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Sympathischer OlympiasiegerJung denkt im Moment des großen Triumphs vor allem an sein Pferd „Chipmunk“

Lesezeit 5 Minuten
29.07.2024, Frankreich, Versailles: Olympia, Paris 2024, Pferdesport, Vielseitigkeit, Einzel, Springreiten, Deutschlands Michael Jung reitet auf Chipmunk FRH durch den Parcours.

Nach dem Ritt war Jung voll des Lobes für sein Pferd Chipmunk.

Michael Jung, weltbester Vielseitigkeitsreiter, siegte bei den Olympischen Spielen in Paris und denkt schon an die kommenden Wettkämpfe. Er hebt besonders die starke Leistung seines Pferdes „Chipmunk“ hervor.

Die Nacht nach den „historischen Momenten von Versailles“ war zwar nur kurz, aber „ich habe sehr gut geschlafen“. Nach dem Triumph mit seinem vierten Olympia-Gold und dem Trubel beim Empfang im Deutschen Haus am späten Abend ist Michael Jung in Gedanken schon wieder bei seinem Reiterhof im baden-württembergischen Horb – der Alltag ruft den 41 Jahre alten Rittmeister mit Macht. „Wir fahren mittags nach Hause, es ist ja nicht so weit“, kündigt er an. Seine Familie und seine Arbeit sind dem besten Vielseitigkeitsreiter der Welt immer noch das Wichtigste, die Grundlage aller seiner Erfolge. Es hat ihm etwas ausgemacht, erst sieben Stunden nach seinem Triumph im Schlossgarten von Versailles all seine Leute wiederzusehen.

29.07.2024, Frankreich, Versailles: Olympia, Paris 2024, Pferdesport, Vielseitigkeit, Mannschaft, Springreiten, Deutschlands Michael Jung reitet auf Chipmunk FRH durch den Parcours.

Höchste Konzentration beim Sprung.

Von Mikrofon zu Mikrofon ist er geeilt. Als im Deutschen Haus vor der Pressekonferenz alles in gespannter Stille auf seine Antworten am Tag danach wartet, ruft er in die Runde: „Tolle Stimmung hier.“ Und sofort wird es lauter, Michael Jung ist einfach ein großer Sympathieträger, einer, der alles im Blick hat, nie etwas vergisst – und auch in der Stunde seines größten Erfolges sofort wieder an die Zukunft denkt.

Jung: „wir haben Spaß daran“

Nach historischen Stunden in Versailles beschäftigt den „neuen Sonnenkönig“, wie er schnell genannt wird nach dem vierten Olympia-Gold (dreimal im Einzel, einmal mit der Mannschaft) keineswegs der Gedanke an das Karriereende. „Ich habe das Privileg, dass ich meinen Sport betreiben kann, solange ich topfit bin. Ich kann das noch lange machen. Ich denke fest an Aachen, die Weltmeisterschaften und natürlich an die Olympischen Spiele 2028 in Los Angeles.“ Keine Zweifel, nicht einen einzigen Moment, „wir haben Spaß daran“.

Michael Jung reitet nach der Siegerehrung auf Chipmunk und zeigt seine Goldmedaille.

Michael Jung reitet nach der Siegerehrung auf Chipmunk und zeigt seine Goldmedaille.

„Es war wirklich einmalig, es ist nicht einfach, in solch entscheidenden Momenten die Ruhe zu bewahren. Der Abwurf im ersten Springen durfte mich nicht beschäftigen, es war mein Fehler, aber Chipmunk ist ein solch fantastischer Partner – mancher Mensch könnte froh darüber sein, ein solches Leben und einen solchen Charakter wie Chipmunk zu haben. Chipmunk hat mich im zweiten Springen gerettet“, analysierte er seinen Olympia-Erfolg. Dreimal Einzelgold hat vor ihm noch niemand erreicht im Vielseitigkeitsreiten, aber von sich selbst spricht Michael Jung immer erst später. Immer wieder geht es in erster Linie um sein Pferd: „Seine Ruhe, seine Konzentration, seine Kraft und seine Energie sind einmalig.“ Und das im entscheidenden zweiten Umlauf, auf dieser großartigen Anlage, in Versailles vor Zehntausenden.

Deutschlands Michael Jung jubelt nach seinem Ritt über Gold.

Deutschlands Michael Jung jubelt nach seinem Ritt über Gold.

Wie der Olympiasieger diesen Rummel verarbeiten wird? „Schwer zu sagen. Ich brauche sicher noch ein paar Tage. Es war schon ein besonderer Moment. Deshalb habe ich auch nochmal auf die Anzeige geschaut, weil ich es nicht glauben konnte, und dann ist es Realität. Es geht mir sehr gut, wirklich, ich bin dankbar.“ Auf die Frage, wie man in solchen Momenten größter Spannung und Anspannung bei sich selbst bleiben und die Ruhe bewahren kann, sagt er: „Es ist schwer, das in kurzen Worten zu erklären. Chippis und meine Vorbereitung waren optimal, das Abreiten vor der Entscheidung ebenfalls optimal, er wusste, was auf ihn zukam, und er hat nachher gewusst, dass er es gut gemacht hat, als er seine Möhren, die Küsse und die Anerkennung bekommen hat, die er verdient.“

Keinerlei Verständnis für Dujardin

Einem wie Michael Jung fehlt jegliches Verständnis für eine englische „Dame“ wie die dreimalige Olympiasiegerin Charlotte Dujardin, die ihr Pferd mit der Peitsche schlägt: „Das will ich nicht haben, das ist unvorstellbar, ich verstehe das nicht.“ Es macht ihn sichtlich betroffen, einen, der für seinen Sport steht. Es ist unwirklich für ihn, einen Sportpartner zu schlagen, ein Ding der Unmöglichkeit.

Versailles war bei all seiner Erfahrung etwas ganz Besonderes. „London war sehr bedeutend für mich, weil es mein erstes Olympia war, Rio war sehr besonders, Tokio auch, aber Versailles war atemberaubend.“ Was ihm das Wichtigste ist? Die Dressur, das Gelände oder das Springen? Jung überlegt lange. „Es hat alles Spaß gemacht, an allen Tagen. Die Dressur war fantastisch, aber in Versailles durch den Schlosspark zu reiten, das ist wirklich großartig.“

Michael Jung reitet auf Chipmunk FRH durch den Parcours.

Michael Jung reitet auf Chipmunk FRH durch den Parcours.

Bei höchster Konzentration und höchster Geschwindigkeit war der Geländeritt am Ende vielleicht sein olympisches Meisterstück. Danach übernahm er die Führung im Wettbewerb, gab sie nach dem ersten Durchgang des Springens nur kurz ab. Weil die Britin Laura Collett auch nicht fehlerlos blieb, führte er vor der Entscheidung wieder. „Und dann kommt es eben darauf an, in kurzer Zeit optimal abzuliefern. Und das ist im zweiten Springen gelungen.“

Aber das geht nur, wenn Pferd und Reiter optimal miteinander klarkommen: „Es hat alles gepasst, wirklich alles.“ Da muss selbst Michael Jung auch am Tag danach noch kurz die Luft anhalten, ist kurz vor den Tränen. Da ist es dann gut, wenn einen die Siegerehrung, fragende Journalisten, die Dopingprobe und eine überquellende Mailbox danach zumindest ablenken.

Und wieder ist er bei Chipmunk. „Ihm hat das gefallen in Versailles, die vielen Leute, die Anlage – ihm hat es gepasst, es war alles genau richtig.“ Michael Jung ist sich sehr bewusst, was das bedeutet. Das sind unbezahlbare olympische Augenblicke, Momente für die Ewigkeit.