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Kommentar zum AttentatWas Donald Trump jetzt stark macht

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Nach dem Anschlag: Agenten des US-Geheimdienstes Secret Service helfen dem republikanischen Präsidentschaftsbewerber und ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump in ein Fahrzeug.

Nach dem Anschlag: Agenten des US-Geheimdienstes Secret Service helfen dem republikanischen Präsidentschaftsbewerber und ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump in ein Fahrzeug.

Donald Trump ist angeschossen, aber nicht angeschlagen. Im Gegenteil. Er mobilisiert jetzt erst recht. Das ist schlecht für Joe Biden.

Es sind manchmal Sekunden, die die Welt verändern können. Was auch immer den 20jährigen Thomas Matthew Crooks aus Pennsylvania dazu bewegte, auf Donald Trump zu schießen – der Anschlag hat den Kampf um das Präsidentenamt in wenigen Augenblicken dramatisch aufgeladen. Dass die Nation nun zusammensteht, wie Joe Biden in einem ersten Statement fromm hofft, ist unwahrscheinlich. Das Attentat von Pennsylvania wird das Land eher weiter spalten.

Weltweit verurteilten Politiker gestern den Angriff auf den Präsidentschaftskandidaten zu Recht als Angriff auf die Demokratie. Gewalt darf kein Mittel in der politischen Auseinandersetzung sein. Allerdings war es in der Vergangenheit oftmals Trump selbst, der zumindest bei verbaler Gewalt vor einer roten Linie nicht unbedingt Halt machte. Und inwieweit er sich beim blutigen Sturm auf das Kapitol im Januar 2021 der Aufhetzung schuldig gemacht hat, ist derzeit Gegenstand von vier Anklagen.

Donald Trump weiß um die ikonische Strahlkraft der Bilder nach dem Attentat.

Jetzt ist er selbst Opfer. Ein Blick auf den Moment, nachdem ihn ein Streifschuss am Kopf traf: Trump reckt die Faust und ruft zum Kampf auf: „Fight, Fight, Fight“. Die Botschaft ist klar. Er ist da und weiß um die ikonische Strahlkraft dieser Bilder. Viele seiner Anhänger werden die schicksalhafte Rettung vor einem um Zentimeter verfehlten tödlichen Schuss als Bestätigung dafür deuten, dass der Republikaner tatsächlich ein „Auserwählter“ ist. Eine Erkenntnis, die seine Sympathisanten noch weiter beflügeln wird.  Doch das Attentat bestärkt nicht nur Trumps Wähler, es wird ihn auch in seiner Linie bekräftigen, im Dauer-Angriffs-Modus zu agieren.

In dieser Rolle wird er nach dem Anschlag kaum noch aufzuhalten sein. Wer nimmt es jetzt auf sich, ihn, das Opfer eines Mordversuchs, zu attackieren und sich dem Vorwurf auszusetzen, die Gewaltspirale weiterzudrehen. Trump ist zwar angeschossen, geht aber eher gestärkt als geschwächt aus diesem schwarzen 13. Juli. Und Joe Biden? Der US-Präsident ist ohnehin angeschlagen, muss sich nun aber mit wehrhaften Spitzen gegen seinen Herausforderer sehr zurückhalten und sich staatsmännisch geben.

Eine Schieflage im Wahlkampf ist absehbar. Ein Sieg Trumps ist wahrscheinlicher als vorher.

Eine Schieflage im Wahlkampf ist absehbar. Nach dem Attentat von Pennsylvania ist ein Sieg Trumps wahrscheinlicher als vorher. Es ist deshalb naheliegend, dass gestern deutsche Politiker unterschiedlicher Parteien daran erinnert haben, wie wenig Europa auf eine Wahl des Republikaners vorbereitet ist. Jens Spahn (CDU) und Anton Hofreiter (Grüne) haben zweifellos Recht, wenn sie es „fahrlässig“ und „verantwortungslos“ finden, bis zur US-Wahl im November zu warten.

Es ist Zeit, sich Gedanken zu machen, wie der Abschottungspolitik eines Präsidenten Trump begegnet werden könnte. Wobei es wahrscheinlich nicht reicht, sich – wie Jens Spahn andeutet – damit zu beschäftigen, welche gemeinsamen außenpolitischen Interessen Europa und die USA unter einer republikanischen Regierungsführung als Basis für eine Zusammenarbeit hätten, etwa in Richtung China, Iran oder Nordkorea. Wichtig wäre sicher auch, über Wege aus einer wirtschaftlichen Abhängigkeit von den Spielregeln eines US-Präsident Trump nachzudenken

Aber es könnte zumindest schon einmal ein Anfang sein, die Überlegungen zu einer gemeinsamen außenpolitischen Linie auf der politischen Agenda weiter nach oben zu schieben.