- „Hast du gesehen, wie ich die Arenen dieser Welt fülle?“ „Ja, Mama!“ Mama hat einen Namen. Einen weltberühmten: Pink.
- In Köln lieferte sie ein grandioses Spektakel ab – mit imposanter Stimme, großartiger Akrobatik und mutigen Botschaften.
- Unser Autorin war vor Ort und hat gesehen, wie Pink durch das Rhein-Energie-Stadion geflogen ist. Auf Augenhöhe mit Phil Collins? Mindestens!
Köln – Kleine Mädchen haben manchmal große Probleme. „Ich bin das hässlichste Mädchen der Welt“, sagt Willow zu ihrer Mama, „ich sehe aus wie ein Junge mit langen Haaren.“ Aber Mama kann helfen. Sie stellt für ihre Tochter eine Powerpoint-Präsentation mit androgynen Rockstars zusammen.
Und weil sie sich nicht sicher ist, ob Michael Jackson, Annie Lennox und all die vielen anderen ausreichen, um eine Sechsjährige zu überzeugen, dass sie unrecht hat, fügt sie hinzu: „Was glaubst du, wie ich aussehe? Wenn Leute über mich lästern, sagen sie: zu sehr wie ein Junge, zu maskulin, zu meinungsfreudig, zu kräftig gebaut.
Hast du jemals gesehen, dass ich mir die Haare habe wachsen lassen? Hast du je gesehen, dass ich meinen Körper verändert habe? Die Art, wie ich mich gegenüber der Welt präsentiere?“ „Nein, Mama!“ „Hast du gesehen, wie ich die Arenen dieser Welt fülle?“ „Ja, Mama!“.
Pink auf der siebten Welttournee
Mama hat einen Namen. Einen weltberühmten: Pink. Seit März 2018 ist die Sängerin und Songschreiberin auf ihrer siebten Welttournee unterwegs. Elf Konzerte gibt die 39-Jährige US-Amerikanerin in Deutschland. Gestern erlebten 40.000 Fans im ausverkauften Stadion ihre zweistündige „Beautiful Trauma“-Show.
Am Samstagabend geht das grandiose Spektakel in die zweite Runde. Mit noch mal so vielen Menschen, die, ganz sicher, genauso begeistert sein werden. Aber denen, hoffentlich, erspart bleibt, was Konzertbesuchern Freitagabend blühte.
Eine Gleisbettabsenkung, sorgte dafür, dass die KVB-Linien 1 und 7 nicht wie gewohnt vom Neumarkt zum Stadion fahren konnten. Und auch wer über die A3 mit dem Auto anreiste, hatte schlechte Karten: neun Kilometer Stau aufgrund eines Unfalls. Dass das Konzert bereits um 20.22 begann, statt, wie angekündigt, erst um 20.40 Uhr, war auch kein Trost für Zuspätkommer. Die da ja bereits das Vorprogramm verpasst hatten.
Mit Phil Collins locker auf Augenhöhe
Pink entschädigt für all das. Auf einer Bühne, die von zwei riesigen Herzen gerahmt wird, die wirken, wie Spiegel in antiken, oxidierten Metallrahmen und als Leinwände dienen. Mit acht Musikern, zehn Tänzern, furiosen Tanzeinlagen und atemberaubenden Trapeznummern, poetischen Bildern und märchenhaften Kostümen.
Was anmutet wie eine Mischung aus „Cirque du Soleil“, Pink im Wunderland und veritablem Rockkonzert, kann locker bei den letzten beiden Stadionkonzerten (Phil Collins und Muse) mithalten. Wobei es damit eigentlich nicht zu vergleichen ist. Dazu ist es zu sehr Pink.
Kampf gegen Geschlechterrollen
Die mit dem Opener „Get The Party Started“ zwar durchaus ein Motto vorgibt, das aber nur Teile des Abends betrifft. Dazwischen ist immer wieder Zeit für Statements und persönliche Momente. Wie beim Einspieler, der den Dialog mit ihrer inzwischen achtjährigen Tochter Willow wiedergibt, aber auch ganz klar Weiblichkeitswahn und Geschlechterrollen den Kampf ansagt. Oder als sie ihrem Lead-Gitarristen Justin „Spanky“ Derrico über den verschwitzten Rücken streicht und mitleidig feststellt: „Du brauchst eine Dusche!“
Kracher wie „Just Like a Pill“, “Funhouse” oder “Raise your Glass” gehören zwar unbedingt zum Programm, sie heizen die Stimmung mächtig an. Aber dass Pink eine begnadete Sängerin ist, merkt man vor allem dann, wenn es leiser wird. Wie beim akustischen Coverstück „Time After Time“ von Cyndi Lauper. Und Bishop Briggs’ „River“ klang noch nie so klaftertief soulig wie bei ihr. Dazwischen macht sie den Jitterbug („Hustle“) wieder populär, lädt sich Wrabel als Duettpartner ein („90 Days“) oder muss feststellen, dass „For Now“ im Rheinland das Zeug zu einem echten Schunkellied hat.
„So What“ – Pink fliegt durch die Arena
Im Graben schüttelt sie Hände, posiert für Selfies, gibt Autogramme. Um dann souverän zurück auf die Bühne zu flanken. Mama ist bester Laune, top in Form und ständig in Bewegung. Mitunter hüpft sie über die Bühne, als sei das eine Wiese, sie passt sich perfekt in die Choreografie der Tänzer ein oder inszeniert einen luftigen Pas de Deux an den Strapaten als ästhetisch-erotisches Spiel von Mann und Frau. Mal ist er oben, mal sie.
Dank weit in den Innenraum hinein geschwungenem Catwalk ist die Nähe zum Publikum ständig gewährleistet. Aber nie ist Pink den 40 000 näher als bei „So What“. Im drehbaren Ring, an vier Seilen befestigt, fliegt sie durch die Arena. Bis ganz hoch in die Ränge und ganz tief über den Köpfen führen sie ihre Saltos, Sprünge und Sturzflüge. „Meine Mama ist Superwoman“, könnte Willow jetzt sagen. Und niemand würde ihr widersprechen. Denn die Frau mit den kurzen blonden Haaren überm feuerroten Glitzertrikot sieht nicht nur so aus. Sie ist es.