Köln – In acht Jahren kann so einiges erreicht werden. Zumal, wenn einem von Anfang an klipp und klar gesagt wird, was erreicht werden muss. „Vollständige Barrierefreiheit in 2022“ , so lautete der glasklare Auftrag an den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV). 2013 wurde er in das Personenbeförderungsgesetzt hineingeschrieben. 2022 steht vor der Tür, und es braucht keinen Kennerblick, um zu sehen, diese Vorgabe haben die Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB) nicht erfüllt. Wer in seiner Mobilität eingeschränkt und auf den ÖPNV in Köln angewiesen ist, der muss seine Wege je nach Route gut planen und Umwege in Kauf nehmen. Dafür hagelt es Kritik von Betroffenen.
Barrierefreiheit bis 2022: KVB war nicht untätig
Man kann den KVB zugute halten, dass kein Verkehrsbetrieb einer deutschen Großstadt 2022 vollständig barrierefrei sein wird. Und natürlich waren die KVB in den vergangenen acht Jahren nicht untätig. KVB-Sprecher Stephan Anemüller: „Seit 2013 wurden Stadtbahn-Haltestellen – zum Beispiel Liebigstraße, Gutenbergstraße an der Linie 5, die Ausstiegshaltestelle Ubierring der Linie 15 – mit Rampen ausgerüstet.
Aufzüge wurden nachträglich an U-Bahn-Haltestellen wie zum Beispiel „Vingst“ der Linie 9, „Kalk Post“ der Linien 1 und 9 eingebaut, auch die Hochbahnhaltestelle Neusser Straße/Gürtel an der Linie 13 ist zu nennen.“ Für die Erneuerung von Aufzügen bestehe ein seit Jahren laufendes Programm. „90 Prozent der Bahnhaltestellen sind barrierefrei“, lautet seine Bilanz.
Zehn Prozent der Bahn-Haltestellen in Köln nicht barrierefrei
Bleiben auf jeden Fall zehn Prozent an Lücken. Einige Beispiele: „Insbesondere im Verlauf der Stadtbahn-Linie 13 besteht noch keine vollständige Barrierefreiheit. Die Hochflurbahnen klappen an Haltestellen mit Niederflur die Treppen aus und bereiten Menschen mit Mobilitätseinschränkungen Probleme.
Große Herausforderungen stellen auch die U-Bahn-Haltestelle Friesenplatz und die oberirdische Stadtbahn-Haltrestelle Barbarossaplatz dar“, räumt Anemüller ein. Beim Friesenplatz macht er bauliche Schwierigkeiten geltend. Am Barbarossaplatz lasse die Planung der Stadt zur Umgestaltung der komplexen Kreuzung auf sich warten, in die sich die Haltestellen einfügen müssen.
Womit klar ist, diese Lücken lassen sich nicht in den verbleibenden Wochen des Jahres 2021 schließen. Es müssen Sondergenehmigungen für den weiteren Betrieb der nicht barrierefreien Haltestellen erteilt werden.
Seniorenvertretung von Kölner Verkehrs-Betrieben enttäuscht
„Das ist sehr traurig“, zieht Dr. Martin Theisohn, Sprecher der Seniorenvertretung, Bilanz zum Auslaufen der Frist. Die KVB hätten die Jahre einfach zu ungenutzt verstreichen lassen. Dass der KVB-Sprecher sagt, 90 Prozent der Stadtbahnhaltestellen seien barrierefrei, ist für Theisohn fast schon ein Treppenwitz. „Die Aufzüge sind oft defekt, und dann ist die Haltestelle ganz schnell nicht mehr mit dem Rollstuhl erreichbar.“ Er kenne eine Rampe an einer Haltestelle in Chorweiler, „da habe ich Angst, zu fallen“. Bei den Bussen hänge vieles davon ab, wie aufmerksam der Fahrer sei.
Detlef Schmidt ist Vorsitzender des Sozialverbandes VdK Köln. „Die KVB hätten schon viel weiter sein können. Wir haben immer wieder auf die Frist und die Lücken in der Barrierefreiheit hingewiesen.“ Doch in den Gesprächen sei er oft hingehalten worden: „Wir warten da noch etwas ab, wir machen das in einem mit einer weiteren Baumaßnahme.“ So sei die Zeit verschenkt worden. Die Konsequenz: „Als Rollstuhlfahrer müssen sie sich viele Gedanken machen. Wo kann ich um-, wo aussteigen?“ Schaut er auf die acht Jahre zurück, ist Schmidts Fazit bitter: „Verschenkte Zeit.“
Unzufrieden ist auch die Behindertenbeauftragte der Stadt Köln, Mirjam Tomše. „Das bedeutet für die Betroffenen, ihre gesellschaftliche Teilhabe ist eingeschränkt. Sie sind nicht frei in der Wahl, wo sie in Bus und Bahn einsteigen möchten. Das kann einen hohen Aufwand nach sich ziehen.“ Für sie steht fest: „Der Ausbau der Barrierefreiheit muss verbessert werden, denn jeder Mensch hat das Recht auf vollumfängliche Teilhabe. Und bei allem Verständnis für die komplexen Planungs- und Arbeitsprozesse, ich sehe da noch viel Arbeit und die Notwendigkeit, miteinander zu sprechen.“