AboAbonnieren

Von der Corona-Welle überrolltKölns Gesundheitsamt kommt nicht mehr hinterher

Lesezeit 5 Minuten
Lange Schlangen vor Gesundheitsamt

Schlange stehen: Die Nachfrage nach Impfungen im Gesundheitsamt ist groß. 

Köln – Wenn sich die rasante Entwicklung der Corona-Infektionen fortsetzt, wird die Stadt am Dienstag einen Inzidenz-Rekord verkünden. Am 25. April wurde eine Sieben-Tage-Inzidenz von 250,1 erreicht, am Montag lag der Wert, der Auskunft über die Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner gibt, bei 245,7. Täglich mehr als 500 Neuinfektionen bedeuten stellenweise eine Überforderung des Gesundheitsamts. Antworten zu wichtigen Fragen:

Warum ist das Gesundheitsamt überlastet?

Als sich das Infektionsgeschehen im Sommer abschwächte, konnte auch das Personal im Gesundheitsamt anders eingesetzt und reduziert werden. Zum Teil wurden befristete Verträge nicht verlängert. Angesichts immer neuer Rekordmeldungen bei den Neuinfektionen wird das Personal gerade deutlich aufgestockt. Denn das selbstgesteckte Ziel, alle Corona-Infizierten sowie deren Kontaktpersonen innerhalb von 24 Stunden zu kontaktieren, wird derzeit nicht erreicht. Von den 1188 Mitarbeitenden im Gesundheitsamt müssen sich inzwischen 873 um die Bewältigung der Corona-Pandemie kümmern. Am Wochenende hat sogar die Freiwillige Feuerwehr Unterstützung bei der Kontaktnachverfolgung geleistet. Mit anderen Worten: es brennt im Gesundheitsamt. Das Ende der Maskenpflicht in den Schulen hat den Arbeitsaufwand bei der Stadt ebenfalls erhöht. Denn nun werden nicht mehr nur die infizierten Schüler und Quarantäne geschickt, auch bis zu vier Sitznachbarn (vorne, hinten und an beiden Seiten) müssen kontaktiert werden.

Wie entwickelt sich die Situation an den Schulen?

Die Geschwindigkeit der Neuinfektionen in den Schulen hat sich abgeschwächt. Vor einer Woche musste die Stadt noch eine Verdopplung der Fallzahlen feststellen, in den vergangenen sieben Tagen erfolgte ein Anstieg von 806 auf 967 betroffene Schülerinnen und Schüler. In den Kitas gibt es inzwischen 198 infizierte Kinder.

Erweitert die Stadt die Impfangebote?

Ja. Die Stadtverwaltung plant eine deutliche Erweiterung der Angebote. Erstens: Es soll mehr mobile Impfangebote mit Bussen geben. Und zweitens: Die Stadt will Impfstellen in den neun Stadtbezirken einführen, sie prüft deshalb aktuell, welche Räume dafür verfügbar sind. Diese sind als Ersatz für die Impfungen unter freiem Himmel vorgesehen, da die Witterung diese nicht mehr zulässt. Das teilte ein Stadtsprecher am Montag mit. Er sagte: „Das soll kurzfristig erfolgen, damit die Booster-Impfungen ihren Effekt entfalten können.“ Auf die Frage, ob kurzfristig zwei Monate oder zwei Wochen meint, sagte er: „Zwei Wochen. Oder auch schneller.“

Werden für die Impfungen Termine benötigt?

Zunächst will die Stadt das ohne die Vergabe von Terminen einführen, „das Angebot soll so niedrigschwellig wie möglich sein“, teilte der Sprecher mit. Das Motto lautet: Hingehen, anstellen, impfen, das war’s. Allerdings: Wenn die Impfstellen ähnlich wie aktuell das Gesundheitsamt überrannt werden, könnte die Terminbuchung eine Option werden. Und: Die Stadt braucht für diese Impfstellen ausreichend Ärzte, sie sucht aktuell Personal. Ende September hatte das Impfzentrum in der Messe geschlossen.

Das könnte Sie auch interessieren:

Weil es bei vielen Hausärzten Termine und damit auch Wartezeiten auf Impfungen gibt, sind die Angebote der Stadt stark gefragt. Im Gesundheitsamt am Neumarkt sollten ursprünglich 200 bis 400 Impfungen am Tag durchgeführt werden, diesen Umfang hatte das Land genehmigt. Aufgrund der großen Nachfrage werden finden hier momentan bis zu 600 Impfungen am Tag statt. Nun hat die Stadt reagiert und eine Aufstockung der Kapazität beantragt. Wie hoch diese sein soll, wurde nicht bekannt.

Wie ist die Lage in den Kliniken?

Die Zahl der Corona-Patienten in den Krankenhäusern nimmt langsam zu. In den vergangenen zwei Wochen wurden etwa 130 Patienten behandelt, am Wochenende stieg die Zahl auf 145 an. Auf den Intensivstationen ist die Lage weiter angespannt, jedoch auf gleichbleibendem Niveau. Derzeit liegen 53 Infizierte auf den Intensivstationen, vor zwei Wochen waren es 51. Zum Vergleich: In der Hochphase der zweiten Corona-Welle gab es 170 Corona-Intensivpatienten in Köln.

Spielt der 11.11. für die Entwicklung eine Rolle?

Derzeit noch nicht. Im Gesundheitsamt wird erst Ende der Woche mit ersten Fällen gerechnet, bei denen sich die Infektion auf die Eröffnung der Karnevalssession zurückführen lassen kann. Dann wird ein weiterer Anstieg erwartet.

Wieder Schlangen vor den Teststellen in Köln

An den Testzentren sind wieder längere Warteschlangen zu sehen. Seit Samstag können sich alle Bürgerinnen und Bürger kostenlos auf das Coronavirus testen lassen. Habib Khawaja, ein Mitarbeiter des Testzentrums an der Komödienstraße erklärt, dass das Angebot gut angenommen werde. Mit der Kostenpflicht, die etwa bei 15 Euro lag, habe es ungefähr 50 Tests pro Tag gegeben. Seit der erneuten Kostenbefreiung, habe sich die Zahl der getesteten Personen pro Tag verdoppelt. Das kommende Wochenende schätzt er auf 200 Testungen pro Tag.

Erst vor rund einem Monat, am 11. Oktober, waren die zertifizierten Schnelltests kostenpflichtig geworden (mit Ausnahmen für Schwangere oder bis Ende des Jahres Unter-18-Jährige). Laut Verordnung steht nun wieder jedem mindestens ein kostenloser Antigen-Schnelltest pro Woche unabhängig vom Impf- oder Genesenenstatus zur Verfügung.

Das heißt: Jeder Bürgerin und jedem Bürger ist es theoretisch möglich, sich jeden Tag die Woche testen zu lassen.

Bevor die Kostenpflicht für Schnelltests Mitte Oktober eingeführt wurde, hatte es in Köln 635 Testzentren gegeben. Seither haben manche Stellen ihre Türen geschlossen wie das Corona-Testzentrum am Breslauer Platz Ende Oktober. Auch das private Zentrum am Flughafen Köln Bonn ist seit gestern zu.

626 Teststellen gibt es nach Angaben der Stadt aktuell in Köln, dazu gehören 418 Arztpraxen, 37 Apotheken und 171 private Anbieter. Die Zahl sei seit Wochen konstant. Die Testkapazität in Köln liegt bei ungefähr 67 000 Testungen pro Tag. In der Debatte ist derzeit das Modell 2G plus. Das würde bedeuten, dass (bei voller Auslastung) allein 50 000 FC-Fans vor einem Heimspiel getestet werden müssten. Laut einem Stadtsprecher werden aktuell 10 000 Tests pro Tag durchgeführt. Eine Liste mit allen beauftragten Teststellen in Köln findet sich auf der Webseite der Stadt. Auch über die Corona-Warnapp (Funktion „Testverwaltung“) lassen sich Zentren anzeigen. (khe)