Politikwissenschaftler Volker Kronenberg hat Zweifel am Gelingen eines Politikwechsels. Im Rundschau-Interview nimmt er Stellung zur Bundestagswahl.
Politikwissenschaftler zur Bundestagswahl„Bittersüßer Sieg für die Union“
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„Europa schaut nach Berlin, erwartet schnell eine handlungsfähige deutsche Regierung.“ Prof. Dr. Volker Kronenberg Politikwissenschaftler
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Die Ampel-Regierung ist abgewählt, die CDU aber schneidet schwächer ab, als viele erwartet haben. Klaus Müller sprach mit dem Politikwissenschaftler Prof. Dr. Volker Kronenberg über das vorläufige Bundestagswahlergebnis.
Ist das bisher bekannte Ergebnis ein klarer Regierungsauftrag für die Union?
Es ist wohl eher ein bittersüßer Sieg für die Union. Einerseits haben CDU/CSU die Wahl deutlich gewonnen, aber weit weniger strahlend als erwartet. Das bürgerliche Lager steht nicht bärenstark da. Eine FDP, die um den Wiedereinzug in den Bundestag zittert und eine Union, die trotz des Ampel-Verdruss unter 30 Prozent bleibt. So bleibt es noch ein Rätsel, wie die Politikwende gelingen soll, die ja von den Wählerinnen und Wählern erwartet wird und von der Union versprochen wurde.
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War Friedrich Merz der richtige Spitzenkandidat?
Er war sicherlich kein Zugpferd. Es ist ein Wahlsieg mit und ohne Friedrich Merz, weil er wohl Kanzler werden wird. Das Ergebnis der Union ist aber weniger der Stärke des Spitzenkandidaten zuzuschreiben, sondern vielmehr dem Wunsch nach einem Politikwechsel. Zudem dürfte die gemeinsame Abstimmung mit der AfD in der Migrationsdebatte die Union Stimmen gekostet haben.
Kann der Politikwechsel bei den schwierigen Mehrheitsverhältnissen gelingen?
Natürlich wird Merz als Kanzler der Union alles dran setzen, schnell eine handlungsfähige Regierung in der bürgerlichen Mitte zu bilden. Das wird ihm über kurz oder lang auch gelingen, mit einem oder zwei Parteien der abgewählten Ampelregierung. Aber das ist ja alles andere als ein Aufbruch. In den zentralen Fragen Migration, Innere Sicherheit und Wirtschaft steht Merz wohl eher vor der Quadratur des Kreises. Die Menschen wollen ja in diesen zentralen Bereichen die Wende. Aber auch nicht zu stark, also keine Zumutung – und vor allem darf es nichts kosten. Da ist bei vielen Wählerinnen und Wählern die Enttäuschung vorprogrammiert. Zudem schaut Europa nach Berlin, erwartet schnell eine handlungsfähige Regierung, da bleibt den Koalitionären keine Zeit zum Wundenlecken.
Wie ist das Abschneiden der SPD von Kanzler Scholz zu bewerten?
Eine dröhnende Niederlage mit klarer Ansage. Niemand glaubte ernsthaft, dass diese waidwunde Kanzlerpartei nach dem Ampel-Debakel noch einmal von Olaf Scholz zum Sieg geführt würde. Und trotzdem hat man sich auf diesen Weg begeben. Aber am Debakel ist auch die Parteiführung schuld.
Die AfD hat ihren Stimmenanteil fast verdoppelt.
Ja, die AfD ist ein klarer Sieger dieser Wahl, allerdings ohne Machtperspektive. Sie profitiert von der Enttäuschung der Wählerinnen und Wähler in den schon genannten Politikfeldern.
Wie erklären Sie sich das überdurchschnittliche Abschneiden der Linken?
Die Linke hat als krasses Gegenmodell zum Migrationskurs der AfD ganz klar gepunktet. Ihr gutes Abschneiden ist aber auch Friedrich Merz geschuldet. Sie hat sich als frische alternative Linke präsentiert und ganz klar von der Brandmauerdebatte profitiert. Vor allem auch von der Trennung von Sahra Wagenknecht. Die Linke hat es zudem verstanden, sich im Schlussspurt des Wahlkampfs als die klare soziale Alternative zu den Mitteparteien zu positionieren und in der antifaschistischen Melodie in der Bevölkerung Glaubwürdigkeit für sich zu reklamieren.
Wie interpretieren Sie die historisch gute Wahlbeteiligung von 83 Prozent?
Sie ist in unruhigen Zeiten ein positives Signal. Die Menschen sind politisiert, sie verweigern sich nicht, sie haben Zutrauen in den Parlamentarismus und in das politische System. Zwar haben 20 Prozent die AfD gewählt, aber die überwältigende Mehrheit hat Parteien ihre Stimme gegeben, die für das repräsentative liberale Demokratiemodell stehen. Und das ist ja sehr positiv.