Köln – Eine gute Wahl in schweren Zeiten. Mit ihrem Weltuntergangs-Chanson „Herren dieser Welt“ trifft Hildegard Knef auf der stockdunklen Uniwiese ins Mark. Über 50 Jahre alt ist das Lied, mit dem sie das Sterben der Arten und das Verschwinden der Menschen heraufbeschwört. Die Knef ist das Intro für eine Demo, mit der Fridays for Future Köln die Gründung der mittlerweile weltweiten Bewegung vor drei Jahren feiert.
Dabei soll und darf getanzt werden – unter freiem Himmel und mit Masken. Und auch, als die als Tanzdemo angemeldete Kundgebung über die Zülpicher Straße, den Hohenstauffenring und die Aachener Straße zieht – dann mit House-Musik aus einer Anlage auf dem Lastenrad.
Noch „unendlich viel“ zu tun
„Dank uns ist Klimaschutz in aller Munde. Keine ernst zu nehmende Partei kam im letzten Wahlkampf um dieses Thema herum. Das Verfassungsgericht hat unsere Forderungen bestätigt: Wir alle haben ein Recht auf klimagerechte Politik. Das wollen wir feiern!“, sagt Leonie Jöster, Pressesprecherin von Fridays for Future Köln.
Viele der gut 100 Menschen auf der Uniwiese sind jung, höchstens 20 Jahre alt. Enttäuschung über die aktuelle Klimapolitik, das Abebben der Proteste durch die notwendigen Corona-Schutzmaßnahmen und große Sorge um die Zukunft klingen bei vielen durch. „Gerade deshalb wollen wir feiern und zusammen auch einfach mal Spaß haben“, so Jöster.
Unter den Demoteilnehmern sind auch Studierende, Lehrer und einige Grandparents for Future. „Wir gehören zu denjenigen, die es verbockt haben. Die zu träge waren, sich der Verantwortung zu stellen“, sagen Leah und Inge von den Teachers for Future. Jetzt sind sie dabei.
Zu tun gebe es noch „unendlich viel“, die Kritik am klimapolitischen Versagen der alten und an den als unzureichend empfundenen Zielsetzungen der neuen Bundesregierung ist vehement. „Für ein Erreichen des 1,5-Grad-Ziels muss Deutschland spätestens 2035 klimaneutral sein. Das belegt eine Studie des Wuppertal-Instituts aus dem Jahr 2020“, so die Veranstalter. Ihre Forderung: Ein Register mit 1,5-Grad-konformen CO2-Budgets, nach denen alle politischen Entscheidungen ausgerichtet werden müssen.
Um Druck auf politisch Entscheidungsträger auszuüben, brauche es in Zukunft aber neue Formen der Protestes. „Nur weil die Grünen in der Regierung sitzen, wird nicht alles gut“, so Jöster. Zahlreiche Mitstreitende hätten durch Corona existenzielle Sorgen. „Wir wollen auch die erreichen, die davon nicht betroffen sind.“ Um mehr Menschen zu mobilisieren, wollen sich die Kölner Fridays im Januar neue Aktionsformen überlegen. „Wir müssen radikaler werden. Gewaltfrei natürlich. Denkbar wäre auch etwas mit Kunst. Einfach, um auf anderen Wegen Aufmerksamkeit für Thema zu bekommen“, sagt Jöster.
„Wir geben nicht auf“
Und um an die Erfolge der Vergangenheit anzuknüpfen. Im Dezember 2018 zogen erstmals 1000 Schülerinnen und Schüler am Freitagvormittag vor das Kölner Rathaus. Dafür gab es Hochachtung und Häme. Höhepunkt der Protestbewegung war der 20. September diesen Jahres: 70 000 Menschen forderten in Köln eine Klimapolitik, die die Lebensgrundlagen aller erhält.
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Erst zwei Jahre später war wieder ein großangelegter öffentlicher Protest mit 3000 Menschen auf dem Heumarkt möglich. „Wir geben nicht auf. Selbst wenn die Koalition ihre Ziele erreicht, verfehlen wir den 1,5-Grad-Pfad“, sagt Jöster. „Die Menschen müssen einfach begreifen, dass die Klimakrise immer schneller eskaliert.“