Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

Erinnerungen an Showmaster zum 100. GeburtstagHans Rosenthal führte zwei Leben in Deutschland

Lesezeit 6 Minuten
Hans Rosenthal hält in den 197er Jahren ein Schild in den Armen zur 100. Ausgabe von "Dalli Dalli"

Der legendäre Hans Rosenthal war einem Millionenpublikum durch die TV-Quizshow „Dalli Dalli“ bekannt.

Am 2. April wäre der legendäre Quizmaster Hans Rosenthal 100 geworden.  Eine neu aufgelegte Autobiografie, ein Film und seine Kinder erinnern an den Zwiespalt seines Lebens als erfolgreicher Showmaster und verfolgter Jude im Dritten Reich.

Als Hans Rosenthal im Dezember 1986 bei der Verleihung des Fernsehpreises Telestar auf die Bühne trat, war er von seiner Krebserkrankung und den vorangegangenen Operationen gezeichnet. „Sie sehen mich erleichtert“, scherzte er doppeldeutig. Er sei froh, wieder da zu sein, wenn auch um einige Kilo abgemagert. Dass es sein letzter öffentlicher Auftritt sein würde, habe er nicht geahnt, sagen seine Kinder Gert Rosenthal und Birgit Hofmann im Gespräch mit der Rundschau. Zwei Monate später verstarb ihr Vater – mit 61 Jahren.

Die Kinder Gert Rosentahl und Birgit Hofmann.

Die Kinder Gert Rosentahl und Birgit Hofmann.

Im kommenden Monat, am 2. April, wäre Hans Rosenthal 100 geworden. Aus diesem Anlass wurde seine Autobiografie von 1980 „Zwei Leben in Deutschland“ nun neu aufgelegt. Außerdem hat das ZDF einen Fernsehfilm produziert, der den Entertainer im Zwiespalt zwischen Showgeschäft und der Vergangenheit als jüdischer Mensch in Deutschland zeigt. „Wir hatten alle die Hoffnung, dass er es packt“, erinnert sich Sohn Gert an die letzten Wochen seines Vaters. Je mehr es aber Richtung Februar 1987 ging, desto geringer sei diese Hoffnung geworden. „Als unser Vater das Ende realisierte, hat er gesagt: Wir sollten nicht mit anderen darüber sprechen. Er wollte ungern von den Zeitungen ausgezählt werden, wie lange er möglicherweise noch zu leben hat. Insofern war unsere Sprachregelung nach außen immer: Es wird alles gut und es wird immer besser.“

Hans Rosenthal: Alles wird gut

Dieses „Es wird alles gut“ steht sprichwörtlich für Hans Rosenthal, den Zuschauer-Liebling des Unterhaltungsfernsehens der 1970er und 1980er Jahre, der generationsübergreifend als Quizmaster des Formats „Dalli Dalli“ in lebendiger Erinnerung geblieben ist. Das heitere Ratespiel mit Prominenten, lustigen, manchmal albernen Geschicklichkeit-Spielchen und herausfordernden Schnellraterunden wurde von 1971 bis 1986 im ZDF ausgestrahlt und erlangte – vor allem durch den (ab Folge 53) von Rosenthal eingeführten „Sie sind der Meinung, das war spitze!“-Sprung – Kultstatus.

Alles zum Thema ZDF

Gert Rosenthal vermutet, dass sein Vater heute zufrieden auf seine Show blicken würde. „Er war ja damals der erste, der Prominente und Politiker in seine Sendung geholt hat, um mit ihnen Fragen und Spiele durchzuspielen. Er hat Prominente in anderen Situationen gezeigt, als man sie üblicherweise sieht. Ich denke, er würde sich freuen, dass seine Spielidee von Dalli Dalli heutzutage in so vielen Sendungen vorkommt, ja eigentlich bis heute immer stärker geworden ist und gebraucht wird.“ Dass Hans Rosenthal, dieser strahlende, fröhliche 1,70-Meter kleine Mann aus Berlin ein ganz anderes, ein abgrundtiefes dunkles Kapitel in seiner Lebensgeschichte mit sich trug, ahnten in den 1970er Jahren nur wenige. Zwar engagierte Rosenthal sich schon seit den 1960er Jahren im Zentralrat der Juden in Deutschland, aber die Verfolgung der Juden durch die Nationalsozialisten, wurde im Nachkriegs- und Wirtschaftswunder-Deutschland kaum thematisiert.

Als Jude zwei Jahre versteckt in einer Laube

Rosenthal selbst hat in Interviews darauf hingewiesen, dass die vierteilige amerikanische Fernsehserie „Holocaust“ von 1978, in Deutschland ausgestrahlt 1979, einen Wendepunkt in der Wahrnehmung darstellte. Der fiktionalen Geschichte rund um die jüdische Familie Weiss, gelang, was Historiker, Bücher oder Dokumentationen bis dahin nicht vermocht hatten: Der Völkermord an den Juden rückte ins kollektive bundesrepublikanische Bewusstsein. Und damit wurden auch die „Zwei Leben in Deutschland“ des Hans Rosenthal offenbar. In seiner 1980 erschienenen Biografie erfährt das Publikum erstmals, unter welchen Umständen er im Dritten Reich gelebt und überlebt hatte, dass er nach dem Tod seiner Eltern 1937 und 1941 als Vollwaise noch seinen geliebten sieben Jahre jüngeren Bruder Gert verlor, der 1942 nach Riga deportiert und ermordet wurde.

Er würde sich freuen, dass seine Spielidee von Dalli Dalli heutzutage in so vielen Sendungen vorkommt.
Gert Rosenthal über seinen Vater Hans

Auch das berichtet Hans Rosenthal später immer wieder: Er besuchte den an Kinderlähmung erkrankten Bruder im Waisenhaus kurz vor der angekündigten Deportation. Der zehnjährige Bruder zeigte ihm einen Stapel von frankierten Ansichtskarten, die er von seinem Ersparten gekauft und bereits an ihn, Hans, in Berlin adressiert hatte. Jeden zweiten Tag werde er eine Karte schreiben und versenden. Doch dazu kam es nicht. Hans Rosenthal beschreibt den Verlust seines Bruders in seiner Autobiografie erdrückend kurz und schmerzvoll: „Ich habe nicht eine dieser Postkarten bekommen. Und ich habe Gert nie wiedergesehen.“

Hans (r.) mit seinem Bruder Gert, der den Holocaust nicht überlebte.

Hans (r.) mit seinem Bruder Gert, der den Holocaust nicht überlebte.

Der 17-jährige Hans Rosenthal kann sich mithilfe dreier nichtjüdischer Frauen über zwei Jahre in einer Berliner Laube vor der Gestapo verstecken. Ihrem Mut  und einigen weiteren Zufällen, die er in seiner Autobiografie beschreibt, verdankt er sein Leben, das nach 1945 eine ganz andere Wendung nimmt. Rosenthal geht zum Rundfunk, zum RIAS, will zur Unterhaltung beitragen und zeigen, dass „jüdische Menschen sind wie alle anderen“. Unzähligen Radio- und Fernsehformaten bereitet er den Weg. Meistens kurzweilig, fröhlich, unterhaltsam für die ganze Familie. Wie ging das, als Opfer und traumatisierter Mensch in einem Land der Täter?

Darüber rätselt auch Tochter Birgit Hofmann: „Heute wundert man sich, dass er die Leute so unvoreingenommen auf die Bühne geholt, mit ihnen Späßchen gemacht hat und sich nichts hat anmerken lassen. Falls er solche Gedanken im Hinterkopf hatte - und die muss er eigentlich gehabt haben - dann konnte er sie sehr gut ausblenden.“ Er habe seinen Kindern beigebracht, „ohne Vorurteile an Leute ran zu gehen und erst mal von allen das Beste denken“.

Schade, dass er nicht mehr da ist. Er hätte sich sicher gegen Rechts engagiert.
Birgit Hofmann, Tochter von Hans Rosenthal

Die Erfahrungen des Vaters mit dem Holocaust spielten in der Kindheit von Gert Rosenthal und Birgit Hofmann keine große Rolle. „Wir Kinder wussten natürlich, dass er versteckt war, dass er verfolgt wurde. Und dennoch war das absolut nicht Thema bei uns zu Hause. Wenn darüber gesprochen wurde, dann waren es ein, zwei Sätze. Wir haben ja gemerkt, dass weitere Nachfragen nicht gewünscht waren oder das Thema gewechselt wurde, weil er nicht darüber sprechen wollte“, berichten die Beiden.

Umso mehr geht es ihnen darum, diesen Teil der Geschichte ihres Vaters lebendig zu halten. Vor allem vor dem Hintergrund politischer Ressentiments und des Rechtsrucks in der Gesellschaft. „Wenn bestimmte Dinge passieren, frage ich mich, wie der eigene Vater reagiert hätte. Und dann denke ich: Schade, dass er nicht mehr da ist. Er hätte sich sicher gegen Rechts engagiert.“

Berlin hält Andenken an Rosenthal lebendig

In Berlin erinnern heute zahlreiche Orte an Hans Rosenthal. Ein Platz am RIAS-Funkhaus in Tempelhof (heute: Deutschlandradio) eine Grundschule in Lichtenberg, ein Schwimmbad in Schöneberg, in dessen Becken bei der Namensgebung 2012 natürlich mit der Aufforderung „Dalli Dalli!“ gesprungen wurde. Die Stadt hält den TV-Star an vielen Orten lebendig. Am 100. Geburtstag ihres Vaters werden Birgit Hofmann und Gert Rosenthal an einer Diskussionsrunde im Jüdischen Museum in Berlin teilnehmen, danach mit der Familie zusammen sein. „Wir gehen etwas essen und reden über alte Sachen. Wir halten das Andenken an unseren Vater also auch noch ein bisschen hoch“, sagt Gert Rosenthal. Könnte Hans Rosenthal noch mitfeiern, würde er wohl sagen: „Mir geht es gut. Ich bin ein glücklicher Mensch“, so erinnern es zumindest seine Kinder. „Es waren immer seine letzten Worte, wenn er bei Geburtstagsfeiern von sich selbst sprach. Er war ein glücklicher Mensch.“