Geistlicher, Literat und Sammler: Ferdinand Franz Wallraf hatte viele Facetten. Köln ehrt seinen großen Sammler zu dessen 200. Todestag am 18.März.
Porträt zum 200. TodestagWer war Kölns großer Sammler Ferdinand Franz Wallraf?
Etwas Geisterhaftes hafte Ferdinand Franz Wallraf (1748 – 1824) an, erklärte die Historikerin Gudrun Gersmann einmal. Zwar sei sein Name in der Stadt allgegenwärtig. Aber trotzdem sei seine Biografie schwer zu fassen. „Durch den tragischen Einsturz des Historischen Archivs hat nicht einmal sein schriftlicher Nachlass die Zeitläufe überdauert“, so Gersmann.
Viele Spuren sind verschwunden, aber trotzdem gehört der Sammler, Literat und Universalumtriebige zu den prägendsten Persönlichkeiten der Stadt. Zu seinem 75. Geburtstag erhielt Wallraf am 20. Juli 1823 eine Jubelfeier, wie sie wohl kein Kölner vor und nach ihm wieder erlebt haben dürfte. Man verlieh ihm die Bürgerkrone, einen Kranz aus Eichenblättern, der im Römischen Reich als eine der höchsten militärischen Auszeichnungen galt. Und er wurde zum Erzbürger ernannt.
Als er sieben Monate später am 18. März 1824 starb, war die darauffolgende Beisetzung „ein Tag der Trauer der ganzen Stadt“, wie sich ein Zeitzeuge, der Kölner Schriftsteller Ernst Weyden, erinnerte. Dieser erlebte den Ehrenbürger noch als Kind, durfte sich seine Sammlung mit den „Heideköpp“ anschauen — gemeint waren römische Münzen mit Persönlichkeiten der Antike.
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Sammeln als zentrale Lebensaufgabe
Wallraf selbst war von Menschen seines Umfelds als Kind und junger Mann gefördert worden und gab das offenbar weiter. Das Sammeln war ihm eine zentrale Lebensaufgabe: Dazu gehörten Kunstschätze, die im Zuge der Säkularisation auf der Straße landeten, sowie Erwerbungen aus offiziellen und weniger offiziellen Handlungen.
Als Geistlicher hatte er keine Kinder, also vermachte er seinen gesamten Besitz der Stadt. Er war der Begründer der Kölner Museumslandschaft. Straßennamen, Inschriften oder der von ihm geplante, parkähnliche Friedhof Melaten sowie der Botanische Garten zeugen von seinem Einsatz für die Stadt.
Vermächtnis auf Kölns Straßen
Auch 200 Jahre nach seinem Tod ist Köln durch das Vermächtnis des berühmten Sohnes geprägt. Nicht nur aufgrund des nach ihm und dem später auf den Plan tretenden Wildhäutehändler und Mäzen Heinrich Richartz (1795 – 1861) benannten und 1861 eröffneten Museums.
In unruhigen Zeiten zwischen Französischer Revolution und politischer Restauration (1789 und 1815) engagierte er sich für den Erhalt der Kulturgüter der Stadt und dafür, dass die Blüte Kölns im Mittelalter nicht in Vergessenheit geriet.
Nachdem 1798 die Universität durch die französische Besatzung aufgehoben worden war, wurde Wallraf im folgenden Jahr Lehrer der Zentralschule, die der Universität nachfolgte. Er erhielt das Amt als „Conservateur des monuments“, welches 1807 im Rahmen der Bodendenkmalschutzverordnung der Unterpräfektur auf den damaligen Landkreis Köln erweitert wurde.
In dieser Funktion arbeitete er mit den neuen Herrschern in der Franzosenzeit (1794 –1818) zusammen. Die Stadtgeschichte sollte in die Umbenennung der Wege, Straßen und Plätze einfließen. Aus der „Pißgasse“ wurde das „Börsengässchen“ – in der französischen Zeit die „Passage de la Bourse“. Den „Eselmarkt“, der ihm wahrscheinlich zu vulgär klang, taufte Wallraf um in „Am Marsilstein“ (Place Marsile).
Inschriften für Napoleon
Die Römerzeit war der Anknüpfungspunkt unter der französischen Herrschaft in Köln. Wallraf als exzellenter Kenner der römisch-fränkischen Vergangenheit konnte gegenüber den Franzosen, die einen Römerkult betrieben und sich gerne als „Neu-Franken“ bezeichneten, plausibel machen, was sich die Stadt wünschte — wo man doch gemeinsame Wurzeln hatte.
Zahlreiche an die Antike erinnernde Inschriften veranlasste er anlässlich des Besuchs Napoleons im September 1804 in der Stadt. Berühmt ist sein Lapidarstil, also die in Stein gemeißelten knappen Erzählungen und Argumentationen.
Auch als Literat wurde er sehr geschätzt, Schriftsteller Peter Cornelius schrieb 1809 vom „berühmten Professor Wallraf“, den er getroffen habe. In der Literaturgeschichte fand der Verfasser des „Taschenbuchs für Kunst und Laune“ allerdings keinen dauerhaften Platz. Ein verschlossener Stubengelehrter war Ferdinand Franz Wallraf ganz bestimmt nicht. Heiter, unterhaltsam und herzlich sei er gewesen, erklärte der Schriftsteller und Wallrafbiograf Wilhelm Smets.
Anhänger einer gemäßigten Aufklärung
Und so wirkt er auch während der Sitzungen mit Johann Anton de Peters, dem er 1792 Porträt saß. Der in Frankreich überaus erfolgreiche Maler könnte ihm dabei manches über seine Erfahrungen mit der Revolution erzählt haben.
Viele begrüßten damals die Ablösung von den spätabsolutistischen Regierungsformen. „Doch als Anhänger einer gemäßigten Aufklärung hielt Wallraf Abstand zu den Freunden der Revolution“, wie der Historiker Klaus Müller in seiner Wallraf-Biografie schreibt.
Köln blieb vom Geistesleben der Zeit der Aufklärung weitgehend abgeschnitten. Doch Wallraf traf mit Geistesgrößen wie Johann Wolfgang von Goethe, Ernst Moritz Arndt, dem Freiherrn vom Stein, Friedrich und Dorothea Schlegel oder der damals vielgelesenen Johanna Schopenhauer zusammen.
Kunstschätze ohne Heimat
Die ursprünglich sehr vermögende und zum Ende über ihre Verhältnisse lebende Autorin berichtete, dass er den Verlust seiner Einkünfte aus seinen Kanonikaten an St. Maria im Kapitol und an St. Aposteln „gelassen zu ertragen“ wusste.
Aber hart traf ihn der schon kurz nach der Besatzung einsetzende Kunstraub. Französische Kommissare durchkämmten Abteien und Klöster. Im Zuge der Säkularisation wurden Kirchen abgerissen oder verkauft. Viele Kunstschätze standen auf der Straße, Trödler, Diebe und Sammler schauten, dass sie nichts übersahen.
Riesiger Nachlass bleibt in Köln
Seiner Heimatstadt gegenüber fühlte sich Wallraf verpflichtet, und ärgerte sich über die Brüder Sulpiz und Melchior Boisserée, die in diesen Jahren wertvolle Gemälde erwarben und sie nach Heidelberg oder München weiterleiteten. Dort hängen sie heute in der Alten Pinakothek.
Der Stadt Köln vermachte Wallraf seine Sammlung mit 40 000 Stichen und Zeichnungen, 38 254 Grafiken, 13 428 Büchern, 9923 Mineralien und Fossilien, 5598 Münzen, 3875 Zeichnungen, 3340 Gemälden, 3165 Holzschnitten, 1297 antiken Gegenständen, 1055 Inkunabeln und alten Büchern, wie Mario Kramp vom Stadtmuseum jüngst auflistete.
Programm des Wallraf-Jahres
Anlässlich des 200. Todestags des Sammlers Ferdinand Franz Wallraf zeigt das Wallraf-Richartz-Museum vom 11. Oktober 2024 bis 9. Februar 2025 eine Ausstellung unter dem Titel „Museum der Museen“. Von der barocken Gemäldegalerie über radikale Künstlerkonzepte von Daniel Spoerri und John Cage bis hin zum Museum der Zukunft lädt das Wallraf dabei zur „Zeitreise durch die Kunst des Ausstellens und des Sehens“.
Zahlreiche Veranstaltungen gibt es im Wallraf-Festjahr seitens der Universität zu Köln. So wird vom 12. April bis 9. Juni die Ausstellung „Ein Buch ist ein Ort. Wallrafs Bibliothek für Köln“ gezeigt. Vom 13. bis zum 14. April veranstaltet die Universität eine Tagung unter dem Titel „Gelehrter, Sammler, Stadtvisionär“.
Wallraf im Karneval
Am 18. April steht der Vortrag „Hidden Champions aus der Sammlung Ferdinand Franz Wallraf“ auf dem Programm. Am 23. April gibt es die Kinderuni mit Ausstellungsbesuch und Führung sowie den Vortrag „Wallrafs Bücher — ein Buch ist ein Ort“.
Am 24. April begibt sich die Uni auf „Wallrafs Spuren im Kölner Karneval“ , und am 8. Mai heißt es im Vortrag „Wallraf privat — anhand seiner Rechnungsbücher“. Verbunden mit einem Konzert gibt es am 15.
Mai den Vortrag „Köln feiert seinen Erzbürger Wallraf“, und am 5. Juni folgt ein Vortrag unter dem Titel „Von Albertus Magnus bis zum Schachzabel“.
Glasmalereien und Skulpturen
Das Museum Schnütgen hat die Skulpturen und Glasmalereien seiner Sammlung, die Wallraf aus in der Säkularisation abgerissenen Kirchen und Klöstern rettete, auf seiner Homepage zusammengestellt. Außerdem beteiligt sich das Haus mit Leihgaben an den Ausstellungen, die im Wallraf-Richartz-Museum und im Historischen Archiv der Stadt gezeigt werden sollen.
Die Aktionswoche „Wasta – Wallraf Street Art“ findet vom 5. bis 15. September statt und am 26. September sowie am 15. Oktober führt Professor Barbara Schock-Werner über den Melatenfriedhof. Ein öffentliches Kolloquium unter dem Titel „Rund um Wallrafs Köln – 1794 und die Folgen“ veranstaltet die Uni am 10. Oktober.