutschland das neue Ungarn“
Zuvor war bekanntgeworden, dass der ständige Vertreter der Bundesrepublik bei der EU bis zuletzt nicht die Erlaubnis aus Berlin hatte, dem nächsten Paket mit Russland-Sanktionen der EU zuzustimmen. Nach Angaben von Diplomaten in Brüssel waren die deutschen Bedenken und Änderungswünsche ein entscheidender Grund dafür, dass die Verhandlungen bislang nicht zum Abschluss gebracht werden konnten.
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Zuletzt habe es sich angefühlt, als ob Deutschland das neue Ungarn sei, sagte ein EU-Beamter der dpa in Anspielung darauf, dass die Budapester Regierung von Ministerpräsident Viktor Orbán in der Vergangenheit immer wieder Entscheidungen für Russland-Sanktionen verzögert hatte.
Russische Sanktionsumgehung im Visier
Ursprünglich geplant war, dass es bis zum Beginn des G7-Gipfels der führenden demokratischen Industrienationen am Donnerstag eine Verständigung auf das neue Sanktionspaket gibt. An dem Treffen nimmt auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) teil. Nun kann es frühestens an diesem Freitag eine politische Einigung in Brüssel geben.
Mit den geplanten neuen EU-Strafmaßnahmen soll insbesondere gegen die Umgehung von bereits bestehenden Sanktionen vorgegangen werden. Diese führt beispielsweise dazu, dass Russlands Rüstungsindustrie noch immer westliche Technologie nutzen kann, um Waffen für den Krieg gegen die Ukraine herzustellen. Zudem ist geplant, erstmals scharfe EU-Sanktionen gegen Russlands milliardenschwere Geschäfte mit Flüssigerdgas (LNG) zu verhängen.
Keine inzakzeptablen Probleme: Deutschland steht alleine da
Die deutschen Vorbehalte gegen die Pläne beziehen sich nach Angaben von EU-Diplomaten vor allem auf Maßnahmen, die eine Umgehung von EU-Sanktionen erschweren sollen. Demnach forderte die Bundesregierung unter anderem, dass Unternehmen nicht verpflichtet werden sollen, sich selbst darum zu kümmern, dass Handelspartner EU-Sanktionsregeln einhalten.
Aus dem Auswärtigen Amt hieß es, grundsätzlich seien die Bedenken nicht von der Hand zu weisen. Gleichzeitig müsse anerkannt werden, dass die große Mehrheit der anderen EU-Staaten keine inakzeptablen Probleme sehe. Ein Sprecher der ständigen Vertretung der Bundesrepublik bei der EU hatte sich am Donnerstag nicht zu den Verhandlungen äußern wollen. Er verwies darauf, dass die Beratungen im Kreis der Mitgliedstaaten vertraulich seien.
Norbert Röttgen kritisiert Bundesregierung: „Schadet dem Vertrauen“
Kritik an der Haltung im Kanzleramt kam auch aus den Reihen der CDU. „Die Bundesregierung bremst ohne öffentliche Erklärung das nächste EU-Sanktionspaket aus, was die Sanktionsumgehung bekämpfen soll“, kritisierte CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen auf der Plattform X. „Dieses Verhalten schadet der Ukraine und dem Vertrauen unserer europäischen Partner. Deutschland wählt wieder einmal den Sonderweg.“
Für Irritationen sorgte das Bundeskanzleramt am Donnerstag einem Bericht zufolge unterdessen auch innerhalb der Nato. Bei dem westlichen Verteidigungsbündnis wurde nun eine „Mission“ in der Ukraine beschlossen, die jedoch auf deutschen Druck nicht als „Mission“ bezeichnet werden darf, berichtete die „FAZ“. Nun ist vom „NATO Security Assistance and Training for Ukraine“ die Rede, die Mission soll die Ausbildung ukrainischen Soldaten koordinieren und an Nato-Standards anpassen.
Bericht: Kanzleramt will Nato-Mission nicht „Mission“ nennen
Während die anderen Nato-Staaten keine Probleme mit dem Begriff „Mission“ gehabt hätten, habe der deutsche Botschafter auf die Namensänderung bestanden. Mit der Bezeichnung als „Mission“ könne die Operation sonst als Einsatz von Nato-Soldaten oder gar als Kriegseintritt interpretiert werden, beschrieb die „FAZ“ die deutsche Argumentation.
„Berlin hat so viel Angst vor Verantwortung, dass es eine neue Nato-Mission zur Koordination der Ukraine -Hilfe auf keinen Fall ‚Mission‘ nennen will“, schrieb zudem der FAZ-Journalist Konrad Schuller im sozialen Netzwerk X. „Ich weiß aus sicherer Quelle: Das war nicht Pistorius, nicht Baerbock. Das war das Kanzleramt.“ (mit dpa)