„Der geteilte Picasso“Museum Ludwig über das Bild des Künstlers in DDR und BRD
Köln – „Dass er politisch so engagiert war, habe ich auch nicht gewusst“, sagt Julia Friedrich. Sie kuratiert die Ausstellung „Der geteilte Picasso – Der Künstler und sein Bild in der BRD und der DDR“, die ab 25. September im Museum Ludwig zu sehen ist. Zugleich habe sie sich während der Vorbereitung auch gefragt, „warum uns bei Pablo Picasso immer zuerst sein Verhältnis zu den Frauen einfällt.“ Und nicht etwa seine Aktivitäten als überzeugter Kommunist.
Seinen Eintritt in die französische KP im Oktober 1944 nannte der Spanier „einen logischen Schritt in meinem Leben, meinem Werk“. Fortan nahm er an Friedenskongressen teil, für die er Plakate entwarf - schuf aber auch explizit politische Werke wie „Das Leichenhaus“ (über NS-Gräuel) oder „Massaker in Korea“ (über ein amerikanisches Kriegsverbrechen). Letzteres Werk reist als Leihgabe des Musée Picasso in Paris nach Köln.
In der DDR gab es anfangs kaum Präsentationen
Es zählt zu jenen Bildern, die man im Westen während des Kalten Kriegs geflissentlich ausblendete, während sie in der DDR ideologisch instrumentalisiert wurden. Als das weltweit wahrgenommene Meisterwerk „Guernica“ mit den vorgenannten Arbeiten bei seiner bis heute einmaligen deutschen Präsentation 1955/56 in München, Köln und Hamburg gezeigt wurde, bat das Auswärtige Amt um politische Vorsicht. Nicht ganz vergeblich, denn die Bombardierung der baskischen Kleinstadt wurde in den Begleittexten nicht mit der deutschen Legion Condor in Verbindung gebracht. Stattdessen war nur von „Ereignissen“ im Spanischen Bürgerkrieg die Rede.
Wie ist Julia Friedrich auf ihr faszinierendes Thema gestoßen? „Teile unserer Picasso-Sammlung von Peter und Irene Ludwig waren ja in der DDR ausgestellt, seit 1977 bis 1990 als Dauerleihgabe in der dortigen Nationalgalerie.“ Schokoladenfabrikant Ludwig wollte drüben einerseits Kakao verkaufen, andererseits westliche Kunst bekannt machen und östliche erwerben.
Vielseitiger Vogel
Die „Friedenstaube“ ist gewiss Picassos bekanntestes Motiv, das Louis Aragon 1949 als Lithografie eines weißen Vogels auf schwarzem Grund für den ersten Weltfriedenskongress in Paris auswählte.
Für künftige Kongresse variierte der Künstler das Symbol, ließ die Taube fliegen oder einen Olivenzweig im Schnabel tragen. Brechts Berliner Ensemble bannte den Vogel auf seinen eigenen Vorhang und einen Tourneevorhang, der in Köln ebenso zu sehen ist wie ein großes Tuch, auf dem vier Masken die Taube einrahmen.
Das Tier zierte lange das Logo des Leipziger Dokumentarfilmfestivals, wurde aber nach der Wende schnöde „entsorgt“. (Wi.)
Die Kuratorin hat „die Spiegelung interessiert, wie der eine Teil Deutschlands auf den anderen reagiert hat“. Die gravierendsten Unterschiede? „Im Westen war seine Kunst in etlichen Ausstellungen allgegenwärtig, in der DDR gab es anfangs kaum Präsentationen.“ Aber ein Image des vorbildlichen kommunistischen Aktivisten, mit dessen anti-realistischem Stil man gleichwohl Probleme hatte. Im Westen hingegen galt er als schaffenswütiges Genie mit Casanova-Zügen. Maßgebliche Kunstkritiker attestierten ihm bei politischen Werken Niveaustürze, was auf sein arg kitschverdächtiges Plakat (eine Blume aus sehr zarten Arbeiterhänden) für Joris Ivens„ Film „Lied der Ströme“ sogar zutreffen mag.
Lange hat die Kuratorin überlegt, wie sich das komplexe Thema fürs Publikum illustrieren lässt. „Ich habe viel recherchiert, viel Material gesammelt und früh gemerkt, dass diese Recherche Teil der Ausstellung sein muss. So wird Originalkunst in Dialog gebracht mit Reproduktionen (etwa von „Guernica“), Installationsfotos, Aufnahmen von ihm als Friedenskämpfer und Zeugnissen aus Zeitschriften und Zeitungen, die unser Picasso-Bild widerspiegeln.“nEin ganz besonderes „Exponat“ ist der im Januar 2020, kurz vor Corona, auf Friedrichs Initiative gedrehter Film „Picasso in Vallauris“.
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Der 1937 geborene Regisseur Peter Nestler hat in jener südfranzösischen Kapelle gedreht, in der der Mann aus Málaga ab 1951 sein gewaltiges Diptychon „Krieg und Frieden“ als Wandgemälde schuf. Doch neben der Begegnung mit dieser janusköpfigen Arbeit bietet der Film (als 15-minütiger Auszug in der Kölner Schau, in voller 48-Minuten-Länge auf der dazugehörigen Website) ein facettenreiches Künstlerporträt.
Im Lauf der Zeit gleichen sich die westliche und östliche Sicht auf den großen Spanier übrigens an: Hierzulande folgte die Neue Linke gern der Spur des politischen Künstlers, während man im Arbeiter- und Bauernstaat immer weniger mit dessen angeblich „formalistischem“ Schaffen fremdelte.Und heute? Ist Pablo Picasso auch in den neuen Bundesländern längst nicht mehr auf linkes Engagement reduziert, wie 2002 ausgerechnet in Chemnitz (ehemals Karl-Marx-Stadt!) die Schau „Picasso et les femmes“ bewies.