Der iranisch-stämmige Autor Behzad Karim Khani las am Montagabend im Literaturhaus aus seinem Debütroman „Hund Wolf Schakal“. Eingeladen hatte die Uni Köln im Rahmen einer Ringvorlesung zur Lage im Iran.
Roman-BesprechungBehzad Karim Khani liest im Literaturhaus seinen Debütroman
„Wir sind ein kompliziertes Volk!“ Diese Aussage von Behzad Karim Khani kam Montagabend im Literaturhaus nicht bei allen Besuchern im Publikum gut an – darunter viele, die ihre Wurzeln im Iran haben. Voraus gegangen war eine intensivere Diskussion über die aktuelle Lage im Land, die von Moderatorin Katajun Amirpur geleitet wurde. „Ich habe für mich entschieden, mich aus den Lagerkämpfen der im Exil lebenden Iraner zu verabschieden. Ich vertraue auf die Menschen im Iran und nicht uns“, so Khani, der seine teils provozierenden Äußerungen regelmäßig auch in verschiedenen Medien publiziert.
Eingeladen war Khani, um aus seinem Debütroman „Wolf Hund Schakal“ (Hanser Verlag, 34 Euro) zu lesen – im Rahmen der Ringvorlesung „Frau, Leben, Freiheit – emanzipatorische Potenziale“. Organisiert wird diese von der Universität Köln (siehe Kasten).
Fulminante Milieuschilderung im Kiez von Berlin-Neukölln
Dabei geht es im Buch in der Hauptsache gar nicht um den Iran, sondern um das Leben zweier Brüder, die mit ihrem Vater vor dem Mullahregime aus Teheran nach Neukölln in Berlin geflüchtet sind. Dem Autor ist damit ein fulminanter Milieu-Roman gelungen.
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Wer ist man in einem Leben voller Gewalt, Männlichkeit, Ehre und Geld? In „Hund, Wolf oder Schakal?“ findet sich dazu eine verstörende Anmerkung: Der Hund frisst dir aus der Hand und verteidigt dich gegen den Wolf. Der Wolf ist wild und würde versuchen, auch deine Hand zu fressen, obwohl sie ihm vorher Futter gab. Der Schakal ist irgendwie beides. Und alle können sich miteinander paaren. Die Frage bleibt: Wer also bist du?
Saam und Nima sind Brüder. Geboren in der iranischen Hauptstadt Teheran. Als Kinder mit dem versehrten Vater vor den Revolutionsgarden nach Berlin geflohen. Der Vater ist ein überzeugter Marxist, der seine Frau in den Kerkern der Mullahs verloren hat. Er selbst hat in den Revolutionswirren bei einem Attentat ein Bein verloren. Nach seiner Flucht schlägt er sich in Berlin als Taxifahrer durch, wird aber nie richtig ankommen in Deutschland.
Schicksal zweier iranisch-stämmiger Brüder
Die Brüder gehen im Kiez von Berlin-Neukölln zunächst völlig unterschiedliche Wege. Der eigentlich sensible und fantasievolle ältere Saam wird gleich am ersten Schultag von Heydar, dem deutsch-libanesischen Anführer in seiner Klasse, in seine Dienste eingeführt. Er steigt auf vom hilflosen iranisch-stämmigen Jungen zum gefürchteten Schläger auf der Straße. Noch als Teenager lernt er, wie sich mit Einbrüchen, illegalen Verkäufen und Drogen das geringe Taschengeld seines Vater vervielfachen lässt. Endgültig „erwachsen“ wird Saam, als er mit Billigung von Heydar einem zahlungsunwilligen Widersacher im Alleingang den Schädel einhaut. Es gibt für ihn keinen anderen Weg mehr als die Gewalt.
Nima hingegen geht aufs Gymnasium und verliebt sich in die Tochter einer Berliner Hipster-Familie. Bis auch er erkennen muss, dass ein iranisch-stämmiger Junge anders ist als weiße Deutsche.
Mit großer Wucht und Tempo erzählt Behzad Karim Khani die Geschichte der Brüder. Szenenhaft beschreibt er den Kiez-Alltag der halbstarken, jungen Erwachsenen, die sich ständig verbal bedrohen, erpressen und sich regelmäßig das Hirn und die Eingeweide zerschlagen. Oder sich im schlimmsten Fall mit Messern und Schusswaffen gegenseitig das Leben nehmen – manchmal einfach nur, weil „es sein muss“, um zu zeigen, dass man stärker ist, um zu präsentieren, wem die Straße gehört.
Sprache hat den Rhythmus eines Rapsongs
Khanis Sprache beschönigt nichts, suhlt sich nicht aber auch nicht effekthascherisch im Blut seiner Protagonisten. Seine Geschichten haben den Rhythmus von Rapsongs, ohne in die Gangster-Rap-Sprache zu fallen. Im Gegenteil: Er verleiht ihnen Würde und auch Klugheit im Milieu toxischer Dummheit und Gewalt der Straße.
Als Saam zu einem Anführer im Kiez aufsteigt, wie selbstverständlich Tausende von D-Mark in der Hosentasche trägt, bricht sein moralischer Vater mit ihm. Sein Bruder Nima ist die letzte Verbindung zur Familie.
Irgendwann ist es ein Raubüberfall zu viel. Saam wird angeschossen und landet für vier Jahre im Gefängnis – auch weil er die Schuld auf sich nimmt und keinen verrät. Auf der Straße wird er dafür gefeiert. Durch einen Mitgefangenen beginnt er zu lesen. Sein Blick auf seine Welt im Kiez verändert sich. Entkommen kann er ihr jedoch nicht.
Nima geht den entgegengesetzten Weg. Nun handelt er mit Drogen und hat im Kiez den Platz seines Bruders eingenommen. Wo das hinführt, weiß nur Gott.
Behzad Karim Khani beantwortete im Literaturhaus auch noch die Frage, wer er wohl selbst ist. „Ich denke, ich bin der Schakal“, so seine vielsagende Antwort.
Ringvorlesung zum Iran
Die Ringvorlesung „Frau, Leben, Freiheit – emanzipatorische Potenziale“ der Universität Köln findet jeweils montags um 18 Uhr an verschiedenen Orten statt. Am 12. Juni spricht Behshid Najafi in der Melanchthon Akademie (Kartäuserwall 24b) über „Migrantischen Feminismus“. Alle Termine unter orient.phil-fak.uni-koeln.de