Berlin – Die Menschen sorgen sich, haben Angst, fürchten um das Leben ihrer Angehörigen. Und sie haben Fragen. Viele Fragen rund um Corona. Eigentlich Zeit für Klartext, für Aufklärung, für eine Kampagne, die alle verstehen. Doch genau jene Behörde, die die Bevölkerung über Gefahren und Schutz der Gesundheit aufklären könnte: Mitten in der Pandemie irgendwie abgetaucht? Und dann auch noch Querelen wegen der Besetzung des Direktorenpostens im selben Amt – just in der akuten Phase im Kampf gegen ein Virus, das die Welt gefangen hält. Das ist jetzt auch ein Fall für den Bundestag.
Teile der Opposition im Plenum des Reichstagsgebäudes sind jedenfalls auf dem Baum. Es geht um die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) mit Sitz in Köln. Abgeordnete wie Fachleute beklagen eine nach außen auffällig empfundene Passivität der Gesundheitsaufklärer im Kampf gegen die Pandemie wahr. Und weil die Parlamentarier dazu jede Menge Fragen haben, hat jetzt auch die Bundesregierung wegen der BZgA zusätzlich Arbeit.
Wichtige Arbeit könnte jetzt geleistet werden
Wie es sein könne, dass die Kölner Behörde selbst nach Meinung einiger Expertinnen und Experten als „erstaunlich unsichtbar“ wahrgenommen werde, wo die BZgA doch gerade jetzt -- ihrem Namen folgend -- wichtige gesundheitliche Aufklärung rund um die Bewältigung des Corona-Virus leisten könnte, wollen etwa die Grünen im Bundestag mit einer Kleinen Anfrage von der Bundesregierung wissen. Denn die Grünen-Gesundheitspolitikerin Kirsten Kappert-Gonther sieht derzeit für die BZgA „eine enorme Aufgabe in dieser Pandemie“. Die Menschen wollten beispielsweise wissen, wie verträglich die Impfstoffe seien, wie man überhaupt an einen Impftermin komme, wie lange man eine FFP2-Maske tragen könne oder warum die Menschen weiter sparsam mit ihren Kontakten sein müssten. Fragen über Fragen, bei deren breitflächige Beantwortung die Kölner Behörde helfen könnte.
Dazu bräuchte das Land „groß angelegte Aufklärungskampagnen“ mit grundlegenden Informationen zur Bewältigung dieser Pandemie. „Das wäre die genuine Aufgabe der BZgA. Warum die Behörde ihr Potenzial, die Bevölkerung niederschwellig zu informieren, regelrecht verschenkt, ist mir schleierhaft“, sagte Kappert-Gonther unserer Redaktion.
Nationaler Pandemieplan maßgebend
Das Bundesgesundheitsministerium, dem die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung unterstellt ist, teilte dazu auf Anfrage mit, für die Maßnahmen zur Information und Aufklärung der Bevölkerung seien „bei einer großflächigen, national bedeutsamen Gefahren- und Schadenslage mit Betroffenheit der Inneren Sicherheit und des Gesundheitswesens, wie sie bei der Corona-Pandemie besteht, die Regelungen des Nationale Pandemieplans maßgebend. Dementsprechend ist die BZgA seit Beginn der Pandemie maßgeblich an den Informations- und Aufklärungsmaßnahmen der Bundesregierung zum neuartigen Corona-Virus Sars-CoV-2 beteiligt“, heißt es dazu im besten Beamtenjargon.
Doch die Opposition will sich mit dieser Art von Initiative nicht zufriedengeben und fordert von der Kölner Behörde mehr Engagement. Es fehle bei der „Jahrhundert-Aufgabe dieser Pandemie“ eine umfassende Aufklärung der Bevölkerung. „Die BZgA müsste eine solche Strategie initiieren und nicht nur Stückwerk liefern“, ärgert sich die Grünen-Politikerin Kappert-Gonther. Woran es hakt? „Fehlendes Vertrauen seitens des Bundesgesundheitsministeriums in das Funktionieren der Behörde und eine überfällige Neustrukturierung sind vermutlich entscheidende Faktoren.“ Und so hakt es im Amt auch an der Spitze. Nun verabschiedet sich die bisherige Leiterin Heidrun Thaiss Ende Januar in den altersgerechten Ruhestand, „wie allgemein üblich mit Eintritt des Rentenalters“.
Querelen wegen der Besetzung des Direktorenpostens
Ein fragwürdiges, weil als intransparent empfundenes Bewerbungsverfahren um die Nachfolge mit einer kurzen Bewerbungsfrist ist inzwischen wieder ausgesetzt. Dabei las sich die Stellenausschreibung schon wie ein Hilferuf: „Die BZgA braucht ein Update. Im Auftreten, im Selbstverständnis, in der Kommunikation. Das ist die Herausforderung, der Sie sich als neue(r) Direktorin/Direktor der Behörde stellen müssen.“ Vorerst übernimmt der bisherige Stellvertreter kommissarisch die Behörde. Kappert-Gonther: „Jetzt ist die Stellenausschreibung gestoppt und der Posten wird zunächst kommissarisch besetzt – das alles mitten in einer solchen Pandemie.“ Die Gesundheitspolitikerin plädiert „für eine breit gestreute Ausschreibung“. Bislang seien gerademal 15 Bewerbungen „für eine solche hoch begehrte Stelle eingegangen“. Es müsse eine Persönlichkeit an der Spitze der BZgA gefunden werden, die die Behörde umstrukturieren könne und „kampagnenfähig“ sei.
Auch die Grünen-Vorsitzende Annalena Baerbock erreichte jetzt Fragen zum Auftreten der Kölner Gesundheitsschützer. Baerbock erzählt von einem Gespräch mit Pflegekräften aus Sachsen-Anhalt, die deutlich gemacht hätten, sie wollten ja geimpft werden, aber sie wollten eben auch wissen: „Wir funktioniert das? Wie wirkt das?“ Solche grundlegenden Informationen müssten „breit flächendeckend“ bereitgestellt werden – auch durch die BZgA. Auch über Schnelltests zur Eigenanwendung könnte die Kölner Behörde die Bevölkerung aufklären, wenn sie denn tätig würde. „Dass das alles nicht stattfindet, ja, das ist ein großes, großes Versagen des Gesundheitsministeriums an dieser Stelle“, betont Baerbock.
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Im Hause des obersten Corona-Bekämpfers Jens Spahn heißt es hingegen, bereits Ende Januar 2020 habe man eine ad-hoc-Kampagne gestartet, mit der die Bevölkerung in Deutschland mittels Zeitungsanzeigen, Radiospots und in den sozialen Medien über das neuartige Coronavirus informiert und über die Maßnahmen zu Selbstschutz aufgeklärt worden sei. Diese Kampagne sei „von der BZgA mitgestaltet und weitestgehend von ihr durchgeführt“. Die Parlamentarische Staatssekretärin Sabine Weiss erklärte auf die Kleine Anfrage aus dem Plenum: „Im Rahmen der übergreifenden Aufklärungs- und Informationskampagne des BMG wird die BZgA Teilkampagnen entwickeln und entweder selbst oder gemeinsam mit dem BMG umsetzen.“ Ob man mit derlei Verve allerdings die Bevölkerung erreichen kann, bezweifeln Experten wie Parlamentarier. Wo die Pharmalobby kurz vor den abendlichen Hauptnachrichtensendungen für Medikamente gegen Reizdarm werbe, könnte derzeit besser Sendezeit für eine Kampagne geschaltet werden. „Hier müsste die BZgA tätig werden“, sagt Kappert-Gonther. Aufklärung gegen Corona statt Pillen gegen Reizdarm.