Köln – Die Sitzreihen vibrieren während sich auf den Stehplätzen der Lanxessarena alles zur Bühne drängt. Je näher der Auftritt des Rappers 50 Cent rückt, desto durchdringender wummern die Bässe. Das Publikum wibbelt im Kessel, der gerade zum Siedepunkt hin zu brodeln scheint, obwohl Curtis James Jackson III, so der bürgerliche Name des 46-Jährigen, noch gar nicht auf der Bühne ist. Er hält das akademische Viertel ein, in welchem die Vorgruppe schwärmt, wie „geisteskrank“ das sei, dass ihr diese Ehre zuteil werde, hier in Köln an auf dieser Bühne zu sein.
Gruß der Winkekatze
Die Begeisterung ist in fast jedem Gesicht zu lesen. Mancher, der noch nicht volljährig ist, kommt in Begleitung der Eltern, die aufgeregt versuchen, die Szenen im Saal mit dem Handy heran zu zoomen. Die Bilder sehen aus, als gehe es in tiefschwarzer Nacht auf die Landebahn einer Großstadt. Wer es schafft, cool zu bleiben, wippt wenig später trotzdem locker in den Kniekehlen und schiebt den Kiefer vor und zurück. Der Arm geht mechanisch auf und ab wie bei der Winkekatze.
Um 20.15 Uhr ist es soweit. Zur besten Sendezeit steht er auf der Bühne und die Macht der Bilder ist gewaltig. Es blitzt und dampft, signalrote Amplituden oszillieren auf Bildschirmen und 50 Cent ist mit strahlendem Lächeln sofort so präsent, dass seine Bandkollegen auch bei ganzem Einsatz immer etwas Beiläufiges haben.
Wie auf einer Kinoleinwand werden Stationen des Songwriters und Schauspielers im Schnelldurchgang gezeigt, die Details seiner Lebensgeschichte aufblitzen lassen – was im Publikum wissende Kommentare hervorruft. Nach dem Konzert, beim Gedränge aus dem „Henkelmännchen“, bemängelt ein junger Mann, dass ihm das eine oder andere Bild gefehlt habe. Die Ikonografie muss also stimmen.
Best of 50 Cent
50 Cent gelang 2003 mit seinem Album „Get Rich or Die Tryin’“ der Durchbruch zum Weltstar. In den USA war das Album mit 6,5 Millionen verkauften Platten das erfolgreichste des Jahres. Weltweit wurde es 15 Millionen Mal verkauft. 2005 folgte sein Album „The Massacre“, das sich über 11 Millionen Mal verkaufte. Drei weitere Alben erschienen 2007, 2009 und 2014, die jedoch nicht an den Erfolg anknüpften. 2017 folgte sein „Best of 50 Cent“ Album.
Seit der Verfilmung seines Lebens im Jahr 2005 ist er regelmäßig in Filmen zu sehen. 2015 meldete er Privatinsolvenz an. Er ist Vater von zwei Söhnen. (hbo)
In Videoclips wird schnell klar, dass 50 Cent hier der dickste Fisch ist, der sich aus ärmlichen Verhältnissen im New Yorker Stadtteil Queens befreite – dort dealte er bereits mit 12 Jahren mit Drogen. Er scheint siegesgewiss. Sei es, dass er mit seinem chrom-blitzenden Hummer neben einer räkelnden Bikinischönheit durch die Ghettos rollt und müde über deren kleine Haie lächelt. Oder es werden Auslagen von Brillanten, Perlenketten und Ringen Modell „Kalte Platte“ gezeigt, die klar machen, hier singt ein reicher Mann. Mit Songtiteln wie „Window Shopper“ wird daraus auch gar kein Geheimnis gemacht. 50 Cent scheint die Sehnsucht nach Märchen perfekt zu bedienen. Bling Bling mit bunten Autos, Auftritte wie im Königreich und staatsmännische Gesten vermitteln die Botschaft, dass es hier einer an die Spitze geschafft hat und da auch bleiben will.
Neun Kugeln trafen den Rapper 2009
Aber es sind ausgewählte Bilder. Die einstige Unterstützung für Donald Trump wegen Joe Bidens Reichensteuer ist auf der Bühne kein Thema. Dafür ist das Internet voll von Berichten, dass 50 Cent dem Republikaner im Wahlkampf das Angebot für einen horrend bezahlten Auftritt ausschlug. Und es gibt Bilder aus dem OP-Saal. Neun Kugeln trafen den Rapper im Jahr 2000 bei einer Schießerei vor dem Haus seiner Großeltern in Gesicht, Arme und Beine. Nach 13 Tagen wurde er aus dem Krankenhaus wieder entlassen – auch von der Plattenfirma, die negative Schlagzeilen fürchtete.
Drei Jahre später entdeckten ihn seine Kollegen Eminem und Dr. Dre neu. 2005 wurde sein Leben in „Get Rich or Die Tryin“ verfilmt – so hieß auch sein erstes Studioalbum aus dem Jahr 2003. Und die Musik? 50 Cent erhielt Grammys und Echos, unter den zahlreichen Auszeichnungen findet sich auch „Bravo Otto in Gold“ in der Kategorie HipHop International.
Die Bässe übertönen vielfach den Text, den Tausende im Saal ohnehin herunterbeten können. Was hängen bleibt, sind „Ha Ha!“ und „Uh huh“ und „Yeah“. Nach einer Stunde und zwanzig Minuten ist die Show auch schon wieder vorbei. Ganze 36 Songs hat Jackson in die 80 Minuten gequetscht. Bei vielen Liedern spielt er die erste Strophe und den Refrain und geht dann schon in den nächsten Track über. Er weiß wofür seine Fans gekommen sind, sie wollen seine Klassiker hören: „Candy Shop“, „P.I.M.P.“, „In Da Club“, „Many Men“, „Ayo Technology“. Und die liefert er ab.
Keine zehn Sätze spricht der Erfolgsrapper an dem Abend. Hier und da fragt er seine Fans, wie es ihnen geht, um Applaus und Gekreische zu ernten. Die Zugabe-Rufe und das Gepfeife der aufgepeitschten Menge sind ohrenbetäubend. Eine zweite Zugabe gibt es jedoch nicht. „Für das Geld hätte er schon länger spielen können“, sagt ein Fan beim Verlassen der Konzerthalle enttäuscht.
Die Show wirkt wie aus der Zeit gefallen
Was von dem Konzert bleibt, ist die Frage nach Relevanz und Reflektion. Sein letztes Album hat 50 Cent 2014 veröffentlicht, seitdem folgten lediglich vereinzelte Songs, in denen er als Feature auftaucht. Zuletzt wurden seine Fans bei der Halbzeitshow des Superbowls im Februar daran erinnert, dass Jackson noch Musik macht. Unangekündigt tauchte er dort neben seinen Kollegen Eminem und Dr. Dre auf – kurz danach folgte seine Tourankündigung.
Seine Show wirkt wie aus der Zeit gefallen: Die Musikvideos aus den Nuller Jahren reduzieren Frauen auf ihren Körper und sexualisieren sie. Eine gängige Praxis aus dem Gangster-Rap, die jedoch mittlerweile nicht mehr bei allen gut ankommt. „Schrecklich“, kommentiert eine Besucherin die Videos auf der Bühne. Außerdem ist die Lanxess-Arena nicht ausverkauft, die Oberränge sind spärlich besetzt, auch die Unterränge sind nicht gänzlich ausgelastet.