Insgesamt gibt der kolumbianische Reggeaton-Star J Balvin nur drei Konzerte in Deutschland.
Alien-Alarm in der Lanxess-ArenaJ Balvin bringt das Publikum in Köln zum Tanzen
Allein in unserer Milchstraße gibt es zwischen 200 und 400 Milliarden Sterne. Bedenkt man noch, dass diese Galaxie nur eine von mehr als 100 Milliarden Galaxien im sichtbaren Universum ist, ist es gar nicht so unwahrscheinlich, dass es sie gibt: die Außerirdischen. Wesentlich weniger wahrscheinlich ist dagegen, dass die sich für ihren Landeanflug ausgerechnet die Arena in Köln aussuchen. Tun sie aber. Ab 21 Uhr herrscht dort Alien-Alarm. Bei einem von nur drei Konzerten, das der kolumbianische Reggeaton-Star J Balvin in Deutschland gibt. „Qué calor“ (Was für eine Hitze) heißt eine seiner Zugaben. Aber das ist schon vorher Programm. Die Arena glüht.
Künstler und Künstlerinnen, die auf sich halten, müssen inzwischen mit einer Geschichte aufwarten, die den Rahmen für die Show vorgibt. Rapper Apache 207 begab sich vier Tage vorher am gleichen Ort auf Zeitreise, J Balvin lässt sich in einem Ufo auf die Bühne beamen. Es wirkt wie eine Kreuzung aus einem gigantischen Aufzug, einem Tresor in XXL und einem hochformatigen Marmor-Monument, das bis zur Bühnendecke reicht.
Dass es aus zwei Teilen besteht, merkt man erst dann, wenn die obere Hälfte aufwärts entschwindet, um auf der unteren Hälfte, die nun Tanzfläche ist, den 39-Jährigen Sänger zu präsentieren. Reggae, Hip-Hop und Merengue, Spanish Dancehall, Latin Trap und House mit Pop, Afrobeats und Dub verquickt er zu einem abwechslungsreichen, elektronisch dominierten Erfolgskonzept. „El ritmo“, der Rhythmus, ist so gestrickt, dass er unweigerlich in die Beine geht. Nicht nur die Tanztruppe von J Balvin – wobei J für José steht und man den Nachnamen nicht Bell-Winn ausspricht, sondern Ball-Winn – geht ab wie Schmitz’ Katze. Auch die im Publikum kennen kein Halten mehr.
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Rhythmus geht in die Beine
Auf den Rängen schwingt und schwankt der Untergrund, so als wäre man in einer Schiffschaukel oder auf hoher See. Falsches Bild. So, als wäre man im Zentrum eines galaktischen Wirbelsturms. „Buenas noches Cologne!“ begrüßt der Mann mit den eng am Kopf anliegend geflochtenen Zöpfchen seine Fans. Die zu weiten Teilen einen Look bevorzugen, der Shakira alle Ehre machen würde – viel nackte Haut, sehr knappe Bustiers oder gleich BHs und reichlich Glitzer – und, den Flaggen nach zu urteilen, die sie über ihre Köpfe schwenken, aus diversen Ländern Lateinamerikas stammen. Die spenglische Frage: „Esta Latinas here?“ erübrigt sich da eigentlich.
Auf die erste Welle spitzer Schreie nach dem Intro „Mi gente“ (Meine Leute) werden in den nächsten 90 Minuten noch viele folgen. „Loco contigo“ (Verrückt nach dir) singt der Prinz des Reggaeton, der in schlechteren Zeiten auch schon als Hundeausführer, Anstreicher und Dachdecker gearbeitet hat. Aber genauso verrückt sind sie nach ihm. Und wenn er langsam die Jacke über seine Schultern gleiten lässt und seine nackte, tätowierte Brust aufblitzen lässt, werden sie noch verrückter. Was sich aber noch steigern lässt. Als er sich später gänzlich des störenden Kleidungsstücks entledigt. Das ist dann heller Wahnsinn.
Thema Invasion wurd konsequent durchgezogen
Mit den tanzenden Duracell-Aliens, deren Outfits immer futuristischer werden und Einblendungen auf der Leinwand, die spiralförmige Galaxien, Geröll von implodierten Planeten und Geschöpfe wie von HR Giger ersonnen zeigen, wird das Thema Invasion der Außerirdischen konsequent durchgezogen. Bis hin zu den gruseligen Händen mit den überlangen Gliedern, die sich beim Zugabenteil am Bühnenrand meterhoch aufpumpen, um zu „RITMO (Bad Boys for Life)“ ihre Krallen Richtung Innenraum auszustrecken.
Auch dass der Käpt’n der extraterrestrischen Crew am Ende wieder in seinem Raumschiff verschwinden muss, ist klar. Dass er aber, als längst das Licht an ist und alle in Richtung Ausgänge strömen, nochmal zurück auf die Bühne kommt, Wasser aus der Flasche trinkend und sichtlich bester Laune, um hernach sein schweißnasses T-Shirt in die Restmenge zu werfen, ist schlichtweg unfair. Das hätte man nicht wissen können.
Mit eigenem Stil zur Fashion-Ikone des Jahres
Seine Haare waren schon neonblond, giftgrün und knallblau oder, zum Zeichen seiner Sympathie mit der LGBT-Gemeinschaft, regenbogenbunt. Cowboyhüte trägt er ebenso selbstverständlich wie Stirnbänder, mal zeigt er sich ganz lässig in zerrissenen Jeans, mal ganz edel im Smoking. Streetwear kombiniert er gerne mit klassischen Luxus-Marken, und im Segment Sonnenbrillen schickt er sich an, Sir Elton John Konkurrenz zu machen. Letztes Jahr wurde J Balvin bei den lateinamerikanischen Fashion Awards in der Dominikanischen Republik als „Fashion-Ikone des Jahres“ ausgezeichnet. Sein Potenzial als Modebotschafter erkannten auch schon Hersteller wie Guess oder Nike, die Produktlinien unter seinem Namen herausbrachten. (sus)