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„Das ist Verrat“Soldaten und Zivilisten besorgt über Trumps Ukraine-Vorstoß

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US-Präsident Donald Trump.

US-Präsident Donald Trump.

Menschen aus der Ukraine zeigen sich empört über die Verhandlungen, die Trump angestoßen hat. Jetzt komme es auf Hilfe aus Europa an.

Bataillonskommandeur Artem befürchtet das Schlimmste: Es wäre „katastrophal“, wenn die USA ihre Unterstützung für die Ukraine einstellten, sagt der 42-Jährige. Er ist in beißender Kälte in der Region Donezk im Osten des Landes im Einsatz, wo sich die Ukraine heftige Kämpfe mit den russischen Angreifern liefert. Die Ankündigung von US-Präsident Donald Trump, den Krieg in Verhandlungen mit dem Kreml zu beenden, löst bei den ohnehin erschöpften ukrainischen Soldaten große Sorge aus.

„Wir zahlen bereits einen hohen Preis und er wird noch höher sein. Ich weiß nicht einmal, wie er noch höher sein kann“, sagt Artem von der 93. Brigade auf einem Truppenübungsplatz. „Ich habe schon viele Freunde verloren, ich möchte nicht noch mehr Kameradinnen und Kameraden verlieren.“

Trump kündigt Verhandlungen über die Zukunft der Ukraine an

Trump hatte in der vergangenen Woche eineinhalb Stunden mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin telefoniert - der erste direkte Kontakt zwischen dem Weißen Haus und dem Kreml seit dem Beginn der russischen Invasion, der sich am Montag zum dritten Mal jährt. Im Anschluss kündigte der US-Präsident den „unverzüglichen“ Beginn von Verhandlungen über die Zukunft der Ukraine an. Am Dienstag trafen sich dann in Riad Delegationen der USA und Russlands. Trump kündigte an, er werde sich „wahrscheinlich“ noch im Februar mit Putin treffen.

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Trumps Vorgehen weckt Befürchtungen, die Ukraine und auch ihre europäischen Partner würden von den Gesprächen ausgeschlossen. US-Verteidigungsminister Pete Hegseth nannte es zudem unrealistisch, dass die Ukraine die von Russland besetzten Gebiete zurückbekomme und langfristig Mitglied der Nato werde.

Ukraine empört über Territoriums-Abtritt: „Das ist unser Land.“

Bislang waren die USA der größte Unterstützer der Ukraine im Kampf gegen die russische Invasion. Weitere militärische Hilfe möchte Trump sich mit dem Zugang zu kostbaren Bodenschätzen der Ukraine bezahlen lassen.

Soldat Oleksandr ist empört darüber, dass die Ukraine Russland Territorium abtreten soll. „Das ist unser Land. Wie können wir es jemandem geben, nur weil er es uns weggenommen hat?“, sagt er. Außerdem fürchtet er „Chaos“, würde Kiew Gebiete aufgeben.

Sein Kamerad Sawa ist anderer Ansicht. Er vertraue Trump zwar nicht, sagt der ehemalige Gefangene, der sich fürs Kämpfen entschied, statt seine Strafe abzusitzen. Dennoch fände er es besser, wenn der Krieg ein Ende hätte - auch wenn dafür ukrainisches Territorium an Russland falle. „Sie sind Politiker. Wir sind nur einfache Leute. Was können wir tun? Wir kämpfen bloß“, sagt der 41-Jährige.

„Jetzt brauchen wir schnelle Entscheidungen aus Europa“

Auch in der Hauptstadt Kiew reagieren die Menschen mit Sorge und Verunsicherung auf den Vorstoß aus Washington. Die Ukraine habe die Augen vor der Möglichkeit verschlossen, dass die Unterstützung der USA schwinden könnte, sagt Tymofij Mylowanow von der Hochschule Kyiv School of Economics. „Wir haben immer in dieser Realität gelebt. Aber wir wollten es nicht wahrhaben“, sagt er.

Andrij Kowalenko, ein für die Bekämpfung von Desinformation zuständiger Beamter, wirft den europäischen Verbündeten vor, nicht früher und entschlossener gehandelt zu haben, um die Sicherheit der Ukraine zu garantieren. „Es ist teuer, wir wollen nicht an den Krieg denken“, beschreibt er die bisherige Haltung der Europäer. „Jetzt brauchen wir schnelle Entscheidungen aus Europa“, fordert er in den sozialen Medien.

Verhandlungen ohne die Ukraine sorgen für Empörung

Daria Zariwna, eine Beraterin des Stabschefs der ukrainischen Präsidentschaft, räumt ein, dass Trumps Gespräch mit Putin ein neues Kapitel des Krieges aufschlagen könnte. „Wir haben einen schwierigen Prozess vor uns im Kampf für die Ukraine“, sagt sie.

Im Zentrum von Kiew äußern von der Nachrichtenagentur AFP befragte Ukrainer die Hoffnung, dass Trump die Ukraine doch noch in die Verhandlungen einbeziehen werde. „Wie kann man ohne die Ukraine verhandeln? Das geht nur mit der Ukraine“, sagt Mykola, ein 79-jähriger pensionierter Eisenbahner, der durch den Krieg aus der Ostukraine vertrieben wurde.

Für Galyna, eine 61-jährige Rentnerin, ist ganz klar, unter welchen Bedingungen die Ukraine in ihren international anerkannten Grenzen bestehen kann: „Wenn die Ukraine Hilfe bekommt, wird sie ihre Grenzen zurückbekommen. Und wenn sie keine Hilfe bekommt, wird sie sie nicht zurückbekommen.“ Die Studentin Sofia befürchtet, dass Trump wieder einmal schlechte Entscheidungen treffen werde. Und mit Putin zu sprechen sei „wahrscheinlich eine“, sagt die 18-Jährige. „Mit einem Diktator und dem Anführer eines Landes zu verhandeln, das uns buchstäblich von innen heraus zerstört - das ist für uns einfach Verrat.“ (afp)