Erst bekunden EU-Vertreter nach Raisis Tod ihr Beileid, dann auch Olaf Scholz. Die Kritik fällt hart aus – und kommt auch aus Köln.
Kölnerin attackiert Kanzler„Meine Mutter kennen Sie nicht“ – Empörung über Scholz nach Beileid für Raisis Tod
Die Beileidsbekundungen der EU-Spitzenpolitiker Charles Michel und Josep Borrell sowie von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zum Tod des iranischen Präsidenten Ebrahim Raisi sind auf deutliche Kritik gestoßen. „Können Sie den mutigen Frauen und Freiheitskämpfern im Iran je wieder in die Augen sehen?“, schrieb der schwedische Europaabgeordnete David Lega am Montag bei X in Richtung von Michel und Borrell und ergänzte: „Schämen Sie sich.“ Belgiens früherer Einwanderungsminister Theo Francken, kritisierte das „europäische Beileid für einen Schlächter und grausamen Massenmörder“ und betonte: „Sie sprechen nicht in meinem Namen.“
Olaf Scholz (SPD) kondolierte der iranischen Regierung am Dienstag unterdessen ebenfalls. Auch der deutsche Bundeskanzler geriet dafür prompt in die Kritik. Die Tochter der im Iran inhaftierten Kölnerin Nahid Taghavi attackierte Scholz bei X mit scharfen Worten.
Tochter von im Iran inhaftierter Kölnerin attackiert Olaf Scholz
„#NotInMyName Herr Bundeskanzler!“, schrieb Mariam Claren bei X an Scholz gerichtet. „Wo waren Sie, als man Iraner:innen auf der Straße abschlachtete? Wo sind Sie, während alle 5 Stunden hingerichtet wird? Meine Mutter Nahid Taghavi kennen Sie nicht und mich haben Sie noch nie empfangen“, fügte Claren an.
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„Uns hat die Nachricht vom Hubschrauberabsturz und dem Tod von Staatspräsident Raisi erreicht. Unser Beileid gilt der Regierung der Islamischen Republik Iran und den Familien der beim Absturz Getöteten“, hieß es in einem zuvor veröffentlichten Kondolenzschreiben des Bundeskanzlers an den iranischen Vizepräsidenten Mohammed Mochber, der im Iran nach Raisis Tod die Amtsgeschäfte übernommen hat.
Marie-Agnes Strack-Zimmermann schießt gegen EU-Hilfe: „Was für eine Verhöhnung der mutigen Kämpfer“
Zuvor hatten bereits die Wortmeldungen von EU-Vertretern für reichlich Empörung gesorgt. Die FDP-Spitzenkandidatin für die Europawahl, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, fand deutliche Worte. Sie bezog sich darauf, dass die EU am Sonntag ihren Kartendienst aktiviert und dem Iran Satellitendaten für die Suche nach dem abgestürzten Präsidentenhubschrauber zur Verfügung gestellt hatte. Dazu hatte der zuständige Kommissar für humanitäre Hilfe, Janez Lenarcic, den Hashtag „EUSolidarität“ verwendet.
Strack-Zimmermann kritisierte daraufhin im Onlinedienst X: „Was für ein erbärmlicher Hashtag, was für eine Verhöhnung der mutigen Kämpfer für Menschenrechte im Iran.“ Sie erwarte eine Erklärung, fügte die FDP-Politikerin an. Auch der Europapolitiker Dennis Radtke (CDU) fand scharfe Worte für Lenarcic. „Soll das ein Witz sein? Solidarität mit dem Präsidenten eines der übelsten Terrorregime?“, schrieb Radtke bei X. „Mit einem Staat, der die eigene Bevölkerung unterdrückt und Israel auslöschen möchte, verbindet mich als Europäer nichts“, fügte der CDU-Politiker an.
Scharfe Kritik an Michel und Borrell: „Haben Sie den Familien Ihr Beileid ausgesprochen?“
EU-Ratspräsident Charles Michel hatte am Montag erklärt, die EU drücke „ihr aufrichtiges Beileid zum Tod von Präsident Raisi und Außenminister Abdollahian sowie weiteren Mitgliedern ihrer Delegation und der Besatzung bei einem Hubschrauberabsturz aus“. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell sprach etwas später von einem „tragischen Hubschrauberunglück“ und brachte ebenfalls „das Beileid der Europäischen Union“ zum Ausdruck.
Auch Mariam Claren, die Tochter der im Iran inhaftierten Kölner Architektin Nahid Taghavi, hatte Michels Wortmeldung zuvor bereits kritisiert. „Haben Sie den Familien der politischen Gefangenen, die vom ‚Schlächter von Teheran‘ hingerichtet wurden, Ihr Beileid ausgesprochen? Haben Sie den Familien der getöteten Demonstranten Ihr Beileid ausgesprochen?“, schrieb sie bei X in Richtung des EU-Ratspräsidenten.
Kölnerin Nahid Taghavi seit 2020 in Irans Folter-Gefängnis gefangen
Die Kölnerin Taghavi war im Oktober 2020 im Iran verhaftet und in einem unrechtmäßigen Prozess zu mehr als zehn Jahren Haft verurteilt worden. Taghavi war während ihrer Haftstrafe „weißer Folter“ ausgesetzt. Während der Gefangenschaft im Folter-Gefängnis Evin entwickelte Taghavi zudem medizinische Probleme. Auch der Deutsche Jamshid Sharmahd ist derzeit im Iran inhaftiert, gegen ihn wurde die Todesstrafe verhängt, aber noch nicht vollstreckt.
Raisi war am Sonntag bei einem Hubschrauberabsturz im Nordwesten des Iran ums Leben gekommen. Seit 2019 stand Raisi auf einer Sanktionsliste der USA. Ihm werden schwere Menschenrechtsverbrechen zur Last gelegt. Für die Exil-Opposition ist sein Name unauslöschlich mit Massenhinrichtungen von Marxisten und anderen Linken im Jahr 1988 verbunden, als Raisi stellvertretender Staatsanwalt des Revolutionsgerichts in Teheran war. Seit dem ist er im Iran auch als „Schlächter von Teheran“ bekannt geworden. Viele (Exil)-Iraner feierten am Montag seinen Tod. (mit afp)