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Oliver Masucci beim Film Festival Cologne„Regisseure direkt aus der Klapsmühle“

Lesezeit 4 Minuten
Oliver Masucci

Oliver Masucci zu Gast beim Film Festival Cologne.

Er war Adolf Hitler, spielte Rainer Werner Fassbinder und erlangte durch seine Rolle in „Dark“ internationale Popularität. Nun wurde Oliver Masucci in Köln mit dem International Actors Award ausgezeichnet.

„Es gibt Regisseure, die werden direkt aus der Klapsmühle ans Theater geholt und dort dann zwei Monate lang auf Schauspieler losgelassen. Und die stehen dann heulend in der Seitenbühne und sagen: Ich habe nur drei Sätze, aber ich komme bei dem nicht von der linken zu rechten Seite.“

Schauspieler Oliver Masucci ist nicht nur Fachmann für komplexe Charaktere, etwa als Hitler in „Er ist wieder da“ oder Rainer Werner Fassbinder in Oskar Roehlers Filmbiografie „Enfant terrible“. Beim „Artist Talk“ des Film Festival Cologne präsentierte sich Masucci auch als Freund sehr offener Worte.

Gerade erst ist seine Auto-Biografie „Träumertänzer“ (Lübbe Life, 24 Euro) erschienen, aber er hat schon Pläne für Buch Nummer zwei. „Ich habe einfach so viele absurde Geschichten mit Kollegen erlebt“, findet er vor allem in Bezug auf seine Theaterarbeit.

Nadeln gegen einen Lachanfall

Und bei diesen Produktionen sei es ja so, dass die besonderen Momente nur in den Köpfen der Beteiligten weiterleben – und in der Kantine weitergegeben werden. So die Geschichte, wie Mitspieler und er im „Kätchen von Heillbronn“ sich mithilfe von Nadeln versucht hätten, vor einem Lachanfall zu bewahren, weil ein älterer Kollege immer Text vergaß.

Als dieser nach dem Tod seiner Frau auftreten wollte und erst recht nicht den richtigen Text parat hatte, piesackte sich ein Kollege so sehr mit seiner Nadel, dass Blut floss – was wiederum Masucci zum Lachen reizte.

Der Titel der aktuellen Bio stammt von seinem italienischen Vater. Dessen Reaktion auf die Schauspielambitionen seines Sohnes: „Ollo, bist du eine Träumertänzer!“ parodiert Masucci den Papa – um nachzuschieben: „Ollo, bist du meine Rente!“ Doch das Bonner Restaurant des Vaters wollte er partout nicht übernehmen.

Mit Franziska Wulf als Fräulein Krömeier als Hitler in „Er ist wieder da“.

Mit Franziska Wulf als Fräulein Krömeier als Hitler in „Er ist wieder da“.

Seinen Durchbruch erlebte Masucci 2015 mit „Er ist wieder da“. „Ich war zunächst beleidigt, dass man mir das angeboten hat und fragte mich: Was habe ich denn mit Hitler zu tun?“ Das Konzept, dass er „wie Borat in die Realität“ komme, habe ihn überzeugt.

„Ich bin neun Monate lang von zwei Kameramännern verfolgt worden“, erinnert er sich an die Dreharbeiten. „Aber dadurch habe ich die Angst vor der Kamera verloren. Jetzt liebe ich es, wenn sie läuft!“

Danach gefragt, ob er beim Spielen eine Distanz zu seinen Rollen wahre oder wie ein ,method actor' in sie eintauche, entscheidet sich Masucci für den Mittelweg. Natürlich habe er sich vor „Enfant terrible“ Aufnahmen von Fassbinder angeguckt und mit Zeitzeugen gesprochen.

„Aber irgendwann wollte ich nichts mehr hören, sondern nur noch spielen.“ Er behielt mit seiner Haltung Recht: Das Resultat brachte ihm den Deutschen Filmpreis ein. In Köln wurde er jetzt mit dem International Actors Awards ausgezeichnet.

Als Rainer Werner Fassbinder „Enfant terrible“.

Als Rainer Werner Fassbinder „Enfant terrible“.

Allerdings hat ihn die Rolle auch reichlich gekostet: „Ich habe mir den Körper angefressen. Irgendwann wollte ich von dem Produzenten 20 000 Euro, denn ich habe nicht nur Pommes, sondern gut gegessen.“ Der Angesprochene lachte, und Masucci blieb auf den Kosten sitzen.

Über die Jahre hat der 54-Jährige generell ein gesundes Selbstbewusstsein entwickelt. „Man muss sich selbst loben, denn man weiß irgendwann selber, wenn man gut ist“, erklärt er. Er könne zwar verstehen, wenn Regisseure zur Absicherung verschiedene Takes drehen wollten. Aber wenn es ihm zu viel würde („Gerade emotionale Szenen kann man nicht beliebig oft wiederholen!“), sage er auch schon mal: „Jetzt reicht's!“

Ein weiterer Meilenstein in seiner Karriere war die Netflix-Serie „Dark“ (2017−2220). Sie wurde zwar in Deutschland produziert, konnte in unzähligen Ländern gestreamt werden – was zu einigen überraschenden Momenten führte. „Ich stieg in New York aus dem Flieger und vier Leute wollten ein Foto machen. Ich sagte, klar, mach' ich von Euch und sie meinten: Nein, von Dir – Du bist doch Ulrich aus ,Dark'!“

Durch den Erfolg der Serie konnte er auch in internationalen Produktionen wie „Phantastische Tierwesen: Dumbledores Geheimnisse“ oder im neuen Polanski-Film „Der Palast“ mitspielen.

Von der amerikanischen Art, Filme zu machen, ist er begeistert: „Die Amis spielen auf Teufel komm raus! Ich habe gerade in Bangkok einen Film in nur elf Tagen gedreht.“

Hierzulande werde zu viel „bewertet und erklärt. Wir haben tolle Filme und tolle Künstler, aber das könnte alles besser sein.“ Streamingdienste hätten den Markt eine Zeit lang verbessert.

Ende der Goldgräberstimmung

„Wenn ich mal einen Nachmittag lang in einem Hotel Fernsehen gucke, möchte ich am liebsten anrufen und fragen: Mann, seid ihr blöde?“ Und auch bei Netflix und Co. sei die „Goldgräberstimmung“ vorbei, es würde viele „mediokre Serien“ produziert.

Dennoch habe das Drehen einen großen Vorteil vor dem Theater: „Beim Film kann man nicht so lange diskutieren, man muss fertig werden“, ansonsten säße der Produzent dem Regisseur im Nacken. Das bedeute auch: „Da kann man dich nicht so lange fertigmachen“, grinst er mit Blick auf die „Direkt aus der Klapsmühle“-Erfahrung.