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Zahlreiche neue MöglichkeitenKVB nutzt 3D-Druckertechnik für Ersatzteile

Lesezeit 4 Minuten

Jonas Süllow hält eine Stadtbahn-Schürze in den Händen, die mit einem 3D-Drucker erstellt wurde.

Köln – Die Zukunft steht in einem 100 Jahre alten Gebäude, etwas abseits in einem kleinen Raum. Unscheinbar wirkt der weiße Kasten auf dem Tischchen an der Wand. Dass es mehr mit ihm auf sich hat als das Umfeld vermuten lässt, verrät allein die Aufschrift: Ultimaker (Allesmacher). Seine Aufgabe: Er soll den Kölner Verkehrs-Betrieben (KVB) eine neue Dimension eröffnen. Der 3D-Drucker nimmt seine Arbeit auf, wenn es für Stadtbahnen und Busse Ersatzteile braucht, die es nicht mal eben so von der Stange gibt.

Jonas Süllow (31) ist unter anderem Herr über den „Allesmacher“. Mit Süllow und der KVB verhält es sich ein bisschen so wie mit Simon und Garfunkel: Als sie zusammenfanden, hat auf Anhieb alles gepasst. Süllow studierte Wirtschaftsingenieurwesen im Fachbereich Maschinenbau. Als er dafür bei der KVB ein Praktikumssemester absolvierte, schaffte sich der Betrieb gerade den 3D-Drucker an. Er nahm sich des Gerätes an, schrieb über die Anwendungsmöglichkeiten eine Bachelorarbeit, „und als eine entsprechende Stelle im KVB-Team Fahrzeugtechnik ausgeschrieben wurde, habe ich mich gleich beworben“ sagt er. Da war es zusammen, das perfekte Duo.

Keine „Ehrenrunden“ bei den Bestellungen

Die wichtigste Aufgabe des kleinen 3D-Druckers ist es zurzeit, „Ehrenrunden“ bei der Bestellung von Ersatzteilen zu verhindern. Süllow nennt ein Beispiel: „Wir brauchen bestimmte Ventile für einige unserer älteren Bahnen, da die originalen nicht mehr hergestellt werden.“ Üblicherweise wird im Angebot der Zulieferer nach einer passenden Alternative geschaut und die Bestellung aufgegeben. Schlimmstenfalls stellt sich beim Einbau heraus, es passt doch nicht wie erhofft. Die Einbauräume sind häufig sehr komplex. Alles wieder zurück.

Neue Suche. Neue Bestellung. Und geht’s mit dem Teufel zu, passt es auch in der zweiten Runde nicht. „Darum lassen wir uns von der Herstellerfirma das 3D-Modell des Bauteils geben, welches wir ins Auge gefasst haben. Häufig generieren wir auch 3D-Daten für eigene Konstruktionen, beispielsweise für Umbauprojekte an unseren Bestandsfahrzeugen“, erklärt der Ingenieur. „Mit dem 3D-Drucker erstellen wir dann ein Modell.“

Nicht dass aus dem Drucker fertige Bauteile kämen, aber das Modell hat die für den Einbau wesentlichen Abmaße. Über Nacht wird es gedruckt und tags drauf in der Werkstatt geprüft, ob alles passt. Wenn ja, kann die Bestellung aufgegeben werden oder der Fertigungsauftrag rausgehen.

Der Anhebestutzen als Dummie aus dem Drucker.

Jüngst hat der Drucker einen schwarzen Trichter „ausgespuckt“. „Ein Anhebestutzen für die neuen Fahrzeuge“, erklärt Süllow. Das Prinzip ist vom Wagenheber bekannt: Muss eine Bahn angehoben werden, braucht es zwischen Bahn und Heber einen Stutzen, der den Druck verteilt und so Schäden verhindert. Passt der geplante Stutzen? Das Modell aus dem Drucker gibt die Antwort: Passt.

KVB-Drucker deutlich günstiger

Beim Blick auf das Gerät wird klar, es hat seine Grenzen. Größere Bauteile lassen sich damit nicht erstellen. Und über das Muster geht es auch nicht hinaus – noch nicht. „Wir haben bei unseren Bahnen hohe Anforderungen an den Brandschutz und die Festigkeit“, sagt Süllow. Die Kunststoffe, mit denen der Ultimaker seine Bauteile momentan bei der KVB erstellt, halten denen nicht stand.

Dennoch, die Richtung in die die KVB denkt, ist klar: Ersatzteile vollständig drucken. Ein Pilotprojekt ist dafür Beweis. Es dreht sich um einen sogenannten Scheinwerferträger. Die Frontverkleidung einer Stadtbahn, in der die Scheinwerfer gefasst sind. „Für diese Träger gibt es sehr lange Lieferzeiten und die Preise sind hoch“, erklärt der Ingenieur. Das Unternehmen Siemens Mobility hat Drucker, in der solche Schürzen in ihrer Größe, Komplexität und Qualität erstellt werden können.

3D-Drucker, die diesen Anforderungen gerecht werden, haben höhere Investitionskosten. Um den Unterschied zwischen dem KVB-Drucker und denen der Firma Siemens Mobility zu verdeutlichen: „Unserer kostet rund 6000 Euro, die bei Siemens Mobility kosten ein Vielfaches“, sagt Süllow. Damit wird klar, in dieser Preisklasse lohnt sich ein solcher Drucker nicht für die KVB. Er müsste permanent Ersatzteile drucken, sollte er sich rechnen.

Füllhorn an Möglichkeiten für KVB

Doch selbst beim Globalplayer Siemens Mobility wachsen die 3D-Drucker nicht in den Himmel. Die Schürze wurde in zwei Teilen erstellt und in der Mitte verbunden. „Selbst die Anbindungselemente für die Befestigung am Wagenkasten sind durch 3D-gedruckte Metallteile verstärkt“, ist Süllow begeistert. Dass die Schürze aus zwei Teilen besteht, ist sogar ein Vorteil: „Wenn es beispielsweise bei einem Abbiegeunfall zu einem Schaden kommt, müssen wir nicht mehr den ganzen Träger wechseln.“

Rare Ersatzteile, lange Lieferzeiten, hohe Kosten oder auch innovative Lösungen: Mit der 3D-Drucktechnik eröffnet sich der KVB ein kleines Füllhorn an Möglichkeiten.