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Katholische KircheHomosexualität oder zweite Heirat kein Grund mehr für Kündigung

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ARCHIV - 16.05.2010, Bayern, München: Ein Bischof hält während einer katholischen Messe ein Kreuz in den Händen.

Ein Bischof hält während einer katholischen Messe ein Kreuz in den Händen.(Symbolbild)

Die katholische Kirche krempelt das Arbeitsrecht um. Eine Homo-Ehe oder eine neue Hochzeit nach der Scheidung sind für Mitarbeiter der Kirche und der Caritas künftig kein Grund mehr für eine Kündigung. Ein Paradigmenwechsel.

Wer bei der katholischen Kirche arbeitet und in zweiter Ehe oder in einer homosexuellen Partnerschaft lebt, muss künftig nicht mehr mit einer Kündigung rechnen. Die katholischen Bischöfe in Deutschland haben sich auf den Entwurf eines neuen Arbeitsrechts für die rund 800000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der katholischen Kirche und bei der Caritas geeinigt. Zentrale Neuerung der „Grundordnung des kirchlichen Dienstes“ ist, dass die private Lebensgestaltung der Mitarbeiter künftig keinen Anlass mehr zu Kündigungen bieten soll.

„Der Kernbereich privater Lebensgestaltung unterliegt keinen rechtlichen Bewertungen und entzieht sich dem Zugriff des Dienstgebers“, teilte die Deutsche Bischofskonferenz am Dienstag in Bonn mit: „Diese rechtlich unantastbare Zone erfasst insbesondere das Beziehungsleben und die Intimsphäre.“

Explizit wird nun Vielfalt in kirchlichen Einrichtungen als Bereicherung anerkannt. Alle Mitarbeitenden könnten unabhängig von konkreten Aufgaben, Herkunft, Religion, Alter, Behinderung, Geschlecht, sexueller Identität und Lebensform „Repräsentanten der unbedingten Liebe Gottes und damit einer den Menschen dienenden Kirche“ sein, heißt es.

Die Religionszugehörigkeit ist nach neuem Recht nur dann ein Kriterium bei der Einstellung, wenn sie für die jeweilige Position erforderlich ist. Das gilt zum einen für die Arbeit in Seelsorge und Katechese und zum anderen für Tätigkeiten, die das katholische Profil der Einrichtung inhaltlich prägen, mitverantworten und nach außen repräsentieren.

Werte und Ziele teilen

Von allen Mitarbeitenden wird aber die Identifikation mit Zielen und Werten der jeweiligen Einrichtung erwartet. Abgesehen von Ausnahmen bleibt der Austritt aus der katholischen Kirche ein Einstellungshindernis beziehungsweise ein Kündigungsgrund. Auch ein „kirchenfeindliches Verhalten“ steht einer Einstellung und Weiterbeschäftigung entgegen.

Keine grundlegenden Veränderungen gibt es beim kirchlichen Tarifrecht. Die Kirche setzt weiterhin auf den „Dritten Weg“ und wendet das Betriebsverfassungsgesetz nicht an. Auch künftig bleiben Streiks damit ausgeschlossen. Statt Betriebsräten wählen kirchliche Angestellte eigene Mitarbeitervertretungen. In die Arbeitsrechtlichen Kommissionen, die Gehälter und Arbeitsbedingungen beschließen, müssen die Gewerkschaften ausreichend eingebunden werden. Es gibt auch weiterhin eine eigene kirchliche Arbeitsgerichtsbarkeit.

Zunächst nur eine Empfehlung an die Bistümer

Beschlossen wurde die Neuordnung des kirchlichen Arbeitsrechts von der Vollversammlung des Verbandes der Diözesen Deutschlands (VDD) in Würzburg. Sie erhielt laut Pressemitteilung „die erforderliche Mehrheit“, also mehr als zwei Drittel der Stimmen. Bei der letzten Novelle 2015 hatten drei Bischöfe Vorbehalte und sie erst mit Verzögerung in Kraft gesetzt. Die Neufassung ist zunächst nur eine Empfehlung an die Bistümer. Umsetzen muss sie jeder einzelne Ortsbischof.

Die Grundordnung, die 2015 zuletzt reformiert worden war, gilt für alle Angestellten in katholischen Einrichtungen. Dazu gehören Bistümer, Pfarrgemeinden, Schulen, Kitas, Kliniken und Sozialeinrichtungen in kirchlicher Trägerschaft sowie die Caritas. Bislang durfte die Kirche von Mitarbeitenden sogenannte „Loyalitätsverpflichtungen“ einfordern. Dabei ging es um Anerkennung und Achtung der „Grundsätze der katholischen Glaubens- und Sittenlehre“. Die Kindergärtnerin, die nach der Scheidung neu heiratet, die aus der Kirche ausgetretene Hebamme oder der Organist in homosexueller Partnerschaft mussten mit einer Kündigung rechnen.

Diese Regelungen waren zuletzt jedoch mehrfach in Konflikt mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) und des Gerichtshofs für Menschenrechte (IGMR) geraten. Dabei ging es vor allem um die Antidiskriminierungsrichtlinie der EU. (kna)