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VerfassungsgerichtCorona-„Notbremse“ und Schulschließungen im Frühjahr waren rechtens

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Bundseverfassungsgericht 2 30112

Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe

Karlsruhe – Der Bund durfte in der dritten Pandemie-Welle im Frühjahr über die sogenannte Corona-Notbremse Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen verhängen. Die Maßnahmen hätten in erheblicher Weise in verschiedene Grundrechte eingegriffen, seien aber „in der äußersten Gefahrenlage der Pandemie“ mit dem Grundgesetz vereinbar gewesen, teilte das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe am Dienstag mit. In einem zweiten Verfahren wiesen die Richterinnen und Richter Klagen von Eltern und Schülern gegen die damals angeordneten Schulschließungen ab. Gleichzeitig erkannten sie erstmals ein „Recht der Kinder und Jugendlichen gegenüber dem Staat auf schulische Bildung“ an. (Az. 1 BvR 781/21 u.a.)

Mit den beiden Entscheidungen des Ersten Senats unter Gerichtspräsident Stephan Harbarth bekommt die Politik auch Hinweise für ihren Handlungsspielraum in der aktuellen vierten Welle. Die geschäftsführende Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihr designierter Nachfolger Olaf Scholz (SPD) wollen sich um 13.00 Uhr mit den Ministerpräsidentinnen und -präsidenten der Länder zusammenschalten, um im Lichte der Karlsruher Beschlüsse über die Krise zu beraten.

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Die Notbremse im Infektionsschutzgesetz (Paragraf 28b) war zeitlich befristet und Ende Juni außer Kraft getreten. Der Bund wollte damit sicherstellen, dass überall im Land dieselben Maßnahmen greifen, sobald sich die Corona-Lage in einer Region zuspitzt. Sie musste seit dem 24. April automatisch gezogen werden, wenn die sogenannte Sieben-Tage-Inzidenz in einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt mehrere Tage lang die 100 überschritt. Der Wert gibt an, wie viele Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner es binnen einer Woche gibt.

Vorgesehen war dann unter vielem anderem, dass nachts zwischen 22.00 und 5.00 Uhr niemand mehr draußen sein durfte. Nur Sport allein war bis 24 Uhr erlaubt. Außerdem gab es verschiedene Ausnahmen, zum Beispiel in medizinischen Notfällen, wegen des Berufs oder „zur Versorgung von Tieren“. Menschen aus einem Haushalt durften sich nur mit einer anderen Person und deren Kindern bis 14 Jahre treffen.

Schulen mussten in dritter Coronawelle auf Wechselunterricht umstellen

Schulen war vorgegeben, ab dem Schwellenwert 100 auf Wechselunterricht umzustellen, ein Teil der Schüler musste also zu Hause bleiben. Ab einer Sieben-Tage-Inzidenz von 165 war Präsenzunterricht ganz untersagt. Auch hier gab es Ausnahmen.

Die Einführung der Notbremse hatte eine Klagewelle in Karlsruhe ausgelöst. Weil die Maßnahmen direkt per Bundesgesetz vorgeschrieben wurden, war der Umweg über die Verwaltungsgerichte nun nicht mehr nötig. Bis zur zweiten Augusthälfte waren beim Verfassungsgericht mehr als 300 Verfassungsbeschwerden und Eilanträge eingegangen - teilweise gemeinschaftlich eingereicht, so dass es mehr als 8500 Klägerinnen und Kläger gab, wie das Gericht damals mitteilte.

Im frisch überarbeiteten Gesetz der künftigen Ampel-Koalitionäre sieht der Paragraf anders aus und enthält nun zum Beispiel die 3G-Regel am Arbeitsplatz. Aus mehreren Ländern gab es zuletzt aber Forderungen nach einer Neuauflage der „Bundes-Notbremse“.

Ampel-Koalition schaut nach Karlsruhe

Das Urteil dürfte Auswirkungen auf die Bund-Länder-Beratungen zur Corona-Krise am Dienstagnachmittag haben. Mehrere Politiker hatten zuvor weitere Lockdown-Maßnahmen nicht ausgeschlossen. „In diesen Tagen würde ich dringend empfehlen, jedem, der in der Politik auch Verantwortung hat, gar nichts auszuschließen, denn wir wissen nicht, wie die Entwicklung ist“, hatte die SPD-Vorsitzende Saskia Esken beispielsweise am Dienstag im ZDF-„Morgenmagazin“ gesagt. Sie verwies am Morgen allerdings auf die wegen der Impfquote grundsätzlich veränderte Situation.

Der Ruf nach härteren Gegenmaßnahmen war angesichts der neuen Omikron-Variante und der Wucht der vierten Corona-Welle zuletzt lauter geworden. Am Mittag wollen die geschäftsführende Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihr designierter Nachfolger Olaf Scholz (SPD) mit den Ministerpräsidentinnen und -präsidenten der Länder telefonisch über die Krise und mögliche weitere Maßnahmen beraten.

Wohl keine Beschlüsse bei Bund-Länder-Beratungen zu erwarten

Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU) dämpfte vor dem Bund-Länder-Treffen allerdings die Erwartungen. „Beschlüsse sind für heute nicht geplant“, sagte Braun am Dienstag in der Sendung „Frühstart“ von RTL und ntv. „Das war die Vorbedingung für das Treffen.“ Auf die Nachfrage, warum das Treffen nicht trotzdem genutzt werde, um eine gemeinsame Linie festzulegen, sagte Braun: „Ich kann nur wiedergeben, dass man vorab vereinbart hat, sich informell zu treffen. Aber ich fordere seit Tagen eine formelle Ministerpräsidentenkonferenz, und dass wir eine Notbremse vereinbaren.“ Die schon länger geplante Ministerpräsidentenkonferenz mit dem Bund zur Pandemie soll erst am 9. Dezember stattfinden. (afp, dpa, red)