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Zum 65. Geburtstag von Kardinal WoelkiVom Plüsch-Geißbock zur Roten Karte

Lesezeit 6 Minuten
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Kardinal Rainer Maria Woelki wird 65.

Köln – Köln hätte seine Erfüllung sein können. Doch diese Stadt scheint sein Schicksal zu werden. Dass einem Erzbischof nicht die Herzen zufliegen, das hat es auch schon vor Rainer Maria Kardinal Woelki in diesem Bistum gegeben. Der Name Meisner liegt nahe. Doch der kam nicht aus Köln, wollte eigentlich auch nicht nach Köln, und die Kölner wollten ihn nicht so recht.

Bei Woelki waren die Vorzeichen ganz andere. Und dennoch: Laienorganisationen haben mit ihm gebrochen. Der Papst schickte Visitatoren. Er muss sich immer wieder Fragen nach seiner möglichen Abberufung anhören. Heute wird Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki 65 Jahre alt.

Der Hoffnungsträger

Am Anfang war ein Irrtum. Genährt von der Hoffnung. Das alles anders wird. Näher. Nahbarer. Barock war die Machtfülle Meisners, monarchisch seine Aura. Dass Meisner sein geistlicher Ziehvater gewesen sei, dagegen wehrt sich Woelki heute. Legendenbildung. Er sei schon geprägt gewesen, als er mit 30 Meisners Geheimsekretär wurde, sagt er in einem Interview mit der Deutschen Presseagentur (dpa).

Als Bischof in Berlin wirkte er von Köln aus gesehen fast schon antiautoritär, jedenfalls unkonventionell, aufgeschlossen, locker. Dass er sich schon dort als konservativ bezeichnete, dass er da schon Kritik für die Zusammenlegung von Gemeinden erntete: In Köln wollte wohl keiner die fernen Signale hören. Und was Berlin vermeintlich versprach, schien sich in Köln zu erfüllen: Als neuer Kölner Erzbischof bewegte er sich mit dem Fahrrad durch die Innenstadt. Mit vollen Einkaufstaschen war er auf dem Bürgersteig anzutreffen. Mit einem FC-Schal um den Hals sendete er Videobotschaften. Das Elend der Flüchtlinge, das harte Brot der Armen sind seine Themen. Oh Gott, unser Kardinal ist Sozialist, raunte es über die Flure der Bistumsverwaltung. Da war die Verlockung groß, von dem „Herz-Jesu-Sozialisten“ auf den Theologen zu schließen.

Der Theologe

Die Liberalen dachten, er stünde mitten unter ihnen. Jedoch: Gemeinsames Abendmahl, Familienverständnis, Frauen in Weiheämtern, Priestertum, Segnung homosexueller Paare – es können beliebig viele Beispiele genannt werden. Wo immer katholische Reformer auf Öffnung drängen, kontert Woelki unnachgiebig mit Dogmen. Den Gläubigen verlangt er dabei viel ab. Aus der Fülle der göttlichen Gaben sollen sie leben. Dabei Seelsorgebereiche ausfüllen, die wegen Priestermangels kaum noch überschaubar sind. Die Eckpfeiler dafür will er in seinem pastoralem Zukunftsweg setzen. Für ihn ist dieser Prozess maximal transparent, für seine Gegner höchstens gelenkte Demokratie. Die werfen ihm vor, er vertreibe selbst noch die engagiertesten Katholiken. Er hält ihnen entgegen, die Spaltung der Weltkirche zu provozieren.

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Kardinal Rainer Maria Woelki steht beim Pontifikalamt zum Ostersonntag im Kölner Dom am Altar.

Als eine Delegation der Reform- und Gleichstellungsbewegung Maria 2.0 mit ihm über ihre Vorstellungen diskutieren will, soll er ihnen empfohlen haben, auszutreten, evangelisch oder altkatholisch zu werden. Unter Tränen sollen sie das Erzbischöfliche Palais verlassen haben – aber nicht die Kirche. Und so ist gibt es tiefe Brüche in der Kirche, zumindest im Erzbistum Köln.

Der Aufklärer

Bei der Aufklärung sexuellen Missbrauchs in seinem Erzbistum wollte er Licht in der Finsternis sein. Das erste Gutachten zum Umgang mit solchen Fällen genüge nicht juristischen Ansprüchen und enthalte rechtswidrige Formulierungen, ergaben weitere vom Erzbistum veranlasste Gutachten. Woelki gab ein neues Gutachten in Auftrag.

Am Ende dieses mehrjährigen Reigens hat Woelki die Bescheinigung, aus rechtlicher Sicht ohne Fehl und Tadel zu sein. Das veröffentlichte Gutachten offenbart ein System von unklaren Zuständigkeiten, mangelndem Unrechtsempfinden, Korpsgeist und fehlender Kontrolle. Woelki schiebt institutionell Veränderungen an. Unter Auflagen gewährt er Einblick in das erste, nicht veröffentlichte Gutachten. Auch dieses Gutachten sieht bei ihm keine Schuld. Es ist aber lückenhaft und fällt in der juristischen Qualität hinter das veröffentlichte Gutachten zurück.

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Erzbischof von Köln, verteilt in einen Gottesdienst im Dom Weihrauch.

Ruhe kehrt dennoch nicht ein. Mitglieder des Betroffenenbeirates haben sich im Verlauf erneut missbraucht gefühlt und sind zurückgetreten.

Dann, nach der Veröffentlichung des juristischen Gutachtens, stößt das Erzbistum selbst auf einen neuen schweren Verdachtsfall. Dass der verdächtige Priester noch vor ein paar Jahren befördert worden war, obwohl er einst einen 17-jährigen Prostituierten für sexuelle Handlungen bezahlte, verteidigt Woelkis Generalvikar zunächst als formal richtig – wegen der von dem Priester seinerzeit gezeigten Reue und des Fehlens eines strafrechtlichem Ansatzes. Später räumen der Generalvikar und Woelki selbst Fehler ein. Woelki lastet sich selbst an, er hätte wohl die Akten genauer studieren müssen.

Der Seelsorger

Der Bischof, der aufklären will, der den Kern bewahren möchte und dabei so gerne mitten unter den Menschen stünde. Doch warum nehmen viele der Seinen ihn nicht auf? Vielleicht, weil sie sich bei ihm nicht aufgehoben fühlen? Papst Franziskus hat Visitatoren geschickt. Unter anderem, um die „komplexe pastorale Situation“ im Erzbistum Köln zu untersuchen. Als ehemalige Mitglieder oder auch Vertreter des Diözesanrates nach dem Gespräch mit den Visitatoren Kardinal Andres Arborelius und Bischof Johannes van den Hende vor die Tür traten, wirkten sie wie gelöst, fast schon beflügelt: Die beiden hätten sich ihnen zugewandt, ihnen zugehört. Ein Betroffener sagt es frei heraus: Das habe er bei Woelki so nie erfahren. Sogar Woelki selbst bescheinigt in dem dpa-Interview den Visitatoren eine „empathische Weise“. Als gestehe er neidlos eine Gabe ein, die ihm nun mal nicht gegeben sei.

Vielleicht funktioniert es auf anderer Ebene besser? Ein ehemaliges Mitglied der erzbischöflichen Leitungsebene berichtet, der Kardinal habe unter den Priestern an Halt verloren, weil er in der ersten Wut schnell in ein „Die“ und „Wir“ verfalle. Wenn man da nicht aufpasse, stünde man ohne sich zu versehen auf der falschen Seite, gehört nicht mehr zum kirchlichen „Wir“ – aus Sicht des Kardinals.

Der Berufene

Am Anfang gab es noch die Hoffnung auf Leichtigkeit. Nun liegt bleierne Schwere über dem Erzbistum Köln. Zum Amtsantritt bauten sie ihm eine Bühne vor dem Dom und überreichten ein Fässchen Kölsch mit Plüsch-Geißbock. Jüngst bildeten Gemeindemitglieder in Düsseldorf für Woelki ein Spalier und zeigten ihm die Rote Karte. Er solle doch gehen, seinen Platz räumen, eine Zusammenarbeit sei einfach nicht mehr möglich, so sagen es ihm Laienorganisationen offen ins Gesicht. Und selbst Priester legen es ihm nah.

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"Rote Karte für Kardinal Woelki" steht auf einem Plakat.

Woelki sieht sich nicht verlassen. Er bekomme auch Briefe von Menschen, die ihn zum Durchhalten aufforderten, sagt er der dpa. Allein: Seine Gegner stellen sich ihm mittlerweile wie eine Front entgegen, aber seine Befürworter nicht geschlossen hinter ihn. Sie bezeichnen sich lieber als schweigende Mehrheit.

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Er würde diese Grabenkämpfe gern auf seine Art beenden: Er sei berufen, nicht gewählt, darum könne er auch nicht abgewählt werden. Aber abberufen? In Woelkis Weltsicht liegt das fern. Als die Visitatoren angekündigt wurden, bedankte er sich beim Papst für die Unterstützung. Als ginge es dabei gar nicht um ihn. Der Bericht der Visitatoren liegt dem Papst mittlerweile vor. Woelki nimmt es anscheinend mit der Leichtigkeit von einst: Noch im Februar habe Franziskus ihm sein Vertrauen ausgesprochen.