Eine Tragödie geschah 1890 in New Orleans, als sizilianische Einwanderer für den Mord am Polizeichef verantwortlich gemacht und gemeuchelt wurden. Jan Sting sprach mit dem Amerikaner Frank Pesci über seine Musik zu „The Strangers“.
Interview mit Kölner KomponistFrank Pesci feiert mit „The Strangers“ Premiere an der Oper
Sie erzählen in der Oper „The Strangers“ von einem beispiellosen Lynchmord aus dem Jahr 1890. Dabei wurden italienische Einwanderer für den Tod des Polizeichefs Hennessy verantwortlich gemacht und elf Menschen von einem Mob umgebracht. Wie sind Sie auf den Stoff gestoßen?
Meine Frau stammt aus New Orleans und hat noch ihre Familie dort. Daher kenne ich die Stadt gut. Ich ging in Mississippi zur Schule, nur ein paar Stunden von dort entfernt. Mein Kompositionslehrer erzählte mir die historische verbriefte Geschichte über diesen Vorfall, bei dem italienische Einwanderer für einen Mord beschuldigt wurden, und dass sich heute niemand mehr daran erinnere. Er sagte, dass er eine Oper dazu machen wolle, aber leider nicht dazu komme. Ich weiß nicht warum, aber ich dachte damals, dass ich das auch gerne machen würde, obwohl ich zu dem Zeitpunkt noch gar keine Oper geschrieben hatte. Das ist inzwischen 20 Jahre her. Ich studierte die Geschichte. Es gab genau ein Buch und diesen fürchterlichen Kinofilm.
Vendetta von Nicholas Meyer aus dem Jahr 1999.
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Absolut schrecklich. Ich entwickelte meine Kompositionen und Techniken weiter und 2016, nach der Wahl und den aufkommenden Integrationsfragen dachte ich: Jetzt mache ich das. Im Dezember 2016 schrieb ich die erste Fassung, die Handlung der Oper.
Wie haben Sie die Helden angelegt?
Viele der Figuren aus der Oper existierten wirklich. Emanuele Polizzi und seine Frau Iania stehen im Zentrum. Und natürlich gab es auch Polizeichef David Hennessy, seine Mutter Margret, sowie andere Figuren, die ich fiktionalisiert habe. Polizzis Schicksal hat mich besonders bewegt.
Er war psychisch krank…
Ich recherchierte in New Orleans und las die alten Zeitungsartikel. Dabei fand ich heraus, dass er einfach verängstigt war. Doch die Zeitungen schrieben, „schaut auf dieses Verhalten, mit ihm ist irgendwas nicht in Ordnung.“ Die Medien nutzten sein von Angst bestimmtes Verhalten, um einen Charakter, ja, ein Narrativ zu kreieren, das für alle sizilianischen Immigranten stehen sollte. Sein Fall ist unglaublich dramatisch.
Das ist sehr gegenwärtig. Menschen wollen sich etwas aufbauen, aber wie kommen sie in ihrer neuen Heimat zurecht? Hätten Sie gedacht, dass das Thema wieder so aktuell wird?
Für mich persönlich war das auch ein Problem. Ich bin seit zehn Jahren in Deutschland. Aber immer noch beschäftigt mich das Thema, was bringe ich mit, wie geht es weiter? Wie werde ich Mitglied der Gesellschaft, in der ich lebe? Was bringe ich meiner Tochter bei? Dabei habe ich Privilegien. Aber immer noch denke ich über meine Herkunft nach.
Was denken Sie darüber?
Es ist ja auch die Geschichte meiner Großeltern, meiner Frau und meiner Tochter – alles Immigranten. 2016 sah ich, was in Amerika bei der Präsidentschaftswahl lief. Ich las die Wörter, die sie benutzten, und es waren dieselben wie in den Zeitungen von 1890. Von Europa aus habe ich einen differenzierteren Blick auf die Debatten über Migranten in den USA: Lassen wir sie kommen oder schicken wir sie zurück? Und wenn sie kommen, unter welchen Bedingungen? Was erlauben wir? Das ist eine komplexe Diskussion. Überall auf der Welt, nicht nur in meiner Heimat.
Das Wort Mafia wurde nach dem Exzess von 1890 in die Lexika aufgenommen. Was hängen damit für Stereotypen zusammen?
Es geht im Grunde immer darum, dass arme Immigranten kriminell und verzweifelt sein sollen. Es wird generalisiert, so wie heute die Mexikaner in den USA gleich mit dem Begriff der Drogengangs in Verbindung gebracht werden. Natürlich war die Mafia auch präsent, und die Polizei hatte die Aufgabe, dagegen vorzugehen. Aber doch nicht, indem man jeden Mann, jede Frau und jedes Kind als potenziell kriminell darstellt.
Auf Ihrer Homepage ist bereits die Arie des Polizeichefs zu hören. Das Klavier ist jazzig, der Gesang modern, wie kombinieren Sie das?
Das ist das zentrale Thema meiner Musik. In meinem Elternhaus hörten wir Puccini ebenso wie die Jazz-Bigbands. Woody Herman, Duke Ellington, Stan Kenton - das war meine Basis. Ich studierte gleichzeitig Jazz und klassische Musik. In den USA verliefen die Stile immer parallel; sie zu mischen ist schwierig. Ich habe es trotzdem versucht und ich fühle mich wohl damit. „The Strangers“ ist ideal, denn der Jazz ist in New Orleans geboren, etwa zehn Jahre nach der darin erzählten Geschichte. „Hennessy’s Arie“ ist typischer New-Orleans-Jazz, man kann spanischen und karibischen Einfluss hören, wie auch im Chor. Ich nutze Rhythmus, Harmonie, und ich orchestriere.
Wie ist die Stimmung in den Proben?
Sehr gut! Ich bin so happy mit dem Ensemble, dem Gürzenich-Orchester und dem ganzen Team. Der Dirigent Harry Ogg ist großartig, ebenso die Regisseurin Maria Lamont. Es war auch schön, dass wir Fragen immer direkt klären konnten. Das Bühnenbild ist wunderbar; es dreht sich und man kann so immer wieder die Perspektive wechseln.
Sind Sie auch ein bisschen aufgeregt vor der Premiere?
Natürlich! Es ist zwar meine fünfte Oper, aber die erste Premiere in Europa – eine große Sache für mich, Familie und Freunde kommen aus den USA. Ich bin auch aufgeregt, weil die Sänger*innen und das Orchester es so gut machen, und dass meine Musik zum Leben erweckt wird. Junge, die können wirklich spielen! Das Publikum wird einen hochinteressanten Einblick in die Geschichte Amerikas bekommen. Leider ist der Stoff dort nicht so bekannt, er wird im Unterricht nicht durchgenommen. Dort geht es in der Schule um den Bürgerkrieg, und von dort wird direkt zum Ersten Weltkrieg gesprungen. Die Zeit dazwischen wird arg vernachlässigt. Schade, denn genau das ist eigentlich die Phase, in der sich die USA formierten.
Die Uraufführung von „The Strangers“ ist am Samstag, 19.30 Uhr in Saal 3 des Staatenhauses (Einführung, 19 Uhr). Unter den Sänger: Emily Hindrichs, Miljenko Turk, Regina Richter und Dalia Schaechter. www.oper koeln