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Spannende Dokus und SpielfilmeDas erwartet Sie beim Film Festival Cologne

Lesezeit 5 Minuten
Sandra Hüller in einer Szene aus dem Gerichtsdrama „Anatomie eines Falls“

Sandra Hüller in „Anatomie eines Falls“

Ab dem 19. Oktober zeigt das Film Festival Cologne acht Tage lang ausgewählte Fernseh- und Kino-Produktionen. Carolin Raab und Axel Hill haben sich einige Filme vorab angeschaut.

Anatomie eines Falls

Ist er gefallen oder hat sie ihn gestoßen? War es Selbstmord oder Mord? Sandra und Samuel sind – unterschiedlich erfolgreiche – Schriftsteller. Mit ihrem nach einem Unfall fast erblindeten Sohn Daniel leben sie in einem Chalet in den Bergen. Nach Samuels Tod steht Sandra vor Gericht. Dort wird die schwierige Paarbeziehung analysiert, auseinandergenommen und von Anklage und Verteidigung für die eigenen Zwecke wieder zusammengesetzt. In diesem mal unterkühlten, mal unter die Haut gehenden Gerichtsdrama von Justine Triet verkörpert Sandra Hüller eine Frau, der man glauben will, sie aber gleichzeitig für eine Lügnerin hält, und die, selbst als es für sie auf Messersschneide steht, eine fast unmenschliche Gelassenheit ausstrahlt. Und Hüller präsentiert die hohe Kunst der Verkörperung einer Figur, die alles Schauspiel vergessen lässt. (HLL)

(22.10., 16.15 Uhr und 25.10., 21 Uhr, Filmpalast)

Die Bologna Entführung

Italien, 1858: Der sechsjährige Edgardo Mortara wird aus heiterem Himmel seiner Familie entrissen. Das jüdische Kind sei heimlich getauft worden und gehöre somit in die Obhut der Kirche, heißt es. Die Mortaras wollen dieses Unrecht jedoch nicht hinnehmen und wehren sich gemeinsam mit der jüdischen Gemeinde gegen die katholische Obrigkeit im Kirchenstaat Bologna. Für den entführten kleinen Jungen beginnt derweil die lange Suche nach seiner spirituellen Identität. Das auf einem wahren Fall basierende Historiendrama zeigt eindrücklich die Verzweiflung einer jüdischen Familie angesichts des gesellschaftlich tief verwurzelten Antisemitismus. (crb)

(21.10., 16.30 Uhr und 23.10., 18.45 Uhr, Filmpalast)

Ewald Lienen – eine griechische Tragödie

Szene aus "Ewald Lienen - eine griechische Tragödie" - Film Festival Cologne

Szene aus „Ewald Lienen - eine griechische Tragödie“

Er spielte Fußball wie ein junger Gott, aber das war Ewald Lienen vom Beginn seiner Karriere an nie genug. Politisches Engagement war ihm genauso wichtig wie die Unterstützung seiner Frau bei deren Arbeit mit behinderten Kindern. Dreh- und Angelpunkt von Jesper Petzkes Dokumentation ist seine Zeit als Trainer beim AEK Athen. In einem von einer Wirtschaftskrise biblischen Ausmaßes gebeutelten Griechenland päppelt er zunächst die unterernährten Spieler und wird Opfer machtgieriger Hinterzimmer-Deals. Ruhig und besonnen blickt der bald 70-Jährige zurück und gibt auch den einen oder anderen Fehler zu. (HLL)

(23.10., 18 Uhr, Filmpalast)

Rückkehr nach Korsika

Der Eröffnungsfilm des Festivals: Eine Mutter und ihre beiden Teenager-Töchter kehren für einen Sommer lang zurück nach Korsika, wo die Familie ihre Wurzeln hatte, bis der Vater starb. Alte Verbindungen werden wiederbelebt, lange Verschwiegenes wird ausgesprochen, alte Wunden brechen auf – und die Atmosphäre lädt sich auf wie bei einem Sommergewitter. Regisseurin Catherine Corsini und Kamerafrau Jeanne Lapoirie bleiben dabei dicht an den Figuren, die Schönheit der Insel verleiht dem Drama eine sanfte Hintergrundmusik. (HLL)

(19.10., 20 Uhr, Filmpalast)

The Goldman Case

Szene aus "The Goldman Case"- Film Festival Cologne

Arieh Worthalter in 'The Goldman Case'

Ein linker Schriftsteller und Aktivist wird in erster Instanz wegen mehrerer Raubüberfälle und zweier Morde verurteilt. Die Überfälle gibt Pierre Goldman bereitwillig zu, bestreitet jedoch, während eines seiner Coups zwei Apothekerinnen kaltblütig erschossen zu haben.

In diesem Gerichtsdrama von Cédric Kahn, das stellenweise ein wenig langatmig gerät, aber trotzdem vor allem durch die emotionale Darbietung von Hauptdarsteller Arieh Worthalter besticht, wird Goldmans Fall neu aufgerollt. Dabei geht es jedoch nicht nur um die Frage von Schuld oder Unschuld, sondern auch um Korruption, Antisemitismus und Vorurteile im Frankreich der 1970er Jahre. (crb)

(21. 10., 16 Uhr, Filmpalast und 22.10., 20.30 Uhr, Filmhaus)

Wohin mit Kurt?

Irgendwo im Kölner Norden gibt es „eine der letzten sogenannten wilden Siedlungen Deutschlands“: Einst ohne Genehmigung entstanden, bieten die unterschiedlichsten Bebauungen ihren Bewohnern teil seit Jahrzehnten ein Zuhause jenseits der Normalität. Einer von ihnen war Kurt Brock. Dem ehemaligen Schausteller wird sein Analphabetentum zum Verhängnis und ihm droht die Zwangsräumung.

Christoph Gottwald begleitet ihn ein Jahr lang mit der Kamera – und tut mehr als das: Er aktiviert sein Netzwerk, zu dem Kölsche Größen wie Arno Steffen oder der ehemalige Pop-Beauftragte Manni Post gehören. Man kennt sich – und man hilft Kurt. Am Ende ist das Gelände zwar geräumt, aber Kurt geht es dennoch gut. (HLL)

(24.10., 21.30 Uhr, Filmpalast)

Irdische Verse

Szene aus "Irdische Verse" - Film Festival Cologne

Szene aus „Irdische Verse“

Dieser Episodenfilm von Ali Asgari und Alireza Khatami zeigt den kafkaesk anmutenden Kampf von Männern und Frauen im Iran um die kleinsten Freiheiten. Eine Teenagerin, die sich die Haare färben will, ein Filmemacher, dessen Drehbuch an der strengen Zensur scheitert, ein Arbeitssuchender, der nicht eingestellt wird, weil er einen Koranvers nicht richtig aufsagen kann: Sie alle müssen sich gegen die Willkür der Behörden und religiösen Autoritäten von Teheran zur Wehr setzen, die man als Zuschauer nie sieht, sondern nur ihre Stimmen aus dem Off hört. Unaufgeregt und trotzdem packend erzählt der Film die ungehörten Geschichten dieser Männer und Frauen. (crb)

(20.10., 17.45 Uhr und 22.10., 18.10 Uhr, Filmpalast.)

Vermeer – Reise ins Licht

Was macht einen Vermeer zu einem Vermeer? Diese Frage musste sich das Team des Amsterdamer Rijksmuseums stellen, als sie die gerade im Juni zu Ende gegangen Retrospektive vorbereiteten. Vermeer, der 1675 im Alter von nur 43 Jahren starb, gilt als einer der großen Unbekannten der Malereigeschichte: Es gibt keine Briefe, keine Aufzeichnungen – und nur seine Rückenansicht in einem seiner wenigen Gemälde.

Das Filmteam begleitet Kurator Gregor J. M. Weber um die Welt, als er Bilder für die Ausstellung „einsammelte“ und dabei versuchte, die Spreu vom Weizen zu trennen. Modernste Technologien liefern dabei neue Erkenntnisse über Gemälde, die vor 350 Jahren entstanden. Ein wahrer Kunstkrimi, in dem es auch um Eitelkeiten geht. (HLL)

(20.10., 19 Uhr, Filmpalast, und 22.10., 16.30 Uhr, Filmhaus)


Prominente Gäste

Wie in jedem Jahr kommen viele an den Produktionen Beteiligte zu einer ganzen Reihe der Aufführungen. Bibiana Beglau und Roland Kukulus präsentieren Jan Bonnys Reichsbürger-Serie „Freiheit ist das Einzige das zählt“ (23.10.). „Die zweite Welle“ wird unteranderem in Anwesenheit von Karoline Schuch und Johann von Bülow gezeigt (23.10.).

Stefanie Reinsperger und Juliane Köhler sind bei „Haus aus Glas“ mit dabei (20.10.). Regisseur Timm Kröger („Die Theorie von allem“) und Regisseurin Catherine Corsini („Rückkehr nach Korsika“) kommen zur Vorführung ihrer Filme, genauso wie Fußballlegende Ewald Lienen (EB)