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Lanxess-ArenaWarum Lewis Capaldi sein Konzert in Köln nach einer Stunde beendete

Lesezeit 3 Minuten
Der schottische Sänger Lewis Capaldi bei seinem Auftritt in der Kölner Lanxess-Arena

Der schottische Sänger Lewis Capaldi bei seinem Auftritt in der Kölner Lanxess-Arena

Capaldi, der erst vor Kurzem bekannt gab, dass er am Tourette-Syndrom leidet, hatte in der letzten Woche deshalb ein Konzert in Frankfurt vorzeitig abgebrochen. Auch in Köln hat er sichtlich zu kämpfen.

Bei diesem Konzert passt nichts zusammen. In den Videos zu den Stücken von Lewis Capaldi menschelt es extrem. Ein Stück weit bilden sie die Realität eines jungen schottischen Sängers und Songschreibers ab, der mit seiner Gitarre in Clubs vorspricht, in der Liebe Glücksmomente und tiefste Enttäuschungen erlebt und von zu Hause auszieht, in der Gewissheit, dass Mom ihn immer liebhaben und an ihn denken wird.

14.000 Fans in der Kölner Lanxess Arena

Das Bühnenbild in der Lanxess-Arena, wo 14.000 Fans mit Capaldi zittern, ob er diesen Auftritt schaffen wird, ist kühl, fast klinisch. Weißer Boden, vier weiße Podeste für die Musiker. Die weiße Kleidung tragen, ebenso wie der 26-Jährige. Weiße Stufen, weiße Wolken und immer wieder Wasser, das durch offene Türen wellt oder ein gigantisches Aquarium flutet, bestimmen die visuelle Architektur.

Das ist grandios gemacht. Aber die Stimme von Capaldi, die den Spagat schafft, sich geborgen zu fühlen, während gleichzeitig etwas im Innersten birst, wirkt in diesem Ambiente wie ein pochendes Herz in einem Eisfach.

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Im neuen Song „Pointless“ vom neuen, zweiten, Studioalbum, das demnächst erscheinen soll, beschwört Capaldi, wie so oft, Zweisamkeit: „I bring her coffee in the morning, she brings me inner peace.“ Sind in der Laness-Arena Paare da? Sind sie. Oje. „Fuck you, guys! I’m a single. I’m a lonely bastard!“, bricht es aus Capaldi heraus. Um hernach, knöcheltief im (weißen) Nebel watend, davon zu singen, wie es wäre, wenn man für immer zusammen bliebe.

Capaldi leidet am Tourette-Syndrom

Auch das Verhältnis zwischen Preis und Leistung stimmt nicht. Wer sich fürs Konzert Geld zusammen gespart und womöglich zu denjenigen gehört hat, die schon am Morgen in der Kälte vor der Lanxess-Arena ausharrten, ist mit 65 Minuten, inklusive Intro und Zugabe, schlecht bedient.

Dafür allerdings gibt es mildernde Umstände. Capaldi, der erst vor Kurzem bekannt gab, dass er am Tourette-Syndrom leidet, hatte in der letzten Woche deshalb ein Konzert in Frankfurt vorzeitig abgebrochen. Auch in Köln hat er sichtlich zu kämpfen. Zudem ist er auch noch erkältet, muss immer wieder husten, sich räuspern und schimpfen: „Fucking cold!“

„Forever“, „Lost On You“ und „Bruises“ schafft er noch gut, macht sich sogar den Spaß, ein Fan-Handy mit einem absichtlich besonders gruseligen Selfie („Du wirst entsetzt sein!“) zu bestücken. Später klammert er sich regelrecht ans Mikro, umfasst es mit beiden Händen, als wäre das ein, sein, Anker. Die Fans stehen „ihrem“ Lewis zur Seite, so gut sie können. Mit Chorgesängen, mit hoch gehaltenen Herzen, Riesenapplaus. Das zumindest ist dann doch sehr passend. Weil ein Kämpfer wie Capaldi das verdient hat.