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Britischer SuperstarSting bringt Publikum in der Lanxess-Arena zum Toben

Lesezeit 4 Minuten
Sting spielt auf einer Gitarre.

Sting begeistert die Fans.

In der ausverkauften Lanxess Arena gastiert der britische Superstar auf seiner „My Songs“-Tour. Bis es dazu kam, brauchten Fans viel Geduld. Denn der Termin wurde viermal verschoben.

Muskulöse, sehnige Arme. Körperbau in perfekter A-Form: breite Schultern, gut definierter Oberkörper, schlanke Hüften. Keine Spur von Bauchspeck. Auch ein Doppelkinn, weich wabbelnde Wangen oder Oberschenkel mit Flauschtendenz sucht man vergeblich. Geht das mit 72? Ja. Wenn man, so wie Gordon Matthew Thomas Sumner, täglich Power Yoga macht. Walken und schwimmen geht und meditiert. Sich makrobiotisch ernährt. Auf Nikotin verzichtet und darauf, sich alle Nase lang dieselbe zu begießen. Nicht nur optisch ist Sting Montagabend in Topform.

In der ausverkauften Lanxess Arena gastiert der britische Superstar auf seiner „My Songs“-Tour. Bis es dazu kam, brauchten Fans viel Geduld. Viermal wurde der Termin, aufgrund von Corona und von Erkrankungen, verschoben. Das ist auch Sting klar, der seine Fans, komplett auf Deutsch, begrüßt: „Guten Abend, meine Damen und Herren! Erstmal: es ist lange her. Ja. Ja. Ja.. Sie haben Ihre Tickets lang gehalten. Aber – wir leben alle noch. Heute Abend werden wir eine tolle Show haben!“

Über 600 Stücke geschrieben

Um dann diejenigen vorzustellen, die gemeinsam mit ihm knapp zwei Stunden dafür sorgen: Gitarrist Dominic Miller, Keyboarder Kevon Webster, der neue Schlagzeuger Zach Jones, der Josh Freese ersetzt (trommelt jetzt bei den Foo Fighters an Stelle des verstorbenen Taylor Hawkins) und Harmonikaspieler Shane Sager. Plus der Backgroundstimmen von Melissa Musique und Gene Noble. Die im Laufe des Abends auch ihre überragenden solistischen Qualitäten unter Beweis stellen werden.

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Eine Tour „My Songs“ zu nennen, verrät ein gesundes Selbstvertrauen. Und kündet gleichzeitig von Understatement: die 15 beziehungsweise 20 Stücke die auf dem gleichnamigen, 2019 erschienenen Album zu hören sind, sind nur ein verschwindender Bruchteil aus dem Oeuvre des 17-fachen Grammy-Gewinners. Geschrieben hat er mehr als 600 Stücke, die bekanntesten stammen aus seiner Zeit als Sänger und Bassist von The Police (1977-1983) und seiner Solokarriere ab 1985. „My Songs“ ist ein Best Of aus beiden Phasen. Wobei er allein mit den je nach Zählweise, 26 oder 29 Police-Singles und 51 beziehungsweise 65 Sting-Singles, locker mehr als drei Abende befüllen könnte.

Grund zum Kleckern besteht also keiner, der Drahtige im hautengen grauen T-Shirt kann aus dem Vollen schöpfen. Mit „Message in a bottle“ (The Police) und dem „Englishman in New York“, gefolgt von „Every lttle thing she does is magic” (The Police) und „If you love somebody set them free“ gerät der Einstieg ebenso opulent wie furios. Schon da zuckt es die, die im bestuhlten Platz gefunden haben, in den Füßen, allzu lange wird die Verweildauer auf den Sitzen nicht mehr währen. „Magic, Magic, Magic“ schallt das Echo tausendfach aus den Kehlen der hingerissenen Stingpathisanten und –pathisantinnen.

Power bis zum Anschlag

Lässig, elegant und souverän, zärtlich, wild und humorvoll navigiert das Idol, das so bezaubernd unidolisch wirkt, sein Publikum durch die Nacht. Ist der tändelnd-tänzelnde Gentleman, der niemals rennen würde, lässt mit Melissa Musique die „Hounds of winter“ los und lässt sie heulen, schwebt über die „Fields of gold“ und betupft sie mit abendrötlichgoldenem Licht.

Eben noch hat er scheinbar kritische Hin- und Her-Blicke im Zusammenspiel mit Dominic Miller getauscht, die sich in verschwörerischer Komplizenschaft auflösen, dann foppt er den grandiosen Harmonikaspieler Shane Sager vor „Brand new“: „Das ist Stevie Wonder – bist du dir absolut sicher, dass du das kannst?“ „Yeah“ antwortet der bloß – und übernimmt dann den Instrumentalpart des berühmten Kollegen so entspannt, als sei das bloß eine Runde auf dem Kamm blasen in der Grundschule.

Weitere großartige Duette – „Heavy cloud no rain“ mit Soul-Tornado Melissa Musique und das zu Tränen rührende „Shape of my heart“ mit dem ungemein variablen Gene Noble – schließen sich an. „A thousand years“ träufelt Wehmut pur in Ohren und Herzen, bei „It’s probably me” holt Sting den Sahne-Bariton Gregory Porter auf die Bühne. Und wenn man dem Mann mit dem Halsschlauch unter der Ballonmütze zuhört, begreift man sofort, warum der für den Gastgeber „einer meiner liebsten Sänger auf der ganzen Welt ist“.

Weiße Lichtfinger durchstreifen die Arenadecke bei „Walking on the moon“, der Übergang zu „So lonely“ gerät fließend, das „Lo-Lo-Lo“ des Publikums türmt sich auf zur haushohen Klangwelle. Kaleidoskopische Arabesken und algerischer Rai entfalten die „Desert Rose“ zur vollen, tanzbaren Blüte. Bei „King of pain“ steigt Stings Sohn Joe mit ein, bei „Every breath you take” brüllt der Löwe aus voller Kehle und mit ganzer, überströmender juveniler Kraft. Singen so 72-Jährige? Wenn sie Gordon Matthew Thomas Sumner heißen schon. Um dann bei der ersten Zugabe „Roxanne“ sogar noch einen Gang zuzulegen. Power bis zum Anschlag.

Schade, dass die zweite Zugabe „Fragile“ dagegen deutlich abfällt. Zu hektisch, zu schnell. Obschon akustisch dargeboten, leidet hier das Gefühl. Das Gefühl von Zartheit und Zerbrechlichkeit, das sich nicht recht einstellen will. Die im Publikum toben trotzdem. Applaudieren wie rasend. Als Dank für den Abend in Gänze und für so ein grandioses Lebenswerk ist das absolut angemessen.