Köln – 178 Seelsorgebereiche gibt es im Erzbistum Köln – noch.50 bis 60 Pastorale Einheiten sollen es künftig sein. Diese Zahlen sind seit Jahren bekannt – nun wird die Bistumsleitung konkret: Noch vor Ostern soll eine neue Landkarte des Bistums vorliegen – nicht als Vorgabe, sondern als Basis für die Diskussion.
Was ist der Hintergrund der Reform?
Nicht nur die Zahl der Gläubigen und damit die Kirchensteuereinnahmen gehen stark zurück, sondern auch die der Mitarbeiter im Pastoralen Dienst, also der Priester, Diakone, Pastoral- und Gemeindereferent(inn)en (siehe Kasten). Noch stehen pro Seelsorgebereich (das sind in der Regel Zusammenschlüsse aus wenigen Pfarren) fünf Seelsorgerinnen und Seelsorger bereit, 2030 wären es bei unverändertem Zuschnitt noch 2,5. „Die Arbeitsfähigkeit der Pastoralteams wäre vielerorts gefährdet“, erklärt das Erzbistum. Nur noch 50 bis 60 Priester stünden 2030 nach dieser Prognose für eine Aufgabe als Leitende Pfarrer zur Verfügung. Danach bemisst sich die Zahl der künftigen Pastoralen Einheiten.
Wie wird der Neuzuschnitt vorbereitet?
Die Landkarte des Generalvikariats soll ausdrücklich nur ein „zentraler Vorschlag“ sein. Dass sie jetzt erarbeitet und vorgestellt wird, ist das Ergebnis von Beratungen im Diözesanpastoralrat, dem aus Geistlichen und Laien zusammengesetzten zentralen Beratungsgremium des Erzbischofs. Den konkreten Arbeitsauftrag für die „Hauptabteilung Entwicklung Pastorale Einheiten“ hat noch Rolf Steinhäuser als Diözesanadministrator im Februar erteilt.
25 Prozent Rückgang bei der Zahl der Katholikinnen und Katholiken bis 2030 prognostiziert das Erzbistum, bei den Gottesdienstbesuchern sogar ein Minus von 70 Prozent.
Die Mitarbeiterzahl im Pastoralen Dienst werde sich bis 2030 fast halbieren (von derzeit gut 1000 auf knapp 600). Ein großer Teil derjenigen, die heute im Pastoralen Dienst aktiv sind, wechselt bis dahin in den Ruhestand. Die Übrigen sind dann im Durchschnitt 50 Jahre und älter. Der Nachwuchs fehlt. Prognosen gehen davon aus, dass im Schnitt acht junge Menschen jährlich neu in die verschiedenen Berufsgruppen des Pastoralen Dienstes eintreten.
Nach einer Modellrechnung droht der Diözese schon 2025 ein strukturelles Haushaltsdefizit von rund 50 Millionen Euro, fünf Jahre später könnte der jährliche Fehlbetrag schon bei 100 Millionen Euro liegen. (EB)
Breite Zustimmung, aber auch Kritik an #ZusammenFinden
Christof Dürig, Leitender Pfarrer in Frechen: „Das ist ein Schritt in die richtige Richtung“. Dürig sieht eine deutliche Veränderung zu früheren Ansätzen: „Es wird nicht mehr vorgegeben, dass es am Ende 50 oder 60 Großpfarreien geben soll, sondern über diese rechtlichen Strukturen wird erst später entschieden.“ Dürig findet es gut, dass der Zentrale Vorschlag in den Gemeinden breit diskutiert werden soll. „Den guten Willen sehe ich durchaus“, es sei aber die Frage, was der Erzbischof am Ende des Prozesses aus den Diskussionsbeiträgen mache. So oder so sei es erforderlich, Laien in die Gemeindeleitung einzubeziehen. „Ich kann ja als Pfarrer gar nicht alles allein machen“.
Marianne Arndt, Gemeindereferentin von St. Theodor und Elisabeth, Köln: „Das Ganze ist aus der Not geboren. Da wir im Bistum nicht frei denken, sind wir immer noch auf diese alten Formen festgelegt. Wir denken noch zu sehr von der Priesteranzahl her.“ Auch in Köln seien dringend Lösungen wie im Bistum Essen erforderlich, wo Laien die Lizenz zum Taufen und Trauen erhalten. „Dabei geht es nicht um die Entlastung von Priestern, sondern um die Weiterentwicklung von Kirche“.
Auch für sie ist allerdings klar: „Die Zahl der Katholiken unter Hauptamtlichen geht immens zurück. Wir müssen handlungsfähig bleiben.“ Diese Einschätzung teile sie. Sie hebt auch hervor, dass die Gemeinden vor Ort einen Entscheidungsfreiraum haben sollen. Das habe Markus Bosbach im Diözesanpastoralrat deutlich hervorgehoben. „Gut wäre es, wenn es in einen offenen Dialog gehen würde, eine kreative Gemeinde sagt, wir brauchen die und die Finanzmittel, die und die Rückendeckung von Hauptamtlichen“ – und dann bekommt sie die.
Gregor Stiels, (Foto) Vorsitzender Katholikenausschuss der Stadt Köln: „Das ist sicher der richtige Weg.“ Allerdings werde hier der zweite Schritt vor dem ersten gemacht: „Wir müssten zunächst darüber sprechen, ob die vorgegebene Zahl von 50 bis 60 Seelsorgeeinheiten so richtig ist.“ Das Erzbistum gehe hier von einer Prognose aus, wie viele Priester in Zukunft für die Aufgabe eines Leitenden Pfarrers in Betracht kämen. „Aber kann eine Gemeindeleitung nicht ganz anders funktionieren?“ Das müsse man zuerst diskutieren, bevor es an die Abgrenzung neuer pastoraler Einheiten gehe. Das dafür jetzt vorgeschlagene Verfahren sei durchaus in Ordnung und so auch im Diözesanpastoralrat vorgetragen worden. „Es ist auch richtig, dass Monsignore Bosbach das mit seiner Fachabteilung vorbereitet.“ Das könnten Ehrenamtler nicht leisten. (rn)
Unter dem Hashtag #ZusammenFinden hat Markus Bosbach, der zuständige Hauptabteilungsleiter, jetzt die Pfarrgemeinderäte, Kirchenvorstände und Verbandsvertretungen dazu aufgerufen, sich am Entscheidungsprozess zu beteiligen. Das alles sind gewählte Gremien: Der Pfarrgemeinderat kümmert sich um die spirituelle Entwicklung und um gesellschaftliche Aktivitäten der Pfarre, der Kirchenvorstand ist der gesetzliche Vertreter der Gemeinde. Verbände mehrerer Kirchengemeinden haben eine – indirekt gewählte – Verbandsvertretung. Sie alle also sollen über den Vorschlag beraten – nicht für sich allein, sondern unter Beteiligung möglichst vieler Gemeindemitglieder . Das Erzbistum rät, hierfür eigene Arbeitsgruppen einzusetzen. In der Beratungsphase soll es zwei Treffen auf Ebene der im zentralen Vorschlag beschriebenen zukünftigen Einheit geben. Teilnehmen sollen alle Gremien der betroffenen Seelsorgebereiche und darüber hinaus möglichst viele Interessierte. Bis Mitte Oktober sollen die Gremien dem Votum entweder zustimmen oder eine Alternative vorlegen.
Welche Vorgaben gibt es für die Diskussion?
Die wichtigste Einschränkung: Wenn vom Vorschlag des Generalvikariats für die neue Bistums-Landkarte abgewichen werden soll, dann müssen solche Alternativvorschläge mit allen anderen betroffenen Seelsorgebereichen abgestimmt sein – auch dazu dienen ja die gemeindeübergreifenden Treffen.
Also konkret: Wenn bestimmte Pfarrgemeinden sich mit anderen Partnern als vorgeschlagen zusammenschließen wollen, dann müssten alle Betroffenen diesem Gegenvorschlag zustimmen – ein bloßes „Mit denen wollen wir aber nicht“ reicht nicht aus. Diese Vorgabe verleiht dem zentralen Vorschlag des Generalvikariats natürlich ein hohes Gewicht.
Zudem soll die vorgeschlagene Anzahl der Einheiten pro Dekanat in der Regel beibehalten werden, bestehende Dekanatszuschnitte (sie folgen den Grenzen der Kreise oder Großstädte) sollen bleiben, heutige Seelsorgebereiche sollen nicht wieder aufgetrennt werden. Anders ist es mit den erst in den letzten Jahren nach und nach eingerichteten „Sendungsräumen“ wie beispielsweise in der Kölner Innenstadt: Die stehen in ihren aktuellen Grenzen zur Disposition.
Was geschieht mit den Voten der Betroffenen?
Sobald Mitte Oktober 2022 alle Voten der Seelsorgebereiche eingegangen sind, entwickelt ein diözesanes Koordinierungsteam mit Seelsorgern, Verwaltungsmitarbeitern und Laienvertretern unter Bosbachs Leitung eine Entscheidungsvorlage für den Erzbischof. Auch dieses Team besteht aus Gremienvertretern, Pastoralen Diensten und Mitarbeitenden der Bistumsverwaltung.
Zum Jahresende entscheidet der Erzbischof – nach Beratung in Gremien wie dem Diözesanpastoralrat – über den Zuschnitt der Pastoralen Einheiten. Errichtet werden sie damit noch nicht. Wer sie leiten und wie sie rechtlich verfasst werden sollen – als Großpfarre etwa oder als „Dynamischer Sendungsraum“ – wird erst später Thema sein.
Kommentar zur Gemeindereform im Erzbistum Köln
von Raimund Neuss
Endlich legt das Erzbistum die Karten auf den Tisch – im wörtlichen Sinne: Noch vor Ostern soll ein Vorschlag für die geografischen Konturen der künftigen „Pastoralen Einheiten“ veröffentlicht werden.
In keinem Bistum ist die Zusammenlegung von Seelsorgebereichen eine vergnügungssteuerpflichtige Angelegenheit – da hilft es auch nichts, diesen Prozess spirituell zu überhöhen, wie es in Köln lange versucht wurde. Aber geschlagene sieben Jahre nach der ersten Ankündigung durch Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki gibt es jetzt eine Basis für die konkrete Diskussion in den Gemeinden. Und einen Zeithorizont dafür samt einer sinnvollen Agenda: Erst geht es darum, welche Gemeinden zusammenwachsen sollen, im zweiten Schritt dann um das Wie, also zum Beispiel um die Frage, ob es wirklich eine einzige Großpfarre geben muss. Und wenn das Erzbistum bei seiner jetzt ausgegebenen Linie bleibt, dann haben die Betroffenen hier ein gewichtiges Wort mitzureden.
Voraussetzung des ganzen Prozesses ist allerdings eine Festlegung, die das Erzbistum nicht zur Diskussion stellt: Nur noch 50 bis 60 Priester – Männer, zölibatär, geweiht – werde es 2030 geben, die als Leitende Pfarrer in Betracht kämen, danach wird dann auch die Zahl der neuen Seelsorgebereiche bemessen.
Geht es nicht anders? Werden diese 50 bis 60 Männer nicht hoffnungslos überfordert sein? Ließen sich nicht andere Formen der Gemeindeleitung denken, die Priestern nichts von ihrer sakramentalen Stellung nehmen – sie vielleicht im Gegenteil sogar stärken –, aber Laien stärker in den Dienst nähmen? Das will das Erzbistum nur auf nachgeordneten Ebenen probieren. Schade.