Die Abstimmungskultur zwischen katholischer und evangelischer Kirche habe gelitten, sagt der Kölner Bischof Rolf Steinhäuser und plädiert für neue Anläufe in der Zusammenarbeit.
Kölner BischofWie kann Ökumene wieder lebendig werden, Herr Steinhäuser?
Mitgliederschwund, Missbrauchsaufarbeitung und Glaubwürdigkeitsverlust: Katholische und evangelische Kirche kämpfen mit ähnlichen Problemen. Doch damit enden 2024 die Gemeinsamkeiten. Dabei wäre Ökumene in diesen Zeiten wichtiger denn je, meint der Kölner Bischof Rolf Steinhäuser im Gespräch mit Ingo Schmitz.
Sie haben sich enttäuscht über den Zustand der Ökumene geäußert. Die Distanz zwischen den beiden großen christlichen Kirchen in Deutschland sei größer geworden, man lebe nebeneinander her. 2017 mit den Feiern zum 500-jährigen Reformationsjubiläum sei das letzte wirklich gute Jahr für die Ökumene gewesen. Woran machen Sie das fest?
Dass 2017 ein Höhepunkt war, darauf kann man sich leicht verständigen. Es gab besondere Gottesdienste, Begegnungen und Feste. Was ich der evangelischen Kirche sehr hoch anrechne ist, dass sie dieses Reformationsjubiläum unter den Gedanken eines Christusjahres gestellt hat. Dadurch haben sich viele Möglichkeiten ergeben, das Fest gemeinsam anzugehen. Natürlich ist es auch normal, dass die Aufmerksamkeit nicht beliebig lange auf einem so hohen Level gehalten werden kann.
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Grundlegend waren wir aber im Bereich der Ethik, des christlichen Handelns, immer sehr nah beieinander, haben uns immer gut abgestimmt. Doch das ist so nicht mehr gegeben. Die evangelische Kirche hat die über Jahrzehnte gemeinsam getragene Aktion für das Leben von sich aus beendet. Das hat uns unvorbereitet und kalt erwischt – und das hat uns nicht gefreut. Wir haben in einer so stark säkularisierten Gesellschaft wie in Deutschland nur dann eine große Durchsetzungskraft, wenn wir gemeinsam mit einer Stimme sprechen.
Das bedeutet, in der Ökumene ist man sogar noch hinter das zurückgefallen, was vor dem Jahr 2017 bereits erreicht schien?
Ja, zumal es auch noch zu kirchenpolitischen Verwerfungen kam. Evangelische Mitchristen in Leitungsfunktionen haben sorgfältig darauf geachtet, nicht mit unserem Erzbischof in einen Topf geworfen zu werden, ihn zu meiden. Auch das hat zu einer Abkühlung der Beziehung geführt. Und weil Beziehungen nicht nur auf dem Papier bestehen können, sondern nicht zuletzt auch von einer zwischenmenschlichen Atmosphäre heraus leben, ist das kein unwichtiger Punkt.
Sie werben für wieder mehr Ökumene, weil man doch im selben Boot sitze, dieselben Grundprobleme habe. Doch sind Probleme nicht eine schlechte Basis für eine gute Beziehung?
Sie verdeutlichen vielleicht aber auch die Notwendigkeit, gemeinsam daran zu arbeiten.
Selbst wenn wir alle atmosphärischen Störungen beiseitelassen, es gab und gibt immer noch ganz grundsätzliche theologische Themen, die trennen. Um nur mal zwei zu nennen: Die Eucharistiefrage, das Priesterverständnis. Wie weit könnte gelungene Ökumene vor diesem Hintergrund überhaupt gehen?
Wir könnten, wenn wir den Willen und die Kraft dazu hätten, im gemeinsamen Leben sehr viel tun. Und es gibt ja durchaus einzelne Gemeinden, die das in einer großen Selbstverständlichkeit bereits leben. Nicht das da alles frei von Problemen wäre, aber die Ökumene ist dort die erklärte gemeinsame Linie. Man sieht sich zuerst gemeinsam als Christen.
Sie haben auf evangelischer Seite Punkte benannt, die zu mehr Distanz geführt haben. Machen Sie auch auf katholischer Seite Hemmschuhe aus?
Sicherlich eine zunehmende katholische Binnenfixierung. Wir haben viele Umbrüche und Veränderungsprozesse, dass manchmal die Kraft nicht reicht, über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen. Bei uns ist gerade sehr viel Nabelschau. Die Energie, die das verbraucht, könnten wir auch sehr gut anders einsetzen.
Wenn Sie schon die Binnenfixierung ansprechen: Gibt es nicht ganz besonders im Erzbistum Köln Hemmnisse, durch die Entwicklung der Ökumene stockt?
Das Erzbistum Köln hat zumindest das Image, eher im Bremserhäuschen zu sitzen. Und vielleicht wurden Bremsen auch deshalb nicht gelöst, weil die evangelischen Christen sich bei der Aufklärung von sexueller Gewalt innerhalb der Kirche lange zurückgelehnt haben, um uns dabei zuzuschauen, wie wir in diesem Strudel unterzugehen drohen. Diese Beobachterposition war jedoch nicht zu halten.
Mir hat kürzlich eine Kirchenrätin aus dem Rheinland gestanden: „Ich habe wirklich gedacht, wir sind die Besseren.“ Die Forum-Studie der EKD hat bewiesen, das stimmt so nicht. Wie die katholische, so wurde auch die evangelische Kirche mittlerweile von der Realität eingeholt.
Müssen nun die katholische und die evangelische Kirche für sich selbst schauen, wie sie aus diesem Strudel wieder herauskommen, oder böte sich gerade in der Aufarbeitung nicht auch ein gemeinsames Vorgehen an?
Da kann es Ansätze geben. Es wäre beispielsweise hilfreich, in der Frage der Entschädigung der Betroffenen eine gemeinsame Linie zu haben. Das würde vielleicht nicht unser Image nach außen verbessern, aber es wäre ein wichtiges Signal ins Innere der beiden Kirchen: Wir sitzen im selben Boot, wir stehen gemeinsam zu unserer Verantwortung und wir wollen ihr gemeinsam gerecht werden.