Köln – Eine Zeitenwende hat Bundeskanzler Olaf Scholz nach dem russischen Überfall auf die Ukraine diagnostiziert. Die volle Brutalität dieser Wende wird jetzt, nach dem Massaker in Butscha und anderen Orten bei Kiew, hoffentlich auch denen deutlich, die noch auf Gesprächsbereitschaft in Moskau setzen. Der spektakuläre Rauswurf von 40 (!) sogenannten Diplomaten der russischen Botschaft in Berlin zeigt, dass die Bundesregierung nicht mehr an Dialog glaubt.
Militärexperte sieht Massenmord als Teil einer Strategie
Alles spricht für die Diagnose des britischen Militärexperten Jack Watling, dass der Massenmord in Kiewer Vorstädten Teil einer übergeordneten Strategie ist. Denn was in Orten wie Butscha passiert ist, folgt der gleichen kriminellen Logik wie die Bombenangriffe auf Wohnviertel, die wir auch aus Tschetschenien und Syrien kennen.
Es geht darum, einem Volk seine Zukunft zu rauben, indem man Eltern und Kinder ermordet, die Wohnungen und die Arbeitsstätten der Überlebenden zerstört, Frauen sexuell misshandelt, den Besitz plündert, Menschen verschleppt. Moskauer Dementis passen ins Bild: Eine Diktatur demonstriert ihre Macht, indem sie offensichtliche Lügen verbreitet und Widerspruch mit bis zu 15 Jahren Haft bestraft.
Russland hat mit diesen Kriegsverbrechen die Chancen für ein Waffenstillstandsabkommen minimiert. Unter keinen Umständen wird es sich die Regierung in Kiew erlauben können, auch nur ein ukrainisches Dorf per Unterschrift russischer Kontrolle auszuliefern. Während aber der russische Präsident Wladimir Putin die Schlacht um Kiew verloren gegeben hat, baut sich im Osten der Ukraine ein neuer Großangriff auf, und im Süden wird die Hafenstadt Odessa beschossen.
Was tun? Die Diplomaten-Ausweisung ist gut und schön. Bisher stand die Bundesregierung aber meist auf der Bremse, gleich, ob es um Sanktionen ging oder um Waffenlieferungen. Dabei braucht die Ukraine schweres Gerät schon zum Schutz der eigenen Soldaten.
Und auch ökonomisch hat der Westen bei weitem nicht alle Möglichkeiten genutzt. Ein Ölembargo sollte machbar sein. Beim Thema Gas sollten wir nicht ängstlich spekulieren, ob Putin uns wohl den Hahn abdreht, sondern uns – auch um der eigenen Sicherheit willen – proaktiv darauf einstellen, dass die Trennung von Gazprom sehr viel eher nötig sein könnte als 2024.
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Dieser Krieg kann noch lange dauern. Eine Chance auf ein Ende gibt es erst, wenn die russische Führung einsieht, dass ihr die Kosten über den Kopf wachsen, ökonomisch wie militärisch. Dazu wird es wohl erst unter einem Putin-Nachfolger kommen.