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Bauern-DemoBauern legen mit ihren Traktor-Protestzügen Straßen in Köln und Umgebung lahm

Lesezeit 6 Minuten
Trecker-Demo in Hürth und Köln

Die Bauern in Hürth und benachbarten Gemeinden machen sich Luft. Eine Ampel auf dem Mist lässt die Forderung der Demo-Teilnehmer schnell erraten.

Mit mehreren Traktor-Demos auf den Straßen im Rheinland haben die Bauern ihrem Ärger über die geplanten Subventionsstreichungen durch die Bundesregierung Luft gemacht.

Die Finger sind klamm und wärmende Getränke Mangelware. Keine einladenden Bedingungen, um zu demonstrieren. Es ist Montagmorgen 8 Uhr am Acker-Feldweg „Zum Konraderhof“ in Hürth-Kalscheuren. Noch ist es dunkel und vor allem winterlich kalt. Tim Broicher läuft hektisch an den vielen, bereits aufgereihten blinkenden Treckern vorbei und verteilt Nummern. „Wir haben viel zu wenige gedruckt, 120, aber da kommen noch rund 350 mehr dazu, die sich kurzfristig angemeldet haben und mitmachen wollen. Irre!“ Broicher ist Mitkoordinator der großen Bauern-Demonstration an diesem Montag von Hürth in Richtung Köln. „Es kommen immer wieder Privatautos hier durchgefahren, die wir durch die Treckerreihe lotsen müssen. Aber das kriegen wir hin.“

Auf der Feldwegkreuzung hat sich mittlerweile ein Grüppchen von zehn Demo-Teilnehmern gebildet. Es werden Späße gemacht und geschimpft – vor allem auf die Ampel-Regierung. „Wenn der Habeck hier wäre, würde der nicht auf meinem Trecker kommen. Den würd` ich stehen lassen!“ Der Spaß kommt an. Demonstrieren muss auch ein bisschen Laune machen. Doch das Lachen ist eher Galgenhumor. Die Kritik bei den Bauern an der Regierung und der Politik überhaupt ist groß. „Die Ampel gehört auf den Misthaufen!“, kommentiert eine Demonstrantin und wärmt sich dabei mit einem Tee auf. „Die Politiker? Die kümmern sich um ihre Diäten, aber uns Bauern lassen sie im Stich.“ Die Stimmung schaukelt sich hoch.

Zum ersten Mal auf einer Demo

„Ich bin 70 Jahre alt, und das ist das erste Mal, dass ich an einer Demonstration teilnehme. Aber das Maß ist voll“, macht ein Landwirt aus dem Hürther Stadtteil Fischenich aus seinem Groll gegen die Pläne der Ampel-Regierung keinen Hehl. Er spricht schnell und im tiefsten rheinischen Dialekt. Sein buschiger Schnäuzer wippt beim Erzählen hektisch rauf und runter. Man spürt, dass er emotional angefasst ist. „Wenn die Subventionen für die Bauern wegfallen, ist das für viele existenzgefährdend. Da hört der Spaß dann auf!“ Seinen Namen will er nicht in der Zeitung lesen. Es gehe hier ja auch nicht mehr um ihn. Aus Solidarität zu den jüngeren Bauern in der Region habe er sofort zugesagt für die große Trecker-Demo nach Köln. Doch dann kommt doch der verschmitzte Rheinländer in ihm durch. Mit einem Lächeln erzählt er, dass er eigentlich mit seinem geliebten Lanz-Aulendorf-Oldtimer-Traktor kommen wollte. „Der ist aber offen und hat keine Heizung. Das war dann doch zu kalt.“

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Trecker-Demo in Hürth und Köln

Andreas Leiendecker und ein Landwirt-Kollege aus Hürth-Fischenich.

Es wird hell. Eigentlich sollte es planmäßig um 9 Uhr losgehen. Doch die Aufstellung der angemeldeten Trecker-Demonstration verzögert sich. Tim Broicher meldet, dass noch rund 50 Teilnehmer aus Düren kommen. „Auf die warten wir noch, und dann geht's los.“ Gegen 9.30 Uhr werden auch die ersten Teilnehmer unruhig. Die Kälte hat sich durch die Winterkleidung „gefressen“ und steigert die Ungeduld. Fast alle lassen die Motoren ihrer Trecker laufen, um sich ab und an in den Fahrerkabinen aufzuwärmen. Eine Landwirtin aus Düren hat einen Aufkleber an die Scheibe ihres Transporters geheftet: „Landwirtschaft ist BUNT, nicht braun“ steht da. „Das ist uns ganz wichtig. Wir wollen nicht mit Reichsbürgern und anderen Rechten in einen Topf geworfen werden.“

Auch Jörg Hoffsümmer aus Erftstadt-Ahrem hat diesen Aufkleber an seinem Trecker. Dazu, vorne gut erkennbar, ein großes Plakat: Stoppt sofort die Ampel. Regiert endlich wieder mit Verstand. Der 51-Jährige schont sich nicht bei seiner Demo-Teilnahme. Sein älteres Trecker-Modell, das aber noch täglich auf einem Pferdehof im Einsatz ist, hat eine nach hinten offene Fahrerkabine. Das wird kalt. „Mir macht das nichts, ich bin das gewohnt“, lacht Hoffsümmer, dick eingemummelt in eine dunkelblaue Daunenjacke und auf dem Kopf eine Wollmütze.

Wenn die Produktionskosten nun durch die Ampelpläne weiter ansteigen, kann das nicht funktionieren. Dann werden immer mehr Bauern aufgeben.
Jörg Hoffsümmer (51), Landwirt aus Erftstadt-Ahrem

Der Landwirt aus Leidenschaft, wie er sagt, will sachlich bleiben: Als die Ampel-Regierung Ende Dezember 2023 verkündete, dass die Steuerbefreiung für Landmaschinen und Agrardiesel-Subventionen wegfallen sollen, „war das Maß einfach voll“. Die deutschen Bauern seien dann gegenüber den Mitbewerbern in Europa nicht mehr konkurrenzfähig, kritisiert Hoffsümmer. „Wenn das so gekommen wäre, wie die Regierung das ursprünglich geplant hatte, wären das bei meinem Betrieb 12 000 Euro weniger gewesen im Jahr.“ Jeder hier wolle doch, dass die Lebensmittel möglichst aus Deutschland kommen. Aber dann müsse man auch dafür sorgen, dass die Betriebe erhalten bleiben und überleben können.

Hoffsümmer erinnert ans letzte Jahr, als viele Erdbeerbauern ihre Felder durchgehäckselt hatten, weil sie ihre Erdbeeren nicht gewinnbringend losgeworden sind. „Wenn die Produktionskosten nun durch die Ampelpläne weiter ansteigen, kann das nicht funktionieren. Dann werden immer mehr Bauern aufgeben.“

10.11 Uhr: Die Dürener sind angekommen. Es geht endlich los. „Wird Zeit.“ Andreas Leiendecker springt in sein Fahrerhaus seines Treckers, ein Claas Arion von 2009. „Der kann mit den modernen Hightech-Maschinen natürlich nicht mithalten. Die kosten so viel wie ein Lamborghini“, schmunzelt der 39-Jährige, der Bauer im Nebenerwerb ist. Den landwirtschaftlichen Betrieb in Brühl-Schwadorf hatte er vom Vater übernommen.

Lange Trecker-Reihen beim Start

Langsam werden auch die ausgekühlten Finger wieder warm. „Wir hätten mit einem dieser Lieferservice-Firmen kooperieren sollen, die uns dann mit Essen und Trinken unterwegs versorgt hätten.“ Viel später auf der Severinsbrücke in Köln werden sie dann tatsächlich noch mit Essen und warmen und kalten Getränken versorgt. Im Radio laufen die Nachrichten zu den Straßensperrungen im Rheinland. Hürth und Köln werden gleich dazukommen.

Die Reihe der Trecker, Lkw und Privatautos auf den Feldwegen und Straßen des Aufstellpunktes sind lang, sehr lang. Die Fahrzeuge stehen auf dem Marktweg bis zur Kölnberg-Hochhaussiedlung im angrenzenden Kölner Stadtteil Meschenich, zudem auf dem gesamten Feldweg „Zum Konraderhof“ und auf der Straße „Am Kölnberg“ ebenfalls Richtung Meschenich. Es knubbelt sich. Die Polizei lässt die Teilnehmer im Reißverschlussverfahren auf die Straße „Im Feldrain„ einfahren. Langsam bewegt sich der Trecker-Lindwurm dann in Richtung Container-Terminal Köln-Eifeltor. Auch akustisch machen sich die Landwirte nun bemerkbar. Mit ihren mächtigen Hupen sorgen sie für die nötige Lärm-Unterstützung ihrer Anliegen. „Ich hupe heute nicht“, lacht Andreas Leiendecker, der sich sichtlich darüber freut, dass es nun nach Köln in die Stadt geht.

Viele Passante heben den Daumen

Am Straßenrand heben immer wieder Passanten die Daumen nach oben und geben damit ihre Solidarität mit den Bauern kund. „Das freut mich. Und zeigt mir, dass die Leute verstehen, dass wir Bauern es sind, die ihre Lebensmittel produzieren“, so der 39-Jährige. Man sehe ja auch bei den Teilnehmern, dass Handwerker, Transport-Unternehmen, Gastronomen und Anwohner an der Seite der Bauern stehen. „Uns eint, dass wir mit den Maßnahmen der aktuellen Regierung nicht einverstanden sind. Wir brauchen eine Politik, die unsere Arbeit in unseren Betrieben unterstützt und uns nicht ständig Knüppel zwischen die Beine wirft.“

Die Trecker-Kolonne mit mehreren Hundert Bauern und vielen weiteren Teilnehmern, die aus Solidarität mitfahren, erreicht endlich Köln. Über die Luxemburger Straße geht es in Richtung Innenstadt und anschließend über die Severinsbrücke zum Wendepunkt, nahe des Senders RTL. Wo die Trecker fahren, muss der übrige Verkehr stehen. Auch die Stadtbahnen der Linie 18 haben auf der Luxemburger Straße Pause. Die Fahrgäste müssen an den Haltestelleneinstweilen ausharren. Die Polizei scheint aber alles gut im Griff zu haben. Verärgerte Autofahrer sind vom Trecker aus nicht zu sehen und zu hören. „Wollen wir hoffen, dass der ganze Aufwand auch was bringt“, sagt Leiendecker und fügt hinzu: „Sonst müssen wir noch mal fahren.“