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Düsseldorfer KarnevalswagenKunst und Politik - Jacques Tilly kommt ins Museum

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Die erste große Museums-Retrospektive für den Bildhauer und Satiriker Jacques Tilly in Düsseldorf zeigt fast 500 Exponate.

Die erste große Museums-Retrospektive für den Bildhauer und Satiriker Jacques Tilly in Düsseldorf zeigt fast 500 Exponate.

Jacques Tilly, dessen Karnevals-Mottowagen regelmäßig weltweite Aufmerksamkeit erregen, kommt ins Museum. Seine erste große Retrospektive ist ab Sonntag in Düsseldorf zu sehen.

Künstler, Satiriker, Freigeist: Bildhauer Jacques Tilly (61) bekommt seine erste große Museums-Retrospektive. Von Sonntag an zeigt das Stadtmuseum in Düsseldorf fast 500 Exponate. 

An jedem Rosenmontag gehen Bilder seiner provokanten Kunstwerke um die Welt: Putin in einer ukrainischen Wanne voller Blut badend, Donald Trump als trotziges Baby. Die Schärfe und Treffsicherheit des Narren-Spotts aus Düsseldorf trägt seinen Namen.

Doch die Schau zeigt nicht nur die inzwischen 42-jährige Schaffenszeit für den Karneval. Der Schöpfer der weltbekannten Mottowagen gibt Einblick in seine Kindheit in einem liberalen Elternhaus, in dem er früh gefördert wurde und die Eltern schnell erkannten: „Der Junge will malen.“ 

Ein Käfer, gemalt von Jacques Tilly im Alter von drei oder vier Jahren, wurde Firmenlogo seines Vaters, eines Fotografen. „Wir haben uns damals die Ärgermeister genannt“, berichtete Tilly. Seine Kunstschule habe er mit seinem Materialverbrauch wohl in den Konkurs getrieben. 

Kohl ist Motiv seines ersten Wagens

1983 betrat Tilly erstmals die Wagenbauhalle in Düsseldorf, in der die Mottowagen für den Karneval entstehen. „Helmut Kohl war gerade Kanzler geworden“, erinnert sich der 61-Jährige. Kohl wurde das Motiv seines ersten Wagens: Der Kanzler liegt mit Sonnenbrille in einer Liege, während sich hinter ihm die Probleme türmen. 

Sein Erstlingswerk ist aber verschollen: „Der Entwurf wurde mir gestohlen, sehr ärgerlich“, sagt Tilly, der fortan die Mächtigen mit seinen Pappmaché-Plastiken triezt. 

1994 erwirkte Kanzler Kohl sogar eine einstweilige Verfügung gegen einen seiner Entwürfe: „Da kam Post aus Bonn“, erinnert sich Tilly. Er hatte den „Oberindianer“ mit mächtigem Bauch und winzig geratenem Geschlechtsteil dargestellt. „Das gefiel ihm nicht.“ 

Der Zugleiter musste noch in letzter Minute ins Gartencenter, um Grünzeug zu kaufen und dem Kanzler ein Feigenblatt zwischen die Beine zu stellen, das dann, „natürlich“, beim Anfahren des Rosenmontagszuges umkippte, wie Tilly berichtet. 

Immer wieder Zensurversuche

In der Ausstellung vertreten sind eindrucksvolle Schwarz-Weiß-Bilder von einer fast vergessenen Aktion aus dem Jahr 1990 mit dem Neuen Forum in der DDR: Dort trug Tilly mit einem Mottowagen bildlich Stalin und mit ihm den Stalinismus in den letzten Tagen des SED-Staats zu Grabe. 

Immer wieder waren Tilly und sein Team Zensurversuchen ausgesetzt, mussten Wagen verhüllt werden, bis sie im Jahr 2000 beschlossen, die Mottowagen unter höchster Geheimhaltung zu bauen und sie der Welt erst am Rosenmontag zu präsentieren - zu kurzfristig für die Mühlen der Justiz. „Seitdem ist Ruhe.“ 

Rückendeckung der Düsseldorfer Narren

Dass seine Wagen immer wieder diese weltweite Wirkung erzielten, liege auch an der notwendigen Rückendeckung, die ihm die Düsseldorfer Narren verschafften, lobt er. „Ohne die wäre das nicht möglich in dieser Härte.“ Der in Blut badende Putin ist die größte Skulptur in der Schau. Sie musste in mehrere Teile zerlegt und an Ort und Stelle wieder zusammengebaut werden. 

Ein paar Jahre werde er mit seinem zehnköpfigen Team noch die Mächtigen ärgern, bevor er sich in seiner Bibliothek den vielen ungelesenen Büchern widmen werde, verspricht Tilly. Momentan arbeite er aber noch viel, nicht nur in den Wochen vor dem Straßenkarneval: „Mein Urlaub sieht so aus, dass ich am Strand sitze und zeichne.“ 

Die Schau ist bis 10. August zu sehen. (dpa)