2011 sind sie noch auf der Straße auf getreten, jetzt füllen AnnenMayKantereit zwei Abende hintereinander die Arena.
Überraschung in der ArenaWarum AnnenMayKantereit plötzlich Kölsch singen
Platz für einen Proberaum ist in der größten Halle. Und weil das so ist, sitzen Christopher Annen, Severin Kantereit und Henning May plötzlich ganz allein vorm geschlossenen Vorhang, auf importiertem Meublement von eben jenem Ort, wo die drei Namensgeber von AnnenMayKantereit daran feilen, dass ihre Musik live noch besser rüberkommt.
„Wir dachten uns, es wäre schon witzig, wenn wir mal mit 15 000 Leuten an einem Tisch sitzen würden“, sagt Frontmann May. Wobei er da ein bisschen daneben liegt: Denn an zwei Tagen hintereinander, Donnerstag und Freitag, sind es insgesamt fast 35 000 Fans, die die Lanxess-Arena füllen.
Den Hut rumgehen lassen, nachdem sie auf der Straße spielten
Wenn das Trio an besagtem Tisch das neue Stück „Es ist Abend“ bringt, nur mit drei Gitarren und Mays unverwechselbarer Nikotin-und-Whiskey-Stimme, hat man den Hauch einer Ahnung, wie das alles begann. 2011, als sich die Schüler aus Sülz auf die Straße wagten, um dort eigene Songs zu spielen. Und danach den Hut rumgehen ließen.
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Als die c/o pop 2015 auf die ungecasteten, ganz natürlich zusammen gewachsenen Newcomer aufmerksam wurde, hatten sie schon über YouTube eine veritable Anhängerschaft. Und danach, nach zwei ausverkauften Konzerten im Gloria, und einem Doppel-Gig im rappelvollen Palladium ein Jahr später, als das Debütalbum „Alles nix Konkretes“ erschien, spätestens dann, gingen AMK durch die Decke….
Neuzugang Sophie Chassée seit Anfang 2022 am Bass
Jetzt, zwei Alben später, sind sie da, wo viele Bands hinwollen: in der größten Halle der Stadt. Man gönnt ihnen diesen Erfolg von Herzen, zumal auch AMK von Corona arg zurückgeworfen wurden: „Wir haben das ganze Jahr auf diesen Abend gewartet. Das letzte richtige Konzert, das wir gespielt haben, war am 14.9. 2019.“ Die Tour 2020 wurde komplett abgesagt, ein erster Anlauf, die Deutzer Arena im Mai 2022 zu entern, fiel aufgrund der Erkrankung aller drei Bandgründer flach.
Nun, mit neuer Bassbesetzung – statt Malte Huck ist seit Anfang 2022 Sophie Chassée an Bord –, haben sie eine Menge nachzuholen. Das tun sie. Und wie! In fast zwei Stunden gibt es 22 Stücke. Vom ersten Moment an, aus dem Herzen besungen mit „Es tut gut“, herrscht ausgelassene Partystimmung. „Nur wegen dir“, „Marie“ und „Wohin du gehst“ – all das singen alle mit.
Im Schnitt sind die Fans im Alter derjenigen, die auf der Bühne stehen, in dem, in dem sie heute sind, 30plus, oder in dem, in dem sie früher waren, als sie mit „21, 22, 23“ einen wunderbaren Abgesang auf Älterwerden schufen. Aber auch die, die zu deren Elterngeneration gehören, mögen die Mischung aus Chansonhaftem, Tanzbarem und Nachdenklich-Machendem. Diese Band macht glücklich.
Teils mit ganz großem Besteck – einem Streichquartett und einer Bläser-Sektion – teils nur mit May „Barfuß am Klavier“, mal zu zweit, mal zu dritt auf einer Bühne mitten im Innenraum, mit Mundharmonika- oder Melodika-Akzenten, vergeht die Zeit viel zu schnell. Vom neuen Album, das am 3. März erscheinen soll, gibt es gleich acht Kostproben. Wobei besonders „Als ich ein Kind war“ hängenbleibt. Quasi als reiferes Gegenstück zu „21, 22, 23“: „Früher waren die Wiesen grün und die Bullen auch.“
„Ausgehen“ hitverdächtiger Nachfolger von „Ich geh heut nicht mehr tanzen“
Oder „Ausgehen“ als hitverdächtiger Nachfolger von „Ich geh heut nicht mehr tanzen“. Oder „Tommi“, einen Song, den May, inzwischen von Köln nach Berlin gezogen, einem alten Schulfreund schickte. Und wo der Refrain, teils auf Kölsch gesungen, allen Domstädtern das Herz aufgehen lässt: „Da, wo man zosamme groß geworde is, da ziehe mer alle irgendwann wieder hin. Damit die Kinder, die mer krieje könne, alle in Kölle gebore sin, gebore sin.“
Wenn May auf die Knie fällt, wenn er verschmitzt lächelt und sich besorgt um die aufgeheizte Fangemeinde zeigt („Wenn jemand umkippt, sagt Bescheid“) fliegen ihm alle Herzen zu. Nicht nur die der Frauen und Mädchen. Er ist ein Frontmann wie aus dem Bilderbuch. Und wäre es auch ganz ohne Sätze wie „Ihr seid die Besten“ oder ohne festzustellen „dass es schon für uns ein großes Kompliment ist, dass so viele Leute stehen, die sitzen könnten.“ Auch das ist nicht ganz korrekt. Am Ende stehen sie alle. Die mehr als 15.000.