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Interview mit Filmkomponist Alan Menken„Disney-Filme sind ein sicherer Ort für die ganze Welt“

Lesezeit 4 Minuten
Arielle die Meerjungfrau

„Arielle, die Meerjungfrau“ singt im gleichnamigen Film Lieder aus der Feder von Alan Menken.

Er bringt fleischfressende Pflanzen und Meerjungfrauen zum Singen: Broadway- und Filmkomponist Alan Menken. Steffen Rüth sprach mit dem 73-Jährigen über Disneys 100. und seine Songs aus Filmen wie „Aladdin“ , „Arielle“ oder „Die Schöne und das Biest“.

Disney-Filme sind kleine Fluchten aus der Realität. Brauchen wir diese märchenhaften Geschichten in harten und schwierigen Zeiten besonders?

Oh, ja. Wir brauchen Disney gerade sehr, sehr, sehr dringend. Diese Filme und diese Songs lassen uns zurückkehren zu dem Kind, das wir einst waren und das in allen von uns verborgen ist.

Alan Menken, Komponist aus den USA, gestikuliert während eines Interviews mit der Austria Presse Agentur APA im Hotel Imperial. Der achtfache Oscar-Gewinner und Komponist diverser Disney-Filmsoundtracks Menken ist ein Bewunderer des Kollegen Williams. +++ dpa-Bildfunk +++

Alan Menken ist achtfacher Oscar-Gewinner und Komponist diverser Disney-Filmsoundtracks

Sie haben Ihre Laufbahn als Komponist für Broadway-Musicals wie „Der kleine Horrorladen“ begonnen, bevor 1989 Ihre Disney-Karriere mit „Arielle, die Meerjungfrau“ begann. Was ist Ihnen besonders wichtig bei der Arbeit?

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Ich will die Geschichte mithilfe der Musik nicht nur unterstützen, sondern auch erzählen. Gerade bei Animationsfilmen dienen die Stücke nicht nur der Untermalung. Sie strukturieren und verstärkten die jeweiligen Szenen vielmehr. Von „Micky Maus“ angefangen, ist die Musik bei Disney integraler Bestandteil der Geschichten. Und sie hat sich beständig gewandelt – von einem Zischen, wenn Micky rennt, zu einer gefühlvollen Kunstform, die das menschliche Drama der Story unterstreicht.

Wie gehen Sie beim Komponieren zu Werke?

Ich gucke mir die Schlüsselelemente der Story an und überlege, wie ich ihnen mit meiner musikalischen Erzählung einen Zusatzwert bieten kann.

Können Sie erklären, warum Ihre Musik so erfolgreich ist?

Ich versuche, mich von solchen Analysen fernzuhalten. Ich bin auch nicht zu euphorisch bei Triumphen und nicht zu deprimiert bei Fehlschlägen. Letzten Endes bleibt Musik eine irrationale Form der Kunst. Es ist wie in der Liebe. Wir verlieben uns in genau diese eine bestimmte Person. Aber warum? Das werden wir niemals wissen.

Besonders legendär ist Ihr 1991 entstandener Soundtrack zum Film „Die Schöne und das Biest“.

Wie schon bei „Arielle“ arbeitete ich bei „Die Schöne und das Biest“ gemeinsam mit dem Texter Howard Ashman. Zu jener Zeit grassierte die Aids-Pandemie, und nachdem wir den Oscar für „Arielle“ gewonnen hatten, vertraute Howard mir an, dass er ebenfalls an Aids leide. Wir blockten die Tatsache ab, dass er sehr krank war und stürzten uns, im Wissen, dass ihm nicht mehr lange bleiben würde, in die Arbeit, vollendeten „Biest“ und begannen noch mit „Aladin“. Dann starb er. Die Filme und die Musik von Disney wurden in dieser Trauerzeit mein sicherer Ort, mein „Safe Space“.

Wie meinen Sie das?

Ich konnte keine Komödien und auch sonst nichts ertragen, aber wieder und wieder schaute ich mir alte und neue Disney-Filme an. Sie boten mir einen Hauch von Trost. Seither bin ich überzeugt, dass diese, dass meine, Musik, ein sicherer Ort für die ganze Welt ist. Wie hat sich die Filmmusik verändert, seit Sie aktiv sind? Heute haben Melodien einen schwereren Stand, sie müssen oftmals hinter Sounds zurückstecken. Ich versuche, mich dem Trend entgegenzustellen. Melodien sind für mich von elementarer Bedeutung.

Walt Disney hat sein Unternehmen 1923 gegründet. Der Konzern tritt heute öffentlich für die gleichgeschlechtliche Ehe und für Vielfalt in allen Lebenslagen ein, und in der im Mai 2023 ins Kino kommenden Realfilm-Version von „Arielle“, für dessen Musik Sie ebenfalls zuständig waren, wird Arielle von der schwarzen Schauspielerin Halle Bailey gespielt.

Sehen Sie, so ist es. Die gesellschaftlichen Wertvorstellungen und Haltungen haben sich in 100 Jahren grundlegend geändert, aber das zugrundeliegende Fundament ist gleichgeblieben: Es geht um die großen Gefühle. Der Regisseur Rob Marshall ist so nah und so authentisch an der Originalgeschichte geblieben wie möglich, aber er hat „Arielle“ zugleich wirklich toll geöffnet, hinein in eine neue Zeit.

Wird Disney – und damit Ihre Lieder – auch die nächsten hundert Jahre überdauern?

Warum nicht? Das Fundament ist sehr stark und absolut zeitlos. Ich sehe mich in diesem Zusammenhang als einen Architekten. Ich baue ein Haus aus Musik, in das andere Menschen einziehen und in dem sie heimisch werden. Ich schätze mich glücklich, bin dankbar und demütig, dass die meisten meiner Häuser auch heute noch so gut in Schuss sind.

Beim Konzert „Disney 100“ am 26.4. in der Lanxess Arena erklingen auch viele Lieder von Alan Menken. Infos unter semmel. de