Lange hatte er in der Öffentlichkeit geschwiegen, während die Kritik an seinem Umgang mit einem bis heute nicht veröffentlichten Gutachten zu den Missbrauchsfällen im Erzbistum immer lauter wurde. Doch in einem Exklusiv-Interview mit der Rundschau hat Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki sein Schweigen gebrochen, erstmals Fehler eingeräumt und sein Versprechen einer rückhaltlosen Aufklärung erneuert. Das findet an der Basis und bei den Betroffenen durchaus Anklang – aber nicht uneingeschränkt.
„Es ist schon mal gut, dass der Kardinal endlich Stellung bezieht“, sagt Gregor Stiels, Vorsitzender des Katholikenausschusses Köln. „Das habe ich vermisst. Er nimmt also doch wahr, was um ihn herum passiert.“ Bedenklich findet Stiels allerdings die „Fokussierung auf das zweite Gutachten“ zu den Missbrauchsfällen. Nachdem Juristen dem ersten Gutachten der Münchner Kanzlei „Westphal, Spilker, Wastl“, methodische Mängel unterstellten, hatte das Bistum eine weitere Untersuchung durch die Kanzlei Gerke in Auftrag gegeben. Dieses Gutachten werde am 18. März veröffentlich und rechtssicher sein, verspricht Woelki im Rundschau-Interview.
„Wenn der Kardinal denkt, damit ist alles getan und alles gut, dann irrt er“, sagt Stiels. Es müsse darum gehen, das System zu verändern, dass Missbräuche ermöglicht und gedeckt habe. „Und dabei kommt Woelki nicht umhin, die Frage nach Machtstrukturen in der Kirche zu stellen. Alles andere greift zu kurz“, so Stiels.
Fehler im Umgang mit Betroffenen
Woelki räumte im Gespräch mit der Rundschau auch Fehler im Umgang mit den Betroffenen ein. Die Entscheidung, das Münchner Gutachten nicht zu veröffentlichen, hätte das Erzbistum alleine treffen müssen, anstatt auf das Angebot des Betroffenenbeirates einzugehen, diese Entscheidung mitzutragen. Der ehemalige Sprecher des Betroffenenbeirates, Patrik Bauer, dazu: „Dieses Angebot hat es nie gegeben.“ Vielmehr sei es so gewesen, dass der Beirat vom Bistum überfahren und mit hineingezogen wurde. Bauer trat in der Folge vom Sprecheramt zurück. „Ich werte diese Behauptung so, dass der Kardinal uns neuerlich benutzt.“ Ihm stoße auch die Äußerung auf, er tue das alles für die Betroffenen, damit sie zu ihrem Recht kommen. „Für mich muss er das nicht machen, sondern für die Kirche – und für sich selbst“, mahnt Bauer. Mit dem Unterton: Es ist zu eurem besten, greife Woelki erneut die Sprache der Täter auf. „Er hat es bis heute nicht gelernt, mit uns auf Augenhöhe zu sprechen.“ Dennoch hebt Bauer wie Stiels hervor: „Immerhin sucht Kardinal Woelki nun die öffentliche Kommunikation und gesteht Fehler ein.“
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Für besonderes Aufsehen im wachsenden Kreis der Kritiker Kardinal Woelkis sorgte Stadtdechant Robert Kleine. Als erster hochrangiger Priester warf er in Interviews mit dem Kölner Stadtanzeiger und dem Domradio der Bistumsleitung Fehler vor und forderte zum Handeln auf. Zu dem Interview des Kardinals mit der Rundschau indes will er „nun keine Stellung mehr beziehen“, wie er auf Anfrage antwortet. „Im Vertrauen auf den von unserem Erzbischof angestoßenen Prozess der rückhaltlosen Aufklärung erwarte ich ich das Gutachten am 18. März.“
Als einen der größten Fehler lastet Woelki sich im Rundschau-Gespräch an, „immer wieder den Zusagen der Münchner Kanzlei vertraut zu haben, eine rechtssichere Aufarbeitung vorzulegen“. Deren Angebot, das Gutachten auf eigene Verantwortung zu veröffentlichen, weist er erneut als nicht realisierbar zurück. Der Anwalt Ulrich Wastl erwidert: „Wir halten unverändert an unserer Einschätzung fest, dass wir bereit sind, das Gutachten auf eigenes Risiko zu veröffentlichen. Es bedarf hierzu lediglich der Zustimmung des Erzbistums.“ Woelki hält den Anwälten vor, lediglich 15 Missbrauchsfälle näher betrachtet zu haben. Wastl hält entgegen, alle bekannten Fälle seien geprüft, 15 davon exemplarisch hervorgehoben worden.