Debatte um Corona-MaßnahmeSollten kostenlose Bürgertests eingeschränkt werden?
Berlin/Magdeburg – Bund und Länder ringen um das weitere Angebot kostenloser Corona-Schnelltests im Sommer und Herbst. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) peilt an, die vorerst bis Ende Juni vom Bund finanzierten Bürgertests stärker einzuschränken. Aus den Ländern und von Sozialverbänden kamen zur Konferenz der Gesundheitsminister am Mittwoch Rufe, die Gratis-Tests weiterhin an vielen Orten möglich zu machen. Bei den Vorbereitungen auf eine neue Ansteckungswelle im Herbst wird zudem über strengere Vorgaben wie Maskenpflichten diskutiert.
Das sagt Lauterbach
Vor Beginn der Gesundheitsministerkonferenz in Magdeburg bekräftigte der SPD-Politiker am Mittwoch seinen Plan, vom kostenlosen Testangebot für alle abzurücken. Man müsse die Bürgertests etwas einschränken, so Lauterbach. In der Vergangenheit seien Tests abgerechnet worden, die gar nicht durchgeführt wurden, und es seien Tests gemacht worden, die nicht notwendig gewesen seien. Nötig sei jetzt eine bessere Qualitätskontrolle, betonte der Minister. Das Testangebot solle künftig stärker auf diejenigen ausgerichtet werden, „die tatsächlich den Test brauchen“.
Der Test-Plan für den Herbst
Bei dem Treffen mit seinen Länderkollegen legte Lauterbach dann seine „Corona-Herbststrategie“ vor. In dem fünfseitigen Papier wird vorgeschlagen, die kostenlosen Tests künftig auf Patienten mit Symptomen sowie ausgewählte Personengruppen zu beschränken. Dazu sollen Kleinkinder, Schwangere, Ukraine-Flüchtlinge, aber auch Besucher von Großveranstaltungen zählen. Reine Präventivtestungen würden auf Krankenhäuser und Pflegeheime sowie auf „Hotspots“ reduziert. Die Gesamtkosten für den staatlichen Testaufwand sollen um die Hälfte reduziert werden.
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Laumann verlangt schnelle Klarheit vom Bund
NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (Foto) hat angesichts steigender Infektionszahlen vor Einschränkungen bei den kostenlosen Corona-Bürgertests gewarnt. „Ich finde, in der jetzigen Situation die Bürgertests abzuschaffen, ist falsch“, sagte der CDU-Politiker in einem SAT1-Interview zu den Plänen seines Bundeskollegen Karl Lauterbach. Es sei ein Unding, dass wenige Tage vor dem Auslaufen der aktuellen Testverordnung niemand wisse, wie es weitergehen soll.
Laumann forderte mehr Tempo bei der Neufassung des Infektionsschutzgesetzes. Die Länder benötigten rechtliche Klarheit, um sich für den Herbst vorzubereiten. Die Bundesregierung hatte den Ländern die Möglichkeit genommen, eigenständig flächendeckende Kontaktbeschränkungen und Hygienemaßnahmen durchzusetzen. „Der Bund muss uns mal langsam sagen, wie er sich ein Infektionsschutzgesetz vorstellt“, kritisierte Laumann. (tb)
Nach den bis Ende Juni geltenden Regeln haben alle Bürger ohne Anlass oder Symptome Anspruch auf mindestens einen Schnelltest pro Woche an Teststellen durch geschultes Personal und mit einer Bescheinigung. Wie es im Ministeriumspapier weiter heißt, soll eine gut erreichbare Test-Infrastruktur auch in Apotheken erhalten bleiben. Durch mehr Kontrollen solle zudem Abrechnungsbetrug zurückgedrängt werden.
Zoff mit den Ländern
Bereits am Dienstagabend hatte Lauterbach seine Pläne in der ARD-Sendung „Maischberger“ gegen Kritik verteidigt: Die Länder wollten die Gratis-Tests zwar weiter behalten, sich aber nicht an den Kosten beteiligen. Dabei geht es um gewaltige Summen: Bundesweit wurden an kommerzielle Betreiber von Teststationen bereits 10,5 Milliarden Euro ausgezahlt. Nicht nur in NRW gibt es die Sorge, dass eine zusätzliche Nachweis-Bürokratie die Bereitschaft zum freiwilligen Abstrich sinken lasse und die Testinfrastruktur insgesamt gefährde.
Sachsen-Anhalts Ressortchefin Petra Grimm-Benne (SPD), die aktuell Vorsitzende der Gesundheitsministerkonferenz ist, verwies darauf, dass die Länder schon jetzt für Tests in Kitas und Schulen aufkämen. Ihr bayerischer Kollege Klaus Holetschek bekräftigte, die Länder beteiligten sich erst einmal nicht an weiteren Kosten, das machten sie schon bei den Impfzentren. Der CSU-Politiker plädierte dafür, den Personenkreis für Bürgertests „eher weiter als enger“ zu fassen.
Mehrere Verbände warnen
Der Sozialverband VdK warnte, es wäre fahrlässig, nur eingeschränkt kostenlose Corona-Tests anzubieten. „Ohne Bürgertests kann das Pandemiegeschehen kaum gemessen werden“, so Präsidentin Verena Bentele. Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, mahnte, es dürfe keinen Kahlschlag bei den Tests geben. „Präventiv-Testungen auf Krankenhäuser und Pflegeheime zu begrenzen, schließt allein 3,2 Millionen Pflegebedürftige, ihre Angehörigen und Pfleger aus.“
Gesetzliche Instrumente
Bei der zweitägigen Gesundheitsministerkonferenz geht es auch um gesetzliche Regelungen für den Herbst. Der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, sagte, derzeit seien Erkrankungsverläufe überwiegend leicht. Deshalb könnten höhere Infektionszahlen allein nicht Grundlage für Maßnahmen sein, „etwa für eine erneute Maskenpflicht“.
Einige Länder dagegen fordern, rasch die gesetzlichen Voraussetzungen für schärfere Schutzmaßnahmen zu schaffen. „Wir werden uns schnell einigen“, kündigte Lauterbach an. Ziel sei es, in diesem Herbst besser auf die Pandemie vorbereitet zu sein als in den vergangenen Jahren. Dabei soll über verschiedene Instrumente wie die Maskenpflicht diskutiert werden. Die lange umstrittene Impfpflicht spielt allerdings keine Rolle mehr. „Wir werden eine Impfpflicht nicht mehr verfolgen, auch nicht ab 60“, versicherte Lauterbach. (dpa)