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AnnenMayKantereit im Interview„Es liegt jetzt noch ganz viel vor uns!“

Lesezeit 4 Minuten
AnnenMayKantereit Promofotos zum vierten Studioalbum „Es ist Abend und wir sitzen bei mir“

AnnenMayKantereit - das sind (v.l.) Severin Kantereit, Christopher Annen und Henning May.

Am 3. März erscheint das vierte Studioalbum der Kölner Band AnnenMayKantereit: „Es ist Abend und wir sitzen bei mir“.Gitarrist Christopher Annen (33) und Schlagzeuger Severin Kantereit (31) sprechen im Interview über neue Wege, alte Freunde und das Gefühl, nicht mehr „21, 22, 23“ zu sein.

Im Dezember habt ihr zweimal die Lanxess-Arena gefüllt. Wie war das?

Christopher Annen: Das war ein sehr, sehr schöner Jahresabschluss. Also wenn wir in Köln auftreten, sind wir eh immer total aufgeregt, weil viele Freundinnen und Freunde und unsere Verwandten da sind. Aber jetzt im Henkelmännchen zu spielen, wo wir Anfang 2020 schon spielen wollten, das war für uns schon etwas ganz, ganz Besonderes.

Aber es geht ja auch noch eine Nummer größer – am 9. September im Kölner Stadion…

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Severin Kantereit: Da hat man schon Respekt davor. Schon wenn man in der Lanxess-Arena spielt, denkt man: ,Wow! Ich kann hier gar nicht bis ans andere Ende kucken!’ und das Stadion, das ist mehr als dreimal so groß. Wenn ich dran denke, kriege ich schon so’n kleines Kribbeln im Bauch.

Annen: (lacht) Wir trauen uns das einfach. Klar, es ist nicht leicht, solche Stadion-Tickets zu verkaufen. Gerade ist das ja für sehr viele Band sehr schwer, überhaupt Tickets zu verkaufen, das hören wir auch im Freundes- und Bekanntenkreis. Deswegen waren wir schon sehr, sehr nervös. Umso schöner ist es, jetzt zu wissen, dass das ganz gut läuft. Gerade als Kölner ist es ja auch so, dass man das Stadion schon immer vor sich hatte, früher sind wir nach der fünften (Stunde) ins Stadionbad gefahren…

Kantereit:…früher hat man Robbie Williams im Kinderzimmer gehört, als der da gespielt hat, und dass man jetzt selbst da im Stadion auf der Bühne steht, das ist schon verrückt.

Eure Platte ist ein „Gastgeberalbum“, ihr habt aber nicht andere Musiker eingeladen, mit euch zu spielen…

Kantereit: Wir haben im vergangenen Sommer sechs Wochen lang Freundinnen und Freunde in unseren Kölner Proberaum eingeladen, um dabei zu sein, wie das neue Album entsteht. Wie muss man sich das praktisch vorstellen?

Annen: Man ruft die einfach an, und die kommen vorbei. Wir haben an unseren Songs gearbeitet, die Leute haben da abgehangen, ihre Nicht-Musiker-Meinung zu den Stücken abgegeben. Und zwischendrin haben wir draußen gesessen, ein Bier getrunken, was ganz Anderes gemacht.

Kantereit: Wir sitzen halt gerne viel rum mit unseren Menschen, die wir gerne haben. Und viele kannten das auch schon, von Proben vor der Coronazeit.

Inzwischen wohnen Severin und Henning in Berlin. Warum?

Kantereit: Mein Leben lang war ich in Köln, mit Henning habe ich auch sechs, sieben Jahre in einer WG gelebt. Ich wollte mal was anderes sehen, in eine Stadt ziehen, die eine ganz andere Dynamik hat. Wir sind ja auch trotzdem noch oft in Köln, das ist auch keine Entfernung, mit dem ICE-Sprinter ist man in zwei Stunden neunundfünzig hier.

Annen: Ich bin auch sehr gern in Berlin. Aber ich bin auch immer wieder gerne zurück in Köln. Ich fühle mich da ziemlich wohl. Ich könnte mir schon auch vorstellen, mal was anderes zu sehen, aber nicht unmittelbar, in nächster Zeit.

Kantereit: Der kölsche Klüngel, dieses Gefühl, dass jeder jeden kennt, das ist es ja am Ende doch, was einen immer wieder nach Hause zieht…

Auf dem neuen Album gibt es auch Stücke, in denen ihr euch an früher erinnert. Ist es an der Zeit für einen Rückblick?

Kantereit: Bei unserem ersten Album waren wir um die 20. Da schaut man eher noch nach vorne, es geht immer weiter, ganz schnell voran, so wie in „21, 22, 23“. Inzwischen blickt man schon so’n bisschen zurück, es gab für uns ja auch so riesige Veränderungen in der Zeit seitdem.

Annen: Aber zusammen sind wir relativ wenig nostalgisch. Es kommt nicht vor, das wir zusammen sitzen und dann ganz traurig zueinander sagen: ,Buhu, ach weißt du noch!“. Es liegt ja auch jetzt noch ganz viel vor uns.


Das Album in der Kurzkritik

Mitten im Winter schmeckt das Album „Es ist Abend und wir sitzen bei mir“ (Universal) von AnnenMayKantereit nach Sommer und Sorglosigkeit. Nach post-pandemischem Gemeinschaftsgefühl, der Freude, wieder spontan „Ausgehen“ zu können. Gottlob ohne dabei in zuckriger Gute-Laune-Limonade zu ersaufen. Das mystische „Weißhaustraße“ setzt einen Kontrapunkt mitten in die hellen Sonnensegel. „3 Tage am Meer“ erzählt vom Wunsch nach Erlösung aus dem Überdruckkessel, die immer scharfe Sense der Liebe metzelt gnadenlos weiter, auch wenn man’s negieren möchte („Du tust mir nie wieder weh“). Retrospektives wie „Erdbeerkuchen“ erinnert an eine Kindheit, die länger vorbei ist, als man denkt.

Stilistisch abwechslungsreich und spannend kommen die Songs rüber , mal mit rockigem, mal mit latinhaftem Gepräge, mal auf leisen, jazzigen Katzenpfoten oder als rheinische Mitschunkel-Nummer („Tommi“). Chart-Spitzenreiter in spe. (sus)