Köln – Die Waage aus dem ersten italienischen Lebenmittelladen in Köln. Der Ford-Blaumann eines türkischen Arbeiters. Der Rettungsring des Flüchtlingsschiffs Cap Anamur, das von 1979 bis 1984 Tausende Menschen rettete. Nur drei der Dinge, die Migrations-Geschichte(n) erzählen. Drei von 150 000 Objekten, die vom gemeinnützigen Kölner Dokumentationszentrum und Museum über die Migration in Deutschland (Domid) seit 1990 gesammelt, archiviert und dokumentiert wurden.
Sie sind eng verbunden mit Lebenswegen der Menschen, die im Lauf der letzten Jahrzehnte nach Deutschland kamen, mit Sehnsucht und Fernweh, sozialen Missständen, Einflüssen der Kulturen und Familien, die teils schon in vierter Generation hier zuhause sind.
„Wenn wir die Objekte mit den dazugehörigen Geschichten nicht aufheben, dann sind sie weg. Man muss sie erzählen“, sagt Domid-Geschäftsführer Dr. Robert Fuchs. Ziel ist es seit Gründung des gemeinnützigen Vereins, „ein Museum zu errichten, in dem Migration als Normalfall vermittelt wird“. Nach über 30 Jahren nimmt nun der Traum von einem bundesweit einzigartigen Museum zur Migrationsgeschichte Gestalt an (siehe Zeitleiste). Eine Art deutsches Ellis Island-Haus entsteht.
„Bei der Vorstellung bekomme ich Gänsehaut“, sagt der Geschäftsführer mit Blick auf den Ort, wo das Migrationsmuseum entstehen soll: Die Werkshalle 70 in Kalk liegt mitten im früheren Industriegebiet von KHD. Auf fast 10 000 Quadratmetern soll in der früheren Halle 70 Platz für Bildung und Kultur, Wissenschaft, Ausstellungen und Begegnungen sein. Gerade laufen Gespräche über einen Erbbaurechtsvertrag für das Gelände der Halle. In der Fabrik arbeiteten früher auch einige der heutigen Domid-Vereinsmitglieder – die nun das Leuchtturmprojekt mit begleiten.
Noch hat der Verein im Bezirksrathaus Ehrenfeld seinen Sitz, wo es modern ausgestattete Archivräume gibt, Bibliothek und Arbeitsplätze für die Erforschung der Geschichte(n) hinter den Dingen. Aber wenig Ausstellungsflächen. Dabei gibt es viel zu entdecken, so Domid-Sprecher Timo Glatz bei der Führung durch die Räume: Die Erfolgs-Single der Nachtigall von Köln zum Beispiel. Der Hit der singenden türkischen Fabrikarbeiterin Yüksel Özkasap erschien 1968 bei der Plattenfirma Türküola. Ein altes Anwerbe-Schild aus Istanbul mit Berufen, für die „Gastarbeiter“ gesucht wurden. Deutsch-vietnamesische Regeln für ausländische Werktätige, die in der ehemaligen DDR angestellt wurden. Oder selbstgenähte Corona-Masken für Saisonarbeiter.
In Kalk sollen die Exponate mit innovativen Präsentationen groß rauskommen. Ein wichtiges Anliegen ist dem Verein die direkte Beteiligung von Bürgern schon bei den ersten Planungen. Es entstehen gerade von der Kulturstiftung des Bundes geförderte Labore, in denen Teams mit Experten Konzepte erarbeiten und testen werden.
Wie leben wir in dieser Gesellschaft zusammen? Wie wird sie durch Migration geprägt? Das sind Fragen, auf die das geplante Haus der Einwanderungsgesellschaft, so der Arbeitstitel, Antworten geben will. Darin wird viel Wert auf Begegnungen auf Augenhöhe gelegt. Einwanderung – das sei ein Normalfall in unserer Gesellschaft. Eine Erkenntnis, die aber noch nicht fest in der Gesellschaft verankert sei. „Geschichten von Migrantinnen und Migranten, ihren Nachkommen, Schwarzen Menschen und Personen of Colour werden viel zu häufig ausgeblendet“, sagt Fuchs.
Das auch von Bund und Land unterstützte Haus werde zeigen, „wie sich Migration in die deutsche Geschichte eingeschrieben hat“. Fuchs: „Köln kann stolz sein, dass das Museum hier entsteht und nicht in Berlin oder anderswo! Das wird internationale Strahlkraft haben.“