Interview mit Helena Zengel„Ich möchte nicht gern auf eine Schauspielschule gehen“
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Die Rolle des Sorgenkindes Benni in Nora Fingscheidts Film „Systemsprenger“ bescherte der heute zwölfjährigen Helena Zengel diverse Preise.
Paul Greengrass vertraute ihr in seinem Westerndrama „Neues aus der Welt“ eine Hauptrolle neben Tom Hanks an.
Bevor Zengel dafür eine Golden-Globe-Nominierung erhielt, sprach sie mit André Wesche.
Helena, in „Neues aus der Welt“ lernt dich der Zuschauer wieder als wildes, aufsässiges Mädchen wie in „Systemsprenger“ kennen. Hast du keine Angst, auf solche Rollen festgelegt zu werden? Nö! Angst habe ich komplett gar nicht. Ich spiele gern diese Rollen, ich fühle mich damit wohl. Und ich möchte gern weiter solche Filme machen. Natürlich würde ich gern auch mal einen Kinderfilm drehen, das klappt bestimmt auch mal. Aber ich finde es nicht schlimm, in dieses Fach gesteckt zu werden, weil es mir bestimmt am besten liegt und ich es mag.
Deine Filmfigur hat auch viele emotionale Szenen mit wenig Dialog. Wie schwierig war das Spielen ohne Worte?
Ich denke, es ist eine der schwierigsten Sachen für einen Schauspieler, in einem Film nicht reden zu können und alles über die Augen zu vermitteln. Aber es war auch mal cool, einfach nichts zu sagen und trotzdem zeigen zu können, was man kann.
„Systemsprenger“-Regisseurin Nora Fingscheidt hat sich schon sechs Monate vor Drehbeginn regelmäßig mit Dir getroffen. Hattest Du auch in Amerika die Möglichkeit, die Leute vorher kennenzulernen?
Ja, ich habe vorher den Regisseur und teilweise Leute vom Filmset kennengelernt. Tom habe ich tatsächlich erst drei Tage vor Filmbeginn getroffen. Eigentlich sollte ich ihn sogar erst einen Tag vorher kennenlernen, damit nicht schon eine gute Beziehung zwischen uns entsteht. Sonst wäre es im Film vielleicht nicht so authentisch rübergekommen, dass wir uns am Anfang noch nicht kennen.
Karriere
Mit fünf Jahren trat Helena Zengel in einem Musikvideo der Gruppe Abby auf. Ihre erste Hauptrolle spielte sie 2017 in „Die Tochter“. Danach war sie im „Spreewaldkrimi“ und „Die Spezialisten“ im Fernsehen zu erleben. Große Bekanntheit erlangte sie in Nora Fingscheidts Filmdrama „Systemsprenger“ (2019). Der Film „Neues aus der Welt“ läuft bei Netflix. (hols)
Es war bestimmt nicht leicht, Tom Hanks nicht sofort zu mögen.
Das stimmt. Wir haben uns auf Anhieb gut verstanden und uns auf den ersten Drehtag gefreut. Wirklich gekannt haben wir uns nach dem ersten Treffen und der Warm-up-Party aber nicht. Das ist nicht ungewöhnlich. Tom hat mir erzählt, dass er die Piraten bei „Captain Phillips“ auch zum ersten Mal gesehen hat, als sie aufs Schiff gekommen sind. Das macht die Reaktionen authentischer.
Tom Hanks meinte, dass du ihn vorher gar nicht kanntest. Konntest du deswegen so unbeschwert aufspielen, oder hast du generell keine Berührungsängste bei großen Namen?
Das bestimmt auch. Aber als wir mit den Dreharbeiten begonnen haben, wusste ich schon, dass er eine richtig große Nummer, ein Riesenschauspieler ist. Er hat einen guten Ruf, und viele Leute beten ihn an. Er ist ein Superstar, aber er macht es einem auch sehr leicht. Er ist nett, lustig, ein Gentleman. Er ist freundlich und hat immer einen Witz in der Tasche. Tom ist gar nicht abgehoben. Man stellt sich vielleicht vor, dass so jemand etwas hochnäsig daherkommt und immer schicke Klamotten trägt. Dabei ist er völlig normal und kommt in Jogginghose und Puschen.
Im Film sprichst du die Sprache der Kiowa-Indianer. Hast du nur deinen Text phonetisch gelernt, oder hattest du echten Sprachunterricht?
Es war so eine Mischung. Ich habe zwar meistens meine Texte gelernt, aber auch ein paar andere Sachen darüber hinaus. Zum Beispiel, wie man zählt.
Willst du eine Schauspielschule besuchen oder auf dein Naturtalent setzen?
Ich möchte nicht so gern auf eine Schauspielschule gehen. Nicht, weil ich es für falsch halte. Ich finde, es ist für mich selbst nicht das Richtige. Ich möchte meine Natürlichkeit und Authentizität beibehalten. Aber für viele Menschen, die nicht so früh hineingerutscht sind, ist es ein sehr guter Weg, die Schauspielerei zu verstehen.
Hat sich an deinem Alltag etwas verändert?
Nö. Ich gehe ganz normal in die Schule. Es sei denn, Corona lässt es nicht zu. Ich hoffe, dass Corona bald weggeht und wir wieder unsere Familie und unsere Freunde treffen können. Ich komme mit dem Homeschooling ganz gut klar, aber es ist schon nervig. Man kann nicht ins Kino und auf keine Promotion-Tour gehen. Aber das ist für mich okay. Ich kann mir aber vorstellen, dass es viele Menschen sehr schnell und krass depressiv machen kann, weil man bis jetzt keinen Ausweg weiß. Ich hoffe, dass das bald aufhören wird, wenn wir uns an die Regeln halten.
Gibt es Traumpartner, mit den du gern zusammenarbeiten würdest?
Ja. Lady Gaga. Oder Lily Tomlin und Jane Fonda aus der Serie „Grace and Frankie“. Sie sind so lustig! Dass Frauen in diesem Alter noch eine so – sorry - geile Serie machen, finde ich unglaublich. Sie sind stark und vermitteln Werte, gerade was das Leben älterer Menschen betrifft.