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AnalyseWie Angela Merkel gegen die Corona-Müdigkeit ankämpft

Lesezeit 4 Minuten
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Angela Merkel bei einer Pressekonferenz zu neuen Corona-Maßnahmen

  1. Kanzlerin Angela Merkel verteidigt in der Regierungserklärung die Beschlüsse von Bund und Ländern.
  2. Sie verweist auf die Gefährlichkeit der Mutationen, beteuert aber auch: „Ich vergesse keinen einzigen Tag, was die Einschränkungen bedeuten.“

Während sich die Opposition an ihr abarbeitet, schaut Kanzlerin Angela Merkel nach rechts  - und beugt sich über leere Stühle hinweg ihrem Finanzminister Olaf Scholz zu. Die CDU-Kanzlerin und der SPD-Vizekanzler - sie beide stehen für die Beschlüsse, die der Bund am Mittwoch mit den Bundesländern getroffen hat. Für beide Regierungsparteien sind sie schwierig zu verkaufen. Doch sie sind Ausdruck der tiefen Überzeugung des Bündnisses an der Spitze des Landes.

Merkel verteidigt in ihrer Regierungserklärung am Donnerstag dann auch die Entscheidung gegen einen festen Fahrplan für weitere Öffnungsschritte. „Wir gehen sozusagen mit dem Virus in einen Kampf, das ist unser Gegner“, sagt sie. „Ich glaube nicht, dass das Hin und Her, einmal öffnen, einmal wieder schließen, für die Menschen mehr Berechenbarkeit bringt als ein paar Tage länger zu warten und sich den Überblick darüber zu verschaffen, dass man in einem kontinuierlichen Prozess wirklich auch öffnen kann“, erklärt die Regierungschefin.

FDP-Chef Christian Lindner wird ihr später vorwerfen, angesichts der großen Erschöpfung in der Gesellschaft seien die Erwartungen an die Runde groß gewesen, die Hoffnungen aber enttäuscht worden. Auch nach einem Jahr bleibe der wesentliche Grundsatz: „Wir bleiben Zuhause“. Das reiche nicht aus.

Merkel hat Fehler eingeräumt

Merkel räumt Fehler ein und sagt rückblickend, dass man eine zweite große Corona-Welle im Herbst wegen mangelnder Konsequenz der damaligen Beschlüsse bekommen habe. Man habe nicht ausreichend auf die Warnungen einiger Wissenschaftler vor einem erneuten Hochschnellen der Infektionszahlen gehört. Dass sie die Ministerpräsidenten genau davor gewarnt hatte, das lässt sie im Bundestag unerwähnt. Sagt stattdessen, dass die „Trendumkehr“ gekommen sei. „Die Todeszahlen scheinen zu sinken, wenigstens werden keine neuen Höchststände erreicht.“ Allerdings seien die Virusmutanten eine „reale Gefahr“. Sie seien aggressiver und leichter übertragbar als die bisherigen Formen. „Es kann auch in Zukunft weitere unerfreuliche Entwicklungen geben", setzt sie noch hinzu.

Genau das ist Merkels Problem in dieser Phase der Pandemie. Sie kann zur Begründung der weiteren Schließungen nicht auf gesicherte Zahlen verweisen. Die vielen Infektionen in den Grenzgebieten und die Erfahrungen anderer Länder mit den aggressiven Virusmutanten dürften nicht jeden überzeugen. Vielmehr muss die Physikerin wegen der neuen Gefahr nun an das Gefühl appellieren.

„Jeder weiß, wie sehr die Menschen leiden“, sagt Merkel. Sie vergesse „keinen einzigen Tag, was die Einschränkungen bedeuten“. Dennoch seien die beschlossenen Maßnahmen die richtigen gewesen. Es gebe weiterhin kein milderes Mittel, um das Infektionsgeschehen auf ein beherrschbares Niveau zu bringen.

Unterstützung für Kurs gerät ins Wanken

Merkel geht vor dem Bundestag auch darauf ein, dass das Kanzleramt die Fragen der Schulen am Mittwoch abgegeben hat. Die Kanzlerin hatte keine Lust mehr zu kämpfen und sich vorhalten zu lassen, dass sie für die Belange von Kindern und Jugendlichen kein Händchen habe. Doch sie  bekräftigt, dass sie sich  beim weiteren Vorgehen an Schulen und Kitas einen strengeren Kurs erhofft hätte. Sie habe sich an dieser Stelle gewünscht, „dass wir auch hier entlang der Inzidenz entscheiden, aber ich habe auch akzeptiert, dass es eine eigenständige Kultushoheit der Länder gibt, vielleicht das innerste Prinzip der Länder.“ So klingt jemand, der gerne „Basta“ gesagt hätte. Sie weiß aber, dass die Ministerpräsidenten ihr dabei nicht mehr gefolgt wären.

Zur Wahrheit gehört auch, dass sie ohne diesen Schritt noch mehr Rechtfertigung gebraucht hätte. Die Unterstützung für ihren vorsichtigen Kurs gerät ins Wanken - oft wider besseren Wissens. Doch alle Vertreter der Regierungskoalition wiesen bei ihren Ansprachen im Bundestag auf die „Stimmung im Land“ hin. Ja, die Menschen sind mürbe geworden ob der x-ten Woche des Lockdowns. Die Sorge, ob die Geschäfte und Restaurants diese Wochen überstehen, tritt immer häufiger in den Vordergrund. Aufgerieben zwischen Home-Office und Home-Work wollen viele schnelle Öffnungsschritte sehen, wie sie derzeit etwa in Österreich stattfinden. Zugleich sind viele Menschen in Trauer und Sorge um Angehörige, fürchten um die eigene Gesundheit und die Überlastung der Krankenhäuser. Hier einen Ausgleich zu finden, ist schwer.

Merkel kann der Bevölkerung die Ängste nicht nehmen. Nicht die um die Gesundheit, nicht die um die wirtschaftliche Existenz. All die staatlichen Vorsichtsmaßnahmen und Geldgeschenke - sie können nur lindern.

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Dass die Länder am Ende ihren Kurs doch mittragen, liegt auch an Merkel selbst. Die Verhandlungen seien im Ton zwar genervter geworden, doch noch immer genieße Merkel parteiübergreifend große Autorität, sagt ein Verhandler. Am Ende hat sie bislang mit ihrem vorsichtigen Kurs immer Recht behalten. Auch wolle niemand durch einen Alleingang am Ende die Verantwortung übernehmen, sollten sich Merkels Befürchtungen wieder bestätigen. Und anders als alle anderen am Verhandlungstisch könne sie ohne jede Angst wegen kommender Wahlen agieren, heißt es. Auch das dürfe niemand unterschätzen.

Merkel sieht es in den letzten Monaten ihrer Amtszeit als ihre oberste Aufgabe, das Land ohne eine Überlastung des Gesundheitssystems und sicher  durch diese Krise zu führen. Dafür werde sie bis zum letzten Tag ihrer Amtszeit kämpfen. „Das ist auch mein Auftrag.“